WIEDER BEISAMMEN
Die Corona-Pandemie hatte eine Schneise in mein freimaurerisches Leben geschlagen. In das rituelle Erleben ebenso wie in die brüderliche Begegnung. Denn als das gesellschaftliche Leben heruntergefahren werden musste, schlossen auch die Logenhäuser ihre Pforten. Und es liegt in der Natur der Sache, dass weder das Eine noch das Andere online adäquat ersetzt werden konnte.
Ein halbes Jahr sollte es dauern, bis die Brüder meiner Loge und ich erstmalig wieder zusammenkommen konnten. Anlass sollte eine rituelle Tempelarbeit im ersten Grad, dem des Johannislehrlings, sein. Doch es war kaum noch etwas so, wie ich es über Jahre hinweg kennen und lieben gelernt hatte. Es fing damit an, dass wir den Tempel einzeln, mit Sicherheitsabstand und dem Tragen eines Mundschutzes zu betreten hatten. Und auch das Ritual an sich war an verschiedenen Stellen derart abgeändert worden, dass es dem Hygienekonzept der zuständigen Behörde gerecht wurde.
Daher fühlte sich dieses Ritual mit einem Mal wieder so neu und ungewohnt an. Den Brüdern und mir war die Unsicherheit bei Ausführung des Rituals förmlich anzumerken…
DER WICHTIGSTE FREIMAURERISCHE GRAD
Welcher freimaurerische Grad, welche freimaurerische Erkenntnisstufe ist die wichtigste? Diese Frage diskutierten vor längerer Zeit amerikanische Freimaurer auf Twitter. Da ich selbst auf Twitter diversen freimaurerischen Accounts aus dem Ausland folge, konnte ich diese Diskussion live mitverfolgen.
Alleine schon diese Fragestellung hat mich mehr als befremdet. Ich fand sie regelrecht abstoßend. Denn in ihr schwingt eine Bewertung, vielleicht sogar die Idee einer Hierarchie innerhalb der einzelnen freimaurerischen Grade mit. So nach dem Motto: Je höher, je geheimnisvoller oder je schwerer zu erreichen ein Grad ist, desto würdiger, auserwählter, wissender, erleuchteter oder was auch immer ist der, der diesen Grad inne hat. Diese Logik hat einen widerlich elitären Beigeschmack. Denn meiner Erfahrung nach erhält man in absolut keinem freimaurerischen Grad verborgenes Wissen, geheime Praktiken, ungeahnte Bewusstseinszustände, höhere Erkenntnis oder was auch immer offenbart, was man nicht auch komplett ohne das Freimaurertum samt seiner Rituale und Symbole erlangen könnte. Nichtsdestotrotz ist der freimaurerische Weg ein wohl einzigartiger initiantischer Weg, dessen Rituale und Symbolik sich aus den vielfältigen Traditionen der Baukunst, der Mysterienbünde, der Mystik, der Aufklärung, des Tempelrittertums, der Gnosis, des Humanismus, der Hermetik und der archaischen Initiationsriten (sicher ist diese Aufzählung nicht abschließend) speist. Unter Zuhilfenahme von Versatzstücken dieser Traditionen wird der Freimaurer in jedem Grad mit den essentiellen Fragestellungen dieses Lebens, seiner spirituellen Kreisläufe und Gesetzmäßigkeiten sowie des Sterbens und des Todes konfrontiert. Ich persönlich erlebe den freimaurerischen initiantischen Weg durch die einzelnen Grade, so wie ich ihn im christlichen Freimaurerorden vorfinde, als sehr stimmig und bewegend. Er weist unheimlich viele Facetten und Bedeutungsebenen auf und durchdringt nach und nach mein gesamtes Leben. Doch ich habe durch ihn absolut gar nichts kennengelernt, was ich nicht schon vorher gewusst hätte oder mir auch ohne das Freimaurertum hätte erschließen können. Aus diesen Gründen befremden mich Fragen, wie die, welche der wichtigste freimaurerische Grad ist, immer sehr.
