Der junge Parzival

Ich konnte mich nicht mehr erinnern. Daran, wie lange ich im freien Fall nach unten gestürzt sein mochte. Daran, wie hart mein Aufprall auf den Boden gewesen sein mochte.

Als ich zu mir kam, war ich allein. Unter mir feuchter, modriger Waldboden. Langsam erhob ich mich und ließ den Blick schweifen. Um mich herum reihten sich Kiefern, Fichten und anderes Gehölz aneinander. Und verloren sich irgendwo im Dunkel, das diesen Ort vollständig unter sich begrub. Noch etwas anderes waberte hier: Traurigkeit, Einsamkeit. Es ging eine deprimierende Symbiose mit dem omnipräsenten Dunkel ein. Langsam kroch es mir unter meine Haut. Irgendwie aber strahlte dieser Ort auch etwas mir seltsam Vertrautes aus. Mit einem Mal war mir, als erkannte ich diesen Ort wieder. Oder als erkannte dieser Ort mich wieder.

Neben mir rottete eine kleine, hastig zusammengezimmerte Baracke vor sich hin. Die Tür stand einen Spalt weit offen, das Schloss hielt sie nicht mehr. An mehreren Stellen tropfte es durch das Dach ins Innere der Baracke. Die Scheibe des viel zu kleinen Fensters hinter den zerrissenen und angeschimmelten Vorhängen war gebrochen. Die Innenverkleidung aus Holz an mehreren Stellen aufgeqollen. Fauliger Geruch. Rechts, über die ganze Länge der Wand, lag eine notdürftige Matratze mit Decke und Kissen auf dem Boden. Daneben eine kleine Kiste, darauf ein Bilderrahmen ohne Bild. Irgendjemand schien hier zu hausen. Doch hatte er in diesem Raum keinerlei persönliche Note hinterlassen.

Ein paar Meter von der Baracke entfernt stand ein rundliches Häuschen aus Lehm, dessen Dach mit Stroh eingedeckt war. Kleine eckige Fenster ließen lediglich die Ahnung von Helligkeit ins Innere. So wie dieses Häuschen hatte ich mir immer die Hexenhäuschen in den alten Märchen vorgestellt. Von der Eingangstür aus erschloss sich sogleich eine kleine Küchenzeile mit Lehmofen und mehreren hölzernen Vitrinenschränkchen und Regalbrettern. Diese quollen förmlich über von Gefäßen mit allerlei Kräutern und Pulvern gefüllt und Fläschchen in allen Formen und Größen. In der Mitte des Häuschens befand sich eine offene Feuerstelle. Der Geruch erkalteten Rauchs lag in der Luft. An der einen Stelle an der Wand stand ein alter massiver Holztisch mit ebenso massiven Holzbänken drumherum. An einer anderen Stelle an der Wand ein kunstvoll verziertes hölzernes Bett mit verblasstem und verwaschenem Bettzeug darauf.

Neben dem Bett befand sich ein Nachttischchen und auf diesem ein stark verstaubter Bilderrahmen. Ich nahm das Bild in die Hand. Es zeigte eine alte Patriarchin. Mit jeder Pore strahlte sie Anmut und Dominanz aus. Sie war es, die über diesem Ort das Zepter schwang. Niemand und nichts konnte neben ihr erblühen. Ihre Präsenz erstickte alles Männliche. Vor der Patriarchin saß ein kleiner Junge: Kraftlos. Schwächlich. Einsam. Ödipal. Plötzlich wusste ich: Dies war der Junge, der die Baracke bewohnte. Die Patriarchin hatte ihm ihre Hand auf die Schulter gelegt. Der Junge war unter der Hand zusammengesackt. Ich wischte den Staub vom Bild, um das Gesicht des Jungen erkennen zu können. Als ich das getan hatte, erkannte ich, dass das Gesicht des Jungens mein eigenes Gesicht war.

Falsche Grundannahmen

16. Prolog:

Wer meine beiden letzten beiden Blogartikel gelesen hat, weiß, dass ich die Frage bewege, ob und wenn ja, in welcher Weise, ich Freimaurer bleiben möchte oder nicht. Im ersten Blogartikel aus Juni 2023 berichtete ich davon, dass es zwischenmenschliche Erlebnisse waren, die bei mir zu einer Entfremdung mit dem Freimaurertum geführt hatten. Im zweiten Blogartikel aus Oktober 2023 veränderte ich den Fokus hin zu mir und ging unter anderem der Frage nach, was meine eigenen Anteile an der beschriebenen Entfremdung vom Freimaurertum sind.

Tatsächlich bin ich mittlerweile in einen machtvollen und nahezu alle Bereiche meines Lebens umfassenden, schmerzhaften Prozess der Dekonstruktion geworfen worden. Ich musste mich mir stellen, dem ungeschminkten Teil von mir gegenübertreten. Den vielen unbequemen Wahrheiten über mich selbst, über meine Beziehungen zu meinen Mitmenschen, über die Dinge, die mir Angst machen, die in mir Schmerz und Trauer verursachen, die mich lähmen und bei denen ich über viele Jahre hinweg sehr viel Kraft aufgewendet habe, sie tief in mir wegzuschließen und ganz weit unten zu halten.

Hierbei musste ich feststellen, dass meine Beziehung zum Freimaurertum nur eine Baustelle von mehreren ist. Und es ist bei weitem nicht mal die größte Baustelle. Vielleicht ist sie auch nur ein Symptom. Je länger dieser Dekonstruktionsprozess andauert und je mehr er ans Eingemachte geht, desto mehr realisiere ich, dass der Teil dieses Prozesses, der das Freimaurertum betrifft, gänzlich anders und vor allem auch langwieriger verläuft, als ich dies zu Beginn hätte absehen können.

