Ich stieg hinab. In die Tiefe. In den dunklen Schacht. Ich kann nicht sicher sagen, ob ich an einem Seil herunterkletterte oder an einer Leiter. Dunkelheit verhüllte, was mich unten erwarten sollte. Ganz unten am Grund.
Nach einigen wenigen Metern war da mit einem Mal diese bleiernde Traurigkeit. Sie verstopfte den Schacht vollkommen. Und keine Möglichkeit, sie zu umgehen. Sie drückte mir die Kehle zu. Sie streckte ihre Klauen von tief in mir drin nach mir aus. Und riss mich mit sich. Tränen stiegen auf. Ich realisierte, dass ich weinte. Aus tiefstem Herzen. Und mit meinem gesamten Wesen.
Mit jeder Träne, die meine Augen verließ, mit jedem Schluchtzer, der mir über die Lippen kam, stieg ich weiter hinab in dem dunklen Schacht.
Als ich unten angekommen war, standen meine Füße auf einer zentimeterdicken Schicht vertrockneter, brauner Blätter. Um mich herum breitete sich ein finsterer Wald aus. War es hier so finster, weil der Wald so tief und so dicht war? Oder weil es Nacht war?
Vor mir erhob sich eine prachtvolle Buche. Ihre pompöse Krone füllte fast mein gesamtes Sichtfeld aus. Einen rötlich goldenen Schimmer verströmte sie. Der Anblick hatte etwas Wärmendes.
Überwältigt stand ich vor diesem altehrwürdigen Baum. Regungslos und stumm betrachtete ich ihn. Ich ruhte in diesem friedvollen Moment. Von hinter mir aus konnte ich sehen, dass ich freimaurerisch gekleidet war. Die Silhouette des schwarzen Zylinders auf meinem Kopf zeichnete sich an der Buche ab.
Ich ließ mich in den Schacht hinab und befand mich auf einen Felsenrücken. Unter mir dehnte sich die Kluft in abschüssiger Richtung zu einer beträchtlichen Tiefe aus, deren Dunkelheit meine Lampe nicht zu durchdringen vermochte. Aber zu meiner größten Überraschung strömte daraus ein helles Licht zu mir empor. Sollte es irgendein vulkanisches Feuer sein? In diesem Falle hätte ich sicher die Hitze gespürt. Doch herrschte darüber irgendein Zweifel, so war es für unser aller Sicherheit von Nöten denselben zu heben. Ich untersuchte die Wände des Abhanges und glaubte daraufhin, so weit ich sie überschauen konnte, daß ich es wohl wagen dürfte, mich den unregelmäßigen Vorsprüngen und Ecken anzuvertrauen. Ich stieg hinab, je mehr ich mich dem Lichte näherte, um so größer ward die Kluft, und endlich sah ich zu meinem unaussprechlichen Erstaunen auf dem Boden des Abgrundes einen breiten ebenen Weg, der, so weit das Auge reichte, durch Gaslampen, die in regelmäßiger Entfernung von einander standen, beleuchtet war, wie die Straßen einer großen Stadt… Wessen Hände könnten diesen Weg geebnet und diese Lampen angezündet haben?… Mir schien es ein verbreitetes und atmosphärisches Licht zu sein, es rührt nicht wie von einem Feuer her, es war vielmehr weich und silbern wie das Nordlicht… Ich strengte meine Augen an und erblickte deutlich in der Ferne die Umrisse eines großen Gebäudes. Es war symmetrisch, hatte große ägyptische Säulen und das Ganze war wie von innen erleuchtet.
(aus Edward Bulwer: „Das Geschlecht der Zukunft“)
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Erst am Ende begriff ich, dass Du keinen eigenen Abstieg beschreibst. 🙂 Faszinierend, wie sehr sich diese Bilder doch ähneln…
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Bulwer sagte stets er ist kein FM oder Rosenkreuzer. Sein Werk ist aber durchwirkt von deren Ideen und Bilder.
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