Das Ende meines freimaurerischen Weges? (Teil 1)

1. PROLOG

In diesem Jahr bin ich 10 Jahre Freimaurer. Und ausgerechnet zu diesem Jubiläum stehe ich an meiner ganz persönlichen freimaurerischen Kreuzung. Bis zum Herbst diesen Jahres will ich für mich entscheiden, ob ich den freimaurerischen Weg weitergehe oder nicht. Doch wie kam es, dass ich mich jetzt an dieser Kreuzung wiederfinde? Um diese Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen.

2. EIN GESPRÄCH MIT FOLGEN

Letzt traf ich mich mit meinem Logenmeister. Es galt, über Dinge zu reden, die sich zwischen uns aufgestaut hatten und auszuloten, ob ich für mich eine Zukunft in meiner Johannisloge im Besonderen beziehungsweise im Freimaurertum im Allgemeinen sehe … und wenn ja, wie diese aussehen könnte.

Das Besondere an meinem Logenmeister: Er war einst mein Pate gewesen. Er war derjenige, der mich als Suchender zum Freimaurertum geführt und mich auf meinen ersten freimaurerischen Schritten an die Hand genommen hatte. Daher wird er immer einen ganz besonderen Platz in meinem Leben haben.

Trotzdem war es im Laufe der Jahre zu Begebenheiten gekommen, die mich zwischenzeitlich irritiert und bisweilen auch verletzt hatten. Irritiert und verletzt in Bezug auf die Beziehung zu meinem Paten, irritiert und verletzt in Bezug auf meine Johannisloge. Und das hatte letztendlich dazu geführt, dass ich mich von meiner Johannisloge zunehmend entfremdete. Und meine Johannisloge von mir. Meine Besuche der Logenveranstaltungen wurden immer sporadischer, bis ich mich schließlich gar nicht mehr blicken ließ.

Im Laufe des Gesprächs mit meinem Paten bestätigte sich jedoch etwas, was ich vorher bereits geahnt hatte: Der Ursprung für diese Irritationen und Verletzungen sowie der daraus resultierenden Entfremdung lag nicht allein in meinem Paten oder meiner Johannisloge begründet. Nein, auch ich hatte meinen Anteil daran. Sei es durch aktives Handeln, durch aktives Unterlassen oder einfach nur durch unglückliche Kommunikation.

Nichtsdestotrotz hatte ich in Bezug auf meine Johannisloge im Allgemeinen und in Bezug auf meinen Paten im Besonderen mehrere Momente der „Ent-Täuschung“ erlebt. „Ent Täuschung“ – In Sinne des „Endes einer Täuschung“. Umgekehrt hatten mein Pate und meine Johannisloge dasselbe in Bezug auf mich wohl auch erlebt.

Es war gut, das alles einmal hervorgeholt und benannt zu haben. Und so gingen wir mit einem Ultimatum auseinander, das mein Pate mir stellte: Bis Herbst diesen Jahres, solle ich mich entscheiden, ob ich mich unserer Johannisloge wieder annähern möchte oder ob mein Weg mich woanders hinführt. Hin zu einer anderen Johannisloge oder gänzlich raus aus dem Freimaurertum. In alle Richtungen würden mir sämtliche Türen offenstehen.

3. AN DER KREUZUNG

Das ist der Hintergrund dazu, weshalb ich eingangs schrieb, „an meiner ganz persönlichen freimaurerischen Kreuzung“ zu stehen. Und hier tun sich für mich nun drei unterschiedliche Wege auf: 1. Ich kehre in meine Johannisloge zurück und gehe meinen freimaurerischen Weg in der Weise weiter, in der ich ihn mal begonnen hatte. 2. Ich wende mich von meiner Johannisloge ab und setze meinen freimaurerischen Weg an anderer Stelle fort. 3. Ich kehre dem Freimaurertum vollständig den Rücken.

Für welchen dieser Wege ich mich entscheiden werde, hängt meines Erachtens wiederum von zwei weiteren Fragestellungen ab: 1. Welche positiven „Früchte“ sehe ich in meinem Leben, die ich unmittelbar und ausschließlich auf das Freimaurertum zurückführen kann? Also kann ich positive Veränderungen und Entwicklungen benennen, die ich ohne das Freimaurertum nicht erlebt hätte? 2. Und welche Qualität, Natur und Tiefe weisen die „Ent-Täuschungen“ auf, die ich im Freimaurertum erlebt habe? Wirken diese „Ent-Täuschungen“ derart nach, dass mir der Rückweg in meine Johannisloge beziehungsweise ins Freimaurertum aus emotionalen Gründen gar nicht mehr möglich ist? Oder sind sie bei genauerem Hinschauen doch gar nicht so wild?

4. WAS DA KOMMEN WIRD

Diesen Prozess der Auseinandersetzung und der Standortfindung will ich mit meinem Blog begleiten. In den nächsten Wochen werde ich hier die Historie meines freimaurerischen Weges nachzeichnen und anhand der genannten Fragestellungen reflektieren.

Ich erhoffe mir, durch dieses Niederschreiben bezüglich meines inneren Weges Klarheit zu finden. Und auch, wenn ich nicht beabsichtigte, gegen die freimaurerische Verschweigenheit – dem Arkanum – zu verstoßen, so hoffe ich jedoch, dass die Leser meines Blogs durch meine Worte und Gedanken ein nochmal ganzheitlicheres Bild vom Freimaurertum erhalten werden.