Und dadurch ist mir klargeworden, dass ich in meinen ersten beiden Blogartikeln zum Thema von zwei falschen – weil realitäts- und lebensfernen – Grundannahmen ausgegangen bin. Ich will diesen Artikel hier nutzen, um diese Grundannahmen ein für alle Mal abzuräumen.

17. WAS HAT DAS FREIMAURERTUM MIR GEBRACHT?

Die beiden falschen Grundannahmen, die ich in den ersten beiden Teilen dieser Blogserie voraussetze, verbergen sich in folgender Aussage von mir, die ich im ersten Teil dieser Blogserie gebracht habe: „Welche positiven „Früchte“ sehe ich in meinem Leben, die ich unmittelbar und ausschließlich auf das Freimaurertum zurückführen kann? Also kann ich positive Veränderungen und Entwicklungen benennen, die ich ohne das Freimaurertum nicht erlebt hätte?“

Zunächst einmal erntete ich für das Wording dieser Fragestellung einiges an Gegenwind und Widerspruch aus den Reihen der Freimaurer. Denn für einige (Brüder) schwang hier die Fragestellung „Was hat das Freimaurertum mir gebracht“ mit. Eine Herangehensweise an das Freimaurertum aus dieser Haltung und Motivation heraus sei mit dem freimaurerischen Weg unvereinbar, so der Vorwurf. Es gehe nicht um die Frage, was ich zu erhalten habe, sondern darum, was ich bereit sei zu geben. Die von mir gestellte Frage presse das Freimaurertum zu sehr in eine Kosten-Nutzen-Rechnung und folge zu sehr Prinzipien des Konsums. Nicht mehr die freimaurerische Idee stehe hierbei im Mittelpunkt, sondern meine Ego-Bedürfnisse. Ich verstehe diese Kritik und kann und will sie auch nicht entkräften.

Dennoch unterstelle ich, dass jede/r Freimaurer*in vor der Aufnahme ins Freimaurertum vorher überschlagen haben dürfte, was er/sie an Ressourcen (z.B. Zeit, Geld usw.) investiert und was ihm/ihr das bringt. Niemand wagt den Schritt ins Freimaurertum hinein, wenn er/sie sich davon nicht irgendetwas verspräche. Ich glaube, dass die Gretchenfrage eher ist: „Mit welcher Motivation schließe ich mich dem Freimaurertum an? Ist diese lauter oder unlauter?“

Und folglich schwingt diese Fragestellung auch in meiner Auseinandersetzung mit. Wenn das Freimaurertum keinen Mehrwert für mich (mehr) hat – oder wenn es mir sogar schadet – warum sollte ich dann noch Freimaurer bleiben?

18. FALSCHE GRUNDANNAHMEN

Doch was an der oben zitierten Aussage ist nun so falsch, dass ich sie mit diesem Blogartikel ein für alle Mal abräumen will?

Wenn ich frage, welche „positiven Früchte“ ich „ausschließlich auf das Freimaurertum zurückführen“ kann und welche „positive Veränderungen und Entwicklungen“ ich „ohne das Freimaurertum nicht erlebt“ hätte, impliziert das, dass ich in der Lage wäre, dies unzweifelhaft herauszuschälen. Allerdings musste ich feststellen, dass mir dies gar nicht so recht möglich ist. Denn im meinem Leben gibt es schließlich nicht nur das Freimaurertum: Ich übe einen Beruf aus, der mich fordert, bin Ehemann und Vater, stehe in vielerlei familiären, freundschaftlichen und anderweitigen sozialen Beziehungen und Verpflichtungen. Darüber hinaus reflektiere ich mein Leben und arbeite an mir selbst, indem ich neben dem Freimaurertum noch Teil einer spirituellen Männergruppe bin, die Natur und die Stille suche, Joggen gehe, schreibe und einige, teilweise auch qualifizierte, Menschen um mich herum habe, die mir unverblümt ins Leben reden dürfen. Dieses Geflecht ist so mannigfach, vielschichtig und wechselseitig von einander abhängend, dass es mir gar nicht möglich ist, einen einzelnen Teil dieses Geflechts als alleinig verantwortlich dafür zu benennen, wenn ich positive oder negative Entwicklungen in meinem Leben registriere.

Und meine zweite falsche Grundannahme ergibt sich aus der ersten: Es ist mir auch nicht möglich, ein Thema wie das Freimaurertum isoliert von den anderen Themen meines Lebens zu betrachten und zu bearbeiten. Und das ist vielleicht auch die größte Erkenntnis meines bisherigen Prozesses. Meinem vordergründigem Thema mit dem Freimaurertum liegen weitaus größere und umfassendere Lebensthemen im Hintergrund zu Grunde. Und nur in dem Grad, in dem ich beginne, diese aufzulösen, werde ich bemächtigt sein, auch mein Thema mit dem Freimaurertum auflösen.

19. NOCH SO’N AUSBLICK

Doch wie geht es nun weiter? Zunächst einmal ging es mir darum, durch das Abräumen meiner falschen Grundannahmen meinen gesamten Prozess bezüglich des Freimaurertums in eine realistischere und gesündere Bahn zu lenken.