Und dennoch ging mir diese Frage nach. Wenn man mich fragen würde, welches wäre für mich ganz persönlich der wichtigste Grad? Zu allererst käme mir hier meine Aufnahme in den dritten Grad, den des Johannismeisters, in den Sinn. Hier wurde ich in machtvoller Weise mit meinem eigenen Sterben und meinem eigenen Tod konfrontiert. In der Art und Weise, in der dieses Ritual im christlichen Freimaurerorden ausgestaltet ist, war es das bewegenste Ritual, das ich je erlebt habe. Doch auch der anschließende Weg in die Andreasloge und durch die Andreasloge hindurch (Grad vier bis sechs) war berührend und von der inhaltlichen Ausgestaltung her unheimlich reich und in sich stimmig.
Doch je länger ich über diese Frage nachdachte, desto mehr kristallisierte sich für mich heraus, dass der erste Grad, der des Johannislehrlings, für mich der wichtigste ist! Warum? Dafür muss ich ein wenig ausholen. Denn die Aufnahme in den Grad des Johannislehrlings an sich bewegte mich zwar, jedoch nicht in dem Maße, wie es viele Brüder mir im Vorherein vorgeschwärmt hatten. Und ebenso nicht in dem Maße, wie mich die Initiationen in die Grade ab dem Johannismeister bewegen sollten.
Das, was den Grad des Johannislehrlings für mich so besonders macht, ist die innere Einstellung und das Bewusstsein, was mit diesem Grad einhergeht, sofern man sich darauf einlässt. Es ist die innere Einstellung und das Bewusstsein des Lernenden. So stellte ich mich bewusst hinten an und nahm die Position des Beobachters ein. Ich schaute hin, ich hörte zu. Und ich hielt den Mund, wenn ich nicht gefragt wurde. Wie ein Schwamm sog ich alles auf, was mir an freimaurerischer Symbolik, an freimaurerischen Ritualen und an freimaurerischen Inhalten begegnete. Und dann konnte ich sie förmlich greifen, diese spannungsgeladene Vorfreude, die in der Luft lag, jedes Mal, wenn die Brüder zusammenkamen und sich für das Ritual maurerisch einkleideten. Es hatte etwas Geschäftiges und Erwartungsfrohes. Jedes Mal vor einer Tempelarbeit. Diese Einstellung des Lernenden brachte etwas Achtsames und Demütiges mit sich. Und befanden wir uns dann im Ritual, war alles neu. Jede Handlung, jedes gesprochene Wort, jede Haltung. Das alles war neu und fühlte sich dadurch so unsicher an. Diese innere Unsicherheit sollte über Monate hinweg mein Begleiter im freimaurerischen Ritual sein…
ERINNERUNG DURCH CORONA
…Ganz unwillkürlich verspürte ich genau diese Unsicherheit wieder, als wir nach der coronabedingten Pause erneut rituell zusammenkamen. Zwei Faktoren waren dafür verantwortlich: Die lange Pause sowie die Änderungen im Ritualablauf, die das Corona-Hygienekonzept notwendig gemacht hatte.
Doch je mehr ich ankam in dieser Situation, desto mehr stieg Erinnerung in mir auf. Erinnerung an die Zeit, in der ich genau diese Unsicherheit schon einmal verspürt hatte: Meine Zeit im Johannislehrlingsgrad, kurz nach meiner Aufnahme in die Bruderschaft der Freimaurer, als ich noch frisch gebackener Johannislehrling war.
Daher ist es genau das, was die Corona-Pandemie mich als Freimaurer gelehrt hat: Sie hat mich erinnert an die Einstellung und das Bewusstsein des Johannislehrlingsgrades. Denn sie hat mir ganz neu bewusst gemacht, dass es notwendig ist, ein Lernender zu bleiben. Klar, den Grad des Johannislehrlings habe ich hinter mir gelassen. Ein für alle Mal. Daher halte ich nicht viel von der Aussage „Ein Freimaurer bleibt sein Leben lang Lehrling.“ Denn dem ist faktisch nicht so. Was hingegen ein Freimaurer sein Leben lang bleiben sollte, ist ein Lernender.
Wer bist denn du?Kann man dir helfen?Auch du kannst geheilt werden.Gott segne dich
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Moin Dein Gewissen!
