#Gedanke: Tränengrenze

„Wir werden eingetaucht
und mit den Wassern der Sintflut gewaschen.
Wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut.

Der Wunsch
nach der Landschaft diesseits der Tränengrenze
taugt nicht.
Der Wunsch,
den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch verschont zu bleiben,
taugt nicht.

Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang
die Taube den Zweig vom Ölbaum bringe,
dass die Frucht
so bunt wie die Blume sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.

Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube
und dem feurigen Ofen
immer versehrter
und immer heiler
stets von Neuem
zu uns selbst
entlassen werden.“

(Hilde Domin,
aus: Bitte)

2 Gedanken zu “#Gedanke: Tränengrenze

    • Lieber Carsten,

      ich bin erst vor kurzem über Hilde Domin gestolpert.

      Ein Bruder meiner Männergruppe, in der sich eine Handvoll nach Richard Rohr initiierte Männer treffen und begegnen, brachte dieses Gedicht mit und las es vor.

      Gerade im Angesicht von Corona hat mich dieses Gedicht förmlich aus d Latschen gehauen!

      Bin gespannt, mehr von Hilde Domin zu lesen.

      LbG!

      Hagen

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