Nun ist es so, dass dieser schmerzende und tiefgreifende Prozess der Dekonstruktion, in dem ich mich seit einigen Monaten befinde, in zutiefst persönliche und intime Bereiche meiner Selbst geht. Daher kann und will ich diesen Prozess nicht ohne Weiteres eins zu eins auf meinem Blog begleiten und offenlegen. Zumal ich bei vielem noch nicht einmal sicher absehen kann, wo ich mal rauskommen werde.

Ganz sicher werde ich vieles von dem, was ich gerade durchmache, auch irgendwann auf meinem Blog reflektieren. Doch das wird aus der Retrospektive geschehen. Denn zunächst benötigt dieser Prozess vor allem eins: Nämlich Zeit. Und die nehme ich mir…

#Gedanke: Die nächsten vierzig Tage

„Ab an das Meer,
in den Wald,
in die Wüste,
ganz egal,
für die nächsten vierzig Tage
brauchst Du Nerven wie Stahl.

Der ganze Dreck,
all die Lügen,
müssen raus,
müssen weg,
denn nur unter dem Kern
liegt die Wahrheit versteckt.

Wir sind eine Welle,
die Eure Dämme bricht!
Es ist wieder an der Zeit
neue Fragen zu stellen,
und so mehr die Fragen stellen,
desto höher die Wellen.

Der Tag wird kommen,
an dem Du Dich erkennst,
und Du nur noch Deine Seele
mein Ein und Alles nennst.“

(Tausend Löwen unter Feinden,
aus: „Welle“)

#Gedanke: Allein die Reise

„Wir saßen lang am Ufer
und schifften in den Wind.
Wir wurden fett und träge.
Wir wurden taub und blind.
Vergaßen die Versprechen,
verloren Lust und Mut.
Erloschen war die Flamme,
kalt die Glut.

Wir setzen die Segel,
wir lichten die Anker,
fahren hinaus.
Wir gehen neue Wege,
niemals zurück,
immer voraus.
Die Leinen los!

Um uns Naturgewalten.
Das Herz wird wieder leicht.
Es zählt allein die Reise,
nicht das, was man erreicht.“

(Subway to Sally,
aus: „Leinen los“)

Das Ende meines freimaurerischen Weges? (Teil 2)

5. PROLOG 2.0

Am 21. Juni dieses Jahres hatte ich den ersten Teil meiner Reihe „Das Ende meines freimaurerischen Weges“ veröffentlicht. Hierin schrieb ich von „Ent-Täuschungen“ und Irritationen mit Freimaurer-Brüdern sowie von meiner Entfremdung von meiner Johannisloge. Bis zum Herbst dieses Jahres wollte ich entscheiden, ob ich dem Freimaurertum den Rücken kehre, mich innerhalb des Freimaurertums umorientiere oder ob ich meinen freimaurerischen Weg in der eingeschlagenen Weise fortsetze. Diesen Prozess der Reflexion und Auseinandersetzung wollte ich hier auf meinem Blog begleiten.

Doch manchmal spielt das Leben Wildcards, die alle Prioritäten durcheinanderwirbeln. So auch bei mir. Zwar lief besagter Prozess im Hintergrund weiter, jedoch hatte ich zunächst auf andere Entwicklungen in meinem Leben zu reagieren. Daher kann ich zum jetzigen Zeitpunkt zweierlei sagen: Das Zeitfenster bis Herbst ist für mich nicht mehr zu halten. Und in die Frage, was mein Verhältnis zum Freimaurertum angeht, ist in Bewegung gekommen.

6. NOCHMAL EINEN SCHRITT ZURÜCK

Ich empfand meinen ersten Artikel dieser Blogserie vergleichsweise ausgewogen. Zwar schrieb ich von Irritationen und „Ent-Täuschungen“, die ich mit Brüdern meiner Johannisloge erlebt hatte, allerdings räumte ich auch ein, dass es Brüdern meiner Loge mit mir wohl ganz ähnlich ergangen sein dürfte. Doch der Erste, der mich daran zweifeln ließ, ob mein Artikel tatsächlich so ausgewogen war, war ein sehr enger und langjähriger Freund, der mich fragte, ob sich die betroffenen Freimaurer durch diesen Artikel nicht angegriffen fühlen könnten. Auch aus meiner Johannisloge wurde mir gesteckt, dass dieser Artikel bei einzelnen nicht gut angekommen sein könnte. Was also sollte ich tun? Ich bat meine Frau, die die betreffenden Brüder meiner Johannisloge oberflächlich auch kennt, sich diesen Artikel durchzulesen und mir ihren Eindruck zurückzumelden. Und was soll ich sagen? Sie fand es daneben, dass ich mit solch einem Thema in solch einer Weise an die Öffentlichkeit gehe. Wäre sie von diesem Artikel betroffen gewesen, sie hätte sich auf den Schlips getreten gefühlt.

Diese Reaktionen verunsicherten mich. Sie ließen mich innehalten und darüber nachdenklich werden, ob beziehungsweise in welcher Form ich diese Blogserie fortsetze. Dies half mir, mir noch einmal klarer über meine Motivation zu werden.