Ich bin Hagen Unterwegs (wie es auf meinemBlog ja auch nachzulesen ist).
Vielen Dank für Deine Segenswünsche!
Was an meinem Text hat Dich inspiriert, mir diese Nachricht zu schreiben?
Gesegneten Gruß!
Hagen
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Was Dir durch die Frage, welcher Rang im Bündnis der wichtigste ist, so befremdlich erschien, habe auch ich ähnlich vor vielen Jahren in der EBDAR erlebt, die sich sowohl auf alte Riten als auch auf die spirituelle Lehre von Bô Yin Râ bezogen fühlt. Mir erschien das Rangbewusstsein der Brüder voll im Gegensatz zur Kernaussagen des geistigen Lehrwerkes Bô Yin Râ`s zu stehen. Wie ich nun nach bald 8 Lebensjahrzehnten aus mir selbst ins Leben schaue, möchte ich daher anhand eines von mir verfassten Impulses mit Dir teilen:
Jenseits des Nadelöhrs ist glückselige Freiheit, und du bist dann dort angelangt, wenn Du Dich selbst in jeder Lage, sei sie freud- oder leidvoll als Glückseligkeit wahrnimmst. Dann ist für Dich alles Leben zu Deinem eigenen unendlichen Raum geworden, es ist mit Dir Eins und Du hast Dich für Dich selbst und andere zur Sonne gewandelt. Dann lebst Du wie in ewigen Ferien, die ständig neue Freude bringen, zeitlos unbeschwerte Tage und Jahre, in denen Du nichts anderes denkst als das was Dich freut, gar nichts anderes denken musst als an das, was Du von Kindheit an schon gewünscht hast.
Dem Leben dankbar blickst Du zurück auf den schmalen Pfad, der Dich das Ziel erreichen ließ und weißt nun wie notwendig es war, besonders in schwierigen Situationen Deine Fähigkeit zu erproben, alles „wie nichts“ zu erachten und nur das Eine zu wollen. Du weißt nun aber auch, woher Dir Hilfe kam, so dass Du es mutig wagen konntest, die „breiten Straßen“ mit all ihren vermeintlichen Wichtigkeiten zu verlassen und stattdessen in stillem Vertrauen den Anstieg zu beginnen, mit Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit, täglich neu des Einen innezuwerden, Begehren und Ängste zurückzulassen, um letztendlich dem Geheimnis näherzukommen, das mit Dir selbst gegeben ist.
Selbstverständlich war es dazu für Dich notwendig, manche Neigungen zu überwinden, Verstrickungen aufzulösen, Dein Maß zu finden, alles möglichst zu vereinfachen und Dich nicht zu verzetteln. Wie solltest Du anders auf dem Weg bleiben und den täglichen Erfordernisses des Tages gerecht werden, so wie es Notwendigkeit von Dir verlangt? Denn wie könntest Du anders über alles hinaus zu Dir selbst finden, zu Deinem ICH, Deiner Bestimmung, dem Einzigen, worauf Du Dich berufen kannst, wenn alles andere nicht mehr zählt?: Was Du vor anderen giltst, Positionen, Besitzungen ebenso wie alte Manuskripte, an denen Du vielleicht noch hängst und die doch schon wieder wie ein Provisorium überholt sind… Was bleibt nach alledem? Überlege, denke bis zum letzten Grund und fühle:
Und hast Du einer Welt Besitz gewonnen,
geh, an der Welt vorüber, es ist nichts.
Und hast Du einer Welt Besitz verloren,
geh an der Welt vorüber,
es ist nichts.
Vorübergehen Leid und Wonnen,
geh an der Welt vorüber,
es ist nichts.
Finde hier letztmögliche Weisheit, Weisheit des Überlegenen, der alles lassen und daher gelassen sein, sich so klein machen kann, um nur mehr im Augenblick zu leben. Weisheit dessen, der immer im Jetzt und Hier zielklar im Nadelöhr das Tor zur wahren Freiheit findet, der nichts mehr will als in der Wirklichkeit des Seins zu leben, die den Tod nicht kennt.
Herzlichen Gruß
Albert
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