Zu der Frage, was meine Motivation zu dieser Blogserie ist, hatte ich ja bereits im ersten Teil einiges geschrieben. Das vorausgesetzt, ist es mir wichtig, noch einmal klarzustellen, dass diese Blogserie keine Abrechnung wird. Weder mit einzelnen Freimaurer-Brüdern, noch mit meiner Johannisloge. Daher werde ich hier keine Namen nennen und Begebenheiten so abstrakt wie möglich umschreiben. Ich stehe für mich vor einer weitreichenden und einschneidenden Entscheidung. Und diese will ich hier auf meinem Blog herleiten und reflektieren. Das wird miteinschließen, dass ich auch davon schreiben werde, wo ich selber Brüder meiner Johannisloge „ent-täusch“ oder irritiert habe (soweit meine blinden Flecken es zulassen). Es wird hier jedoch keine Schlammschlacht und kein Nachtreten geben. Daher können die Leser meines Blogs, die es sich in Erwartung einer Seifenoper schon mit Popcorn und Cola auf dem Sofa bequem gemacht haben, Popcorn und Cola schön wieder in den Supermarkt zurückbringen. Auf meinem Blog wird es keine Seifenoper geben.

Und zu der Frage, warum ich diese Reflektion nach außen trage (eine Frage die mich mehrfach erreichte), möchte ich folgendes antworten: Warum nicht? Seit ich angefangen hatte zu bloggen, ist ein konstantes Charakteristikum meiner Artikel, dass ich meinen Lesern auch einen Blick in mein Inneres gewähre. Es geht mir nicht (nur) darum, über abstrakte Ideen, hehre Ideale oder freimaurerische Persönlichkeiten, die irgendwann in der Vergangenheit mal gelebt und Großes vollbracht haben mögen, zu schreiben. Nein, meine Leser sollten von Anfang an erfahren, was dem Menschen „Hagen Unterwegs“ auf seinem freimaurerischen Weg begegnet und was das mit ihm macht. Meine Leser sollten erfahren, was am Freimaurertum mich berührt und bewegt, womit ich ringe und woran ich verzweifle. Und wenn ich mir die Rückmeldungen anschaue, die ich auf meine Blogartikel erhalte, dann ist es genau das, was meine Leser an meinem Blog schätzen. Mit vielen Themen scheine ich mich auf meinem Blog stellvertretend für viele andere Freimaurer zu befassen. Und für Außenstehende wird durch meine Art des schreibenden Reflektierens dieses oft etwas Nebulöse und schwer zu greifende Freimaurertum mit einem Mal einmal greifbarer. Und darüber hinaus wissen meine Leser: Wenn ich etwas Positives über das Freimaurertum schreibe, dann ist es auf Herz und Nieren geprüft. Und das wissen sie, weil ich auch die Negativseiten des Freimaurertums nicht verschweige. Das zusammengenommen macht die Authentizität und Glaubwürdigkeit meines Blogs aus. Und aus diesem Blickwinkel heraus stellt sich die Frage, weshalb ich diese Serie bezüglich meiner freimaurerischen Zukunft veröffentliche, gar nicht mehr.

7. REACTION-BLOGARTIKEL

Ergo: Ich werde diese Serie fortsetzen. Und nach so viel durchaus notwendiger Vorrede, komme ich nun zum eigentlichen Artikel: Und dieser Artikel wird ganz anders sein, als ich das ursprünglich mal geplant hatte. Denn: Auf keinen anderen Blogartikel habe ich jemals so viel Rückmeldung erhalten, wie auf den ersten Teil dieser Serie. Auf ganz unterschiedliche Weisen erreichten mich ganz unterschiedliche Reaktionen. Ich kam anfangs gar nicht hinterher, auf diese alle möglichst umgehend zu reagieren. Und es waren ganz viele inhaltliche Edelsteine dabei!

Je mehr ich mich mit den verschiedenen Reaktionen auf meinen Blogartikel auseinandersetzte, desto mehr merkte ich, wie diese Auseinandersetzung Teil der Reflexion meiner Fragestellung, ob mein freimaurerischer Weg zu Ende geht und wenn nein, in welcher Form er weitergehen kann, wurde.

Daher habe ich die ursprüngliche Idee, wie ich diese Serie aufbauen will, etwas über den Haufen geworfen und widme den zweiten Teil dieser Serie ausschließlich den Reaktionen auf den ersten Teil. Bei YouTube gibt es das Format der „Reaction-Videos“. Hierbei filmt sich der YouTuber dabei, wie er ein Video eines anderen YouTubers anschaut und auf dieses reagiert und dieses kommentiert. So in etwa wird auch dieser Blogartikel hier werden, halt nur in geschriebener Form. Er wird eine Art Reaction-Blogartikel werden.

8. EIN MASSENPHÄNOMEN?

Die überragende Mehrheit der Rückmeldungen von Freimaurern und Ex-Freimaurern auf meinen Blogartikel war, dass sie den Punkt, an dem ich bezüglich des Freimaurertums stehe, aus ihrer eigenen Vita kannten. Ein freimaurerischer Blogger, mit dem ich via Sprachnachrichten dazu ins Gespräch kam, teilte den Eindruck, dass es sich hierbei um ein „freimaurerisches Massenphänomen“ handele.

Einen Freund von mir, der selber kein Freimaurer ist, erinnerte die Dynamik, die mein Blogartikel innerhalb des Freimaurertums auslöste, sehr an #Aufschrei oder #MeToo: Eine Person berichtet von etwas, was sie erlebt hat beziehungsweise was ihr wiederfahren ist, und mit einem Mal tritt einer nach dem anderen hervor, hebt den Finger und sagt: „Ich kenne exakt dasselbe aus eigenem Erleben.“

Eine große Zahl an Freimaurern – wenn nicht sogar jeder Freimaurer – hatte in Bezug auf das Freimaurertum ganz ähnliche „Ent-Täuschungen“ erlebt wie ich. Doch wie die einzelnen Freimaurer damit umgegangen waren, unterscheidet sich sehr voneinander.

Ein nicht unwesentlicher Teil hat dem Freimaurertum ein für alle Mal den Rücken gekehrt. Und um es klar zu sagen: Alle diese Austritte erfolgten ausschließlich aufgrund zwischenmenschlicher Enttäuschungen mit anderen Freimaurern. Keine anderen Gründe wurden genannt. Ein Phänomen, das ich zu bestätigen weiß: In meinem direkten Logenumfeld sind von den Brüdern, die in dem Zeitraum von etwa fünf Jahren vor meiner Aufnahme bis fünf Jahre nach meiner Aufnahme dem Bund beigetreten sind, schätzungsweise Dreiviertel wieder ausgetreten beziehungsweise haben sich aus dem Logenalltag zurückgezogen. Dies scheint logenübergreifend ein derart gravierendes Problem zu sein, dass es schon arg verwundert, dass dieses Phänomen innerhalb des Freimaurertums nicht viel präsenter und offensiver diskutiert wird. Mir scheint, als hätte das Freimaurertum hier einen blinden Fleck.

Ein weiterer, großer Teil hat nach einem Vorgang des inneren Ringens die eigenen Erwartungshaltungen an das Freimaurertum revidiert und dadurch eine neue Zufriedenheit auf dem eigenen freimaurerischen Weg finden können. Zwei Rückmeldungen fand hierbei besonders erwähnenswert. So schrieb mir ein Freimaurer-Bruder, dass er mehrfach an diesem Punkt gestanden habe und sich mehrfach neu habe entscheiden müssen, ob er Freimaurer bleiben wolle, weil ihm richtiggehend Widerliches durch Brüder wiederfahren war. Dieser Bruder jedoch blieb dabei und ist heute in der freimaurerischen Außenwahrnehmung ein hell strahlender Leuchtturm der Humanität. Ein anderer Freimaurer-Bruder trat aus dem Freimaurertum aus und erst nach einigen Jahren, nachdem sich seine Erwartungshaltungen gewissermaßen geläutert hatten, wieder ein. Die beiden Brüder sind heute langjährige und zufriedene Freimaurer.

Zu diesem ganzen Komplex rund um die Frage des Austritts aus dem Freimaurertum erreichte mich noch ein weiterer nachdenkenswerter Gedanke: Trete ein Freimaurer aus, erschaffe dies nur Verlierer: Zum einen den Ausgetretenen, dem in den allermeisten Fällen etwas fehlen werde, was ihn zuvor in irgendeiner Weise innerlich berührt habe. Daher bliebe in den allerseltensten Fällen ein Ex-Freimaurer zurück, der seine Entscheidung nicht auch bereue. Und zum anderen sei da seine ehemalige Loge, die einen Bruder mit einzigartigen Eigenschaften, Charakterzügen und Fertigkeiten verloren habe. So platt es auch klingt: Jeder Freimaurer, der deckt, hinterlässt eine Lücke in seiner Loge, die durch niemanden anders wieder geschlossen werden kann.

9. DAS PROBLEM DER ERWARTENSHALTUNG

Damit sind wir mittendrin in der Fragestellung: Welche Erwartungshaltung habe ich an das Freimaurertum und ist diese Erwartungshaltung überhaupt berechtigt? Viele Rückmeldungen auf den ersten Teil dieser Blogserie drehten sich direkt oder indirekt um ebendiese die Fragestellung.

In der Auseinandersetzung mit dieser Frage wurde mir klar: Dass ich mich von Brüdern „ent-täuscht“ und verletzt fühle und mich von meiner Johannisloge entfremdet habe, hängt zu einem großen Teil damit zusammen, dass ich mit falschen Erwartungshaltungen an die ganze Sache herangegangen bin. Das, was hier „ent-täuscht“ wurde, waren meine Erwartungshaltungen. Es war eine „Ent-Täuschung“, ein „Ende der Täuschung“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich unterstelle nicht, dass die Freimaurer-Brüder, mit denen ich mich im Vorfeld meiner Aufnahme getroffen hatte, um abzuklopfen, ob das Freimaurertum zu meinem Weg passt oder nicht, mich vorsätzlich hinters Licht geführt hätten, um in mir falsche Erwartungen und Hoffnungen zu schüren. Vielmehr bin ich mit einer deutlichen Vorprägung und viel Hintergrundwissen an das Freimaurertum herangetreten. Schon bevor ich Freimaurer wurde, hatte ich in der Männerarbeit nach Richard Rohr einen Initiationsritus durchlaufen, Bruderschaft erfahren und an mir selbst gearbeitet. Dies alles hatte ich genommen und einfach mit dem Freimaurertum addiert. Heraus kamen eine Bruderschaft und ein Initiationsritus der Superlative. Dass das Freimaurertum an einigen Stellen jedoch etwas von der persönlichen und zwischenmenschlichen Tiefe vermissen lässt, die ich in der Männerarbeit erlebt hatte, wollte ich zunächst nicht wahrhaben. Nichtsdestotrotz weist das Freimaurertum gerade in Punkto Symbolik und historischer Verwurzelung Qualitäten auf, die ich in der Männerarbeit nach Richard Rohr nicht vorfinde.

10. EIGENE THEMEN PROJIZIEREN

Aus dem ersten Teil dieser Blogserie ergab sich unter anderem ein Telefonat, das eine ganz essentielle Fragestellung nach oben spülte. Ich führte es mit einem Freimaurer-Bruder, mit dem sich meine Wege online immer mal wieder gekreuzt hatten. Ein Bruder, der Coaching-Hintergrund hat und ebenfalls spirituell unterwegs ist. Dieses Telefonat dauerte recht lang und war von einer großen Verbundenheit und einem tiefen Verstehen geprägt. Eine ganze Weile stellte mir dieser Bruder einfach nur Fragen, um mich und meinen Hintergrund sowie meine Beweggründe zu verstehen.

Aus diesem Gespräch nahm ich vor allem einen Impuls, eine Fragestellung für mich mit, nämlich: Das, was mich an anderen Freimaurer-Brüdern irritiert, verletzt oder triggert, könnten in erster Linie meine eigenen Themen sein. Eventuell habe ich sie für mich noch nicht gelöst oder habe einfach keinen Blick für sie, weshalb ich entweder diese Themen auf mein Gegenüber projiziere und mich dann an meinem Gegenüber abarbeite. Oder aber mich an meinem Gegenüber abarbeite, wenn ich meine verdrängten Themen unterbewusst tatsächlich bei ihm wahrnehme. In beiden Fällen ist das Problem also nicht der andere Freimaurer-Bruder, sondern das Problem bin ich selbst beziehungsweise Anteile von mir, die ich nicht sehen kann oder will und/oder noch nicht aufgearbeitet habe.

Dieser Ansatz ist jetzt weder groß originell noch irgendwie neu für mich. Gewissermaßen gehört er zu meinem spirituellen Standard-Handwerkzeug. Trotzdem war es in meiner aktuellen Situation sehr wertvoll, diesen Ansatz noch einmal hervorzukramen und den Spot drauf zu setzen. Denn seither dämmert es mir, dass hier ein weiterer Schlüssel liegen könnte, meine aktuelle Situation und Fragestellung zu klären.

11. DEN EIGENEN RAUEN STEIN BEARBEITEN

Wenn ich mir die letzten beiden Unterpunkte mit ihren Fragestellungen nach meiner Erwartungshaltung und meinen eigenen Themen, die ich auf andere Brüder projiziere, anschaue, merke ich, dass der Fokus von den Anderen weg und hin zu mir selbst schwenkt. Weg von den Rauen Steinen anderer Freimauer hin zu meinem eigenen Rauen Stein. Viele weitere Rückmeldungen zielten auch genau in diese Richtung.

Projiziere ich Ecken und Kanten meines eigenen Rauen Steins auf die Rauen Steine der anderen, so muss ich mir die Frage gefallen lassen, wieso ich nicht zunächst die Ecken und Kanten an meinem eigenen Rauen Stein wahrnehme und zulasse. Dann bin ich doch überhaupt erst in der Lage, sie auch bearbeiten zu können.

Und wenn ich zudem mit Erwartungshaltungen, die dem Realitätscheck nicht standhalten, an das Freimaurertum herantrete, muss ich mir die Frage gefallen lassen, ob ich nicht zunächst diese Form der überschüssigen Ecken und Kanten meines eigenen Rauen Steins abzuschlagen habe.

Das, was danach übrigbleibt, gilt es, mir anzuschauen und für mich zu klären, ob dies für meinen persönlichen Weg einen Mehrwert hat.

Hier schwingt noch eine weitere Fragestellung mit, die mir ebenfalls ein Freimaurer als Reaktion auf den ersten Teil dieser Blogserie stellte: Wieviel Macht räume ich anderen (Freimaurern) über meine eigenen Emotionen ein? Ich lasse diese interessante Fragestellung mal unkommentiert nachhallen…

Bleibe ich im Bild des Rauen Steins, dann ist ein regelmäßiges Infragestellen meines freimaurerischen Weges notwendiger Bestandteil ebendieser Arbeit am Rauen Stein. Und gerade die Negativerlebnisse mit dem Freimaurertum helfen, den eigenen Blick zu klären. Denn nur so kann ich aufmerksam werden für die Ecken und Kanten meines eigenen Rauen Steins. Diese Art der Reflexion sollte einen jeden Freimaurer ausmachen.

12. EINMAL FREIMAURER – IMMER FREIMAURER?

Weiter gab es einige Rückmeldungen, die mir sagten, dass mein freimaurerischer Weg nicht ende, nur, weil ich dem Freimaurertum den Rücken kehre. Denn Freimaurer-Sein drücke sich in einer Lebenshaltung, einem Lebensweg sowie einer Art sich zu hinterfragen und an sich zu arbeiten aus; nicht an einer Mitgliedschaft in einer Organisation. Zweifellos sei es für den Weg als Freimaurer förderlich, das in Anspruch zu nehmen, was das institutionalisierte Freimaurertum zu bieten hat: Ritual, Symbolik, brüderliche Gemeinschaft. Dies sei aber nicht grundsätzliche Voraussetzung, um ein Freimaurer sein zu können. Außerdem zeige nach Ansicht dieser Freimaurer die Art und Weise, wie ich an mir arbeite und diesen Prozess reflektiere, dass ich nach wie vor Freimaurer sei beziehungsweise in der freimaurerischen Idee verhaftet sei. Daher: Sollte ich mich am Ende dieses Prozesses dazu entscheiden, mich vom institutionalisierten Freimaurertum abzuwenden, sage dies noch nichts darüber aus, ob ich auch danach noch Freimaurer sei oder nicht. Und folglich sei mein Weg nach dieser Entscheidung auch nicht am Ende angelangt. Denn schließlich habe ich dadurch Erfahrungen gemacht und mich weiterentwickelt

13. SPIRITUELLE BRÜDER AM RAND

Eine kleine Randnotiz: Auf meinem Blog vertrete ich ja eine sehr spirituelle Herangehensweise an das Freimaurertum. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die einzig mögliche Spielart des Freimaurertums. Vielmehr sind die Brüder, die mit solch einer spirituellen Schlagseite ihren freimaurerischen Weg gehen, eine Minderheit. Dies führt dazu, dass es im Logenumfeld dieser Brüder wenige Gleichgesinnte gibt, mit denen sie in fundierten Austausch über ihre Sicht- und Herangehensweisen bezüglich des Freimaurertums treten können.

Und dies war ein Umstand, den mir einige dieser spirituellen Brüder zurückgemeldet haben. Ein Umstand, der spirituelle Brüder oft daran zweifeln lässt, ob sie im Freimaurertum richtig aufgehoben sind. Dies bedeutet nicht, dass diese Brüder in ihren Logen nicht auf gebildete und inspirierende Menschen getroffen wären, mit denen sie nicht bereichernden Austausch gehabt und Brüderlichkeit erlebt hätten. Es ist nur so, dass diese spirituellen Brüder für ihre sie in der Hauptsache treibenden Themen und inneren Entwicklungen in der Loge oftmals kaum Abnehmer finden und sich daher fragen, ob das Freimaurertum für sie nach wie vor die richtige Heimat ist.

Dieses Spannungsfeld kenne ich aus eigenem Erleben ebenfalls. Und dies bringt zwangsläufig die Frage mit sich, ob das Freimaurertum tatsächlich der richtige Ort für mich ist, um innerlich zu wachsen und mich zu entwickeln. Oder ob es richtig wäre, mir einen anderen Ort dafür zu suchen. Einen Ort, wo der spirituelle Aspekt im Mittelpunkt steht und kein Randdasein fristet.

14. GANZ GANZ GROSS

Insgesamt bleibt hervorzuheben, dass ich auf den ersten Teil dieser Blogserie aus ganz unterschiedlichen Ecken Deutschlands und aus ganz unterschiedlichen freimaurerischen Richtungen diverse Gesprächsangebote bekommen habe. So viele, dass ich gar nicht alle annehmen konnte. Es kam zu Telefonaten, zu Schriftverkehr oder zu Sprachnachrichten mit Brüdern, die ich teilweise vorher noch gar nicht gekannt hatte. Dieser Austausch war jedes Mal von großer Empathie und Herzlichkeit geprägt. Einzelne dieser Gespräche gingen sehr in die Tiefe. Das Freimaurertum hat sich hier von einer ganz, ganz großen Seite gezeigt! Eine Seite, die ich zugegebenermaßen etwas aus den Augen verloren hatte.

Aus einem Teil dieser Konversationen ergaben sich Einladungen zu Besuchen von Tempelarbeiten der Logen der entsprechenden Brüder. Dies hat den Entschluss in mir reifen lassen, noch einmal auf Johannisgesellenreise zu gehen, bevor ich eine Entscheidung bezüglich meiner freimaurerischen Zukunft treffe. Ich werde den Zirkel weit fassen und neben meiner eigenen Loge Tempelarbeiten unterschiedlichster Lehrarten besuchen. Ich will mich ganz neu einlassen auf Symbolik und Ritual des Freimaurertums. Und in mir nachhallen lassen. Was die freimaurerische Vielfalt angeht, sitze ich hier in Hamburg an der Quelle. Und dies gilt es auch zu nutzen.

Einige Freimaurer sagten mir sinngemäß, dass es nicht nur darum ginge, zu schauen, was mich alles vom Freimaurertum trenne; so wie ich es in dem ersten Teil dieser Blogserie ja überwiegend getan hatte. Vielmehr ginge es auch darum, nicht aus den Augen zu verlieren, was mich mit dem Freimaurertum verbinde. Der hier beschriebene freimaurerische Austausch half mir, auch diesen Fokus wieder zuzulassen.

Dies alles zusammengenommen bedeutet natürlich, dass sich ein zeitliches Ultimatum, wie es mir vor mittlerweile einigen Monaten gestellt worden ist und das jetzt bereits geschliffen worden ist, komplett erledigt hat. Ich bin inmitten eines Prozesses. Dieser Prozess geht voran und arbeitet in mir, er ist jedoch nicht in zeitliche Vorgaben zu pressen.

15. ZWISCHENFAZIT

Das wären so die groben Linien an Rückmeldung, die ich auf den ersten Teil dieser Blogserie bezüglich meines weiteren freimaurerischen Weges erhalten habe. Wahrgenommen durch meine Brille. Ausgedrückt mit meinen Worten. Ganz sicher ist das, was ich hier wiedergegeben habe, nicht abschließend. Ganz sicher werde ich Dinge übersehen haben und das ein oder andere anders verstanden haben, als der Absender es gemeint hatte. Aber so läuft das Spiel nun einmal.

Ich kann für mich sagen, dass diese Rückmeldung für mich unheimlich wertvoll sind. Sie haben mein Blickfeld erweitert. Sie haben mich innerlich vorangebracht. Der „Hagen Unterwegs“ vor dem ersten Teil dieser Blogserie ist ein anderer als der „Hagen Unterwegs“ nach dem ersten Teil dieser Blogserie. Ich bin für mich definitiv noch zu keiner Entscheidung gelangt, was meine freimaurerische Zukunft anbelangt. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Entscheidung fundiert und wohl abgewogen werden wird. Vielen Dank dafür!

Das Ende meines freimaurerischen Weges? (Teil 1)

1. PROLOG

In diesem Jahr bin ich 10 Jahre Freimaurer. Und ausgerechnet zu diesem Jubiläum stehe ich an meiner ganz persönlichen freimaurerischen Kreuzung. Bis zum Herbst diesen Jahres will ich für mich entscheiden, ob ich den freimaurerischen Weg weitergehe oder nicht. Doch wie kam es, dass ich mich jetzt an dieser Kreuzung wiederfinde? Um diese Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen.

2. EIN GESPRÄCH MIT FOLGEN

Letzt traf ich mich mit meinem Logenmeister. Es galt, über Dinge zu reden, die sich zwischen uns aufgestaut hatten und auszuloten, ob ich für mich eine Zukunft in meiner Johannisloge im Besonderen beziehungsweise im Freimaurertum im Allgemeinen sehe … und wenn ja, wie diese aussehen könnte.

Das Besondere an meinem Logenmeister: Er war einst mein Pate gewesen. Er war derjenige, der mich als Suchender zum Freimaurertum geführt und mich auf meinen ersten freimaurerischen Schritten an die Hand genommen hatte. Daher wird er immer einen ganz besonderen Platz in meinem Leben haben.

Trotzdem war es im Laufe der Jahre zu Begebenheiten gekommen, die mich zwischenzeitlich irritiert und bisweilen auch verletzt hatten. Irritiert und verletzt in Bezug auf die Beziehung zu meinem Paten, irritiert und verletzt in Bezug auf meine Johannisloge. Und das hatte letztendlich dazu geführt, dass ich mich von meiner Johannisloge zunehmend entfremdete. Und meine Johannisloge von mir. Meine Besuche der Logenveranstaltungen wurden immer sporadischer, bis ich mich schließlich gar nicht mehr blicken ließ.

Im Laufe des Gesprächs mit meinem Paten bestätigte sich jedoch etwas, was ich vorher bereits geahnt hatte: Der Ursprung für diese Irritationen und Verletzungen sowie der daraus resultierenden Entfremdung lag nicht allein in meinem Paten oder meiner Johannisloge begründet. Nein, auch ich hatte meinen Anteil daran. Sei es durch aktives Handeln, durch aktives Unterlassen oder einfach nur durch unglückliche Kommunikation.

Nichtsdestotrotz hatte ich in Bezug auf meine Johannisloge im Allgemeinen und in Bezug auf meinen Paten im Besonderen mehrere Momente der „Ent-Täuschung“ erlebt. „Ent Täuschung“ – In Sinne des „Endes einer Täuschung“. Umgekehrt hatten mein Pate und meine Johannisloge dasselbe in Bezug auf mich wohl auch erlebt.

Es war gut, das alles einmal hervorgeholt und benannt zu haben. Und so gingen wir mit einem Ultimatum auseinander, das mein Pate mir stellte: Bis Herbst diesen Jahres, solle ich mich entscheiden, ob ich mich unserer Johannisloge wieder annähern möchte oder ob mein Weg mich woanders hinführt. Hin zu einer anderen Johannisloge oder gänzlich raus aus dem Freimaurertum. In alle Richtungen würden mir sämtliche Türen offenstehen.

3. AN DER KREUZUNG

Das ist der Hintergrund dazu, weshalb ich eingangs schrieb, „an meiner ganz persönlichen freimaurerischen Kreuzung“ zu stehen. Und hier tun sich für mich nun drei unterschiedliche Wege auf: 1. Ich kehre in meine Johannisloge zurück und gehe meinen freimaurerischen Weg in der Weise weiter, in der ich ihn mal begonnen hatte. 2. Ich wende mich von meiner Johannisloge ab und setze meinen freimaurerischen Weg an anderer Stelle fort. 3. Ich kehre dem Freimaurertum vollständig den Rücken.

Für welchen dieser Wege ich mich entscheiden werde, hängt meines Erachtens wiederum von zwei weiteren Fragestellungen ab: 1. Welche positiven „Früchte“ sehe ich in meinem Leben, die ich unmittelbar und ausschließlich auf das Freimaurertum zurückführen kann? Also kann ich positive Veränderungen und Entwicklungen benennen, die ich ohne das Freimaurertum nicht erlebt hätte? 2. Und welche Qualität, Natur und Tiefe weisen die „Ent-Täuschungen“ auf, die ich im Freimaurertum erlebt habe? Wirken diese „Ent-Täuschungen“ derart nach, dass mir der Rückweg in meine Johannisloge beziehungsweise ins Freimaurertum aus emotionalen Gründen gar nicht mehr möglich ist? Oder sind sie bei genauerem Hinschauen doch gar nicht so wild?

4. WAS DA KOMMEN WIRD

Diesen Prozess der Auseinandersetzung und der Standortfindung will ich mit meinem Blog begleiten. In den nächsten Wochen werde ich hier die Historie meines freimaurerischen Weges nachzeichnen und anhand der genannten Fragestellungen reflektieren.

Ich erhoffe mir, durch dieses Niederschreiben bezüglich meines inneren Weges Klarheit zu finden. Und auch, wenn ich nicht beabsichtigte, gegen die freimaurerische Verschweigenheit – dem Arkanum – zu verstoßen, so hoffe ich jedoch, dass die Leser meines Blogs durch meine Worte und Gedanken ein nochmal ganzheitlicheres Bild vom Freimaurertum erhalten werden.

Es geschehe also…