Es geschehe also…

25 Gedanken zu “Das Ende meines freimaurerischen Weges? (Teil 1)

  1. Ich bin gespannt auf Deine nächsten Reflexionen. Ich habe Deine Blogs immer wertgeschätzt und gern gelesen. So wird es bleiben.
    Eins aber sage ich Dir jetzt schon: wenn es das Ende eines freimaurerischen Weges gibt, dann hat es den freimaurerischen Weg nicht gegeben…

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    • Vielen Dank für die lieben Worte! 🙂

      Ich verstehe, worauf Du mit Deinem letzten Satz hinaus willst und stimme Dir zu. Vielleicht wäre die Formulierung „Das Ende meines Weges innerhalb der institutionellen Freimaurerei“ oder so ähnlich.

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  2. Sehr geschätzter Bruder Hagen,
    Dein „Weg“ ist mir nicht ungewöhnlich, weil ich solche Entwicklungen sowohl bei mir als auch bei anderen beobachten konnte. Die Gründe und Ursachen erscheinen auf den ersten Blick oft sehr individuell, werfen nach meiner Meinung aber vor allem Fragen zum „System“ auf.
    Persönlich fände ich es traurig, wenn Du den Bund verlassen würdest, hoffe aber, dass Du in einer anderen Konstellation vielleicht einen, Deinen, Weg findest.
    Ich wünsche Dir, dass Du eine kluge Entscheidung triffst.
    Herzlich und brüderlich verbunden
    Werner J. Kraftsik

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    • Und Du scheinst Recht zu haben: Neben den individuellen Gründen, schwingt die Systemfrage da auf jeden Fall mit.

      Spontane Idee: Vielleicht geht es gar nicht darum, einen Weg zu finden. Vielleicht ist diese Form der Auseinandersetzung schon der Weg.

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  3. An Wegkreuzungen stehen Wegkreuze. Man erinnere sich, dass jede Entscheidung, wohin es gehen soll, die Kreuzigung seines Ego oder die Weigerung sein Kreuz zu tragen sein kann. Geduld, Wahrheit und Liebe wurden und werden vom göttliches Meister, welcher der Weg ist, gelebt und gelehrt. Damit gelingt auch die rechte Entscheidung für Dich, lieber Hagen, und für Deine Mitbrüder, auf dass man immer mehr jener wird, zu dem man geschaffen.

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  4. Hallo,
    ich spitze ab und an mal auf deinem Kanal vorbei…habe gerade das Video zum BurnOut gesehen…
    mir hat ganz viel die TraumaArbeit geholfen….John Welwood schreibt zu sehr fürs Herz, Hirn und Seele….Pete Walker…Gabor Mate…alles langjährige Therapeuten mit spiritueller Ausrichtung…
    vielleicht magst du mal hineinschnuppern…
    Alles Liebe und Gute für deinen weiteren Seelenweg

    Herzlichst
    Dani

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  5. huch….ein Rechtschreibfehler…sorry…
    die Hitze grillt mein Hirn…😂
    soll heißen bei John Welwood…
    er schreibt „so sehr“ …fürs Herz…das ist absolut brillant…

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  6. „2. Und welche Qualität, Natur und Tiefe weisen die „Ent-Täuschungen“ auf, die ich im Freimaurertum erlebt habe?“
    Ich bin sehr froh, dass Du das Wörtchen „Enttäuschung“ schon in Anführungszeichen gesetzt hast. Eine Enttäuschung erlebt man nur, wenn man von falschen Vorstellungen ausgegangen ist. Also lag es an einem selbst und nicht an anderen.

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  7. Hallo Hagen,
    ich weiß und fühle, wovon Du schreibst.
    Mir ging es ganz ähnlich, und ich habe schließlich gedeckt. Dass ich noch nicht „fertig“ mit der Maurerei war, habe ich im Laufe der Jahre gemerkt. Die Sehnsucht nach dem Ritual und dem einen oder anderen Bruder hat nachgehallt und wurde mit und mit größer.
    Schließlich habe ich nach fünf Jahren wieder vorsichtig Kontakt aufgenommen. Die Verletzungen und Enttäuschungen mussten erst be- und aufgearbeitet werden. Schließlich bin ich wieder in „meine“ Loge eingetreten. Klarer als damals, was ich dort will, aber auch, wo meine Grenzen sind.
    Und damit geht’s mir gut.
    Ich wünsche Dir einen guten Weg, wie auch immer er aussehen mag.
    Axel

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  8. Jeder von uns hat seinen eigenen Weg der Reflexion. Du tust es in der Öffentlichkeit und ich wende mich nicht dagegen. Ich muss aber klar sagen, dass Du es niemals schaffen wirst, ein ganzheitliches Bild der Freimaurerei zu zeichnen. Es gibt nichts persönlicheres als die Freimaurerei. Sie passt sich perfekt jedem Individuum an. Wenn Du also an dieser Stelle Deine Geschichte reflektierst, so ist dies DEINE Geschichte. Nicht die meinige und auch nicht die der Brüder. Die reine Freimaurerei liegt tief in Dir verborgen. Was manchmal an der Oberfläche daraus gemacht wird, steht auf einem anderen Blatt. Das gehört aber nur teilweise zu dem, was Du ein „ganzheitliches Bild vom Freimaurertum“ nennst.

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    • Liebe Inka, ich sprach in meinem Blogartikel nicht von einem „ganzheitlichen“ Bild, sondern von einem „ganzheitlicheren“ Bild. Das sollte ausdrücken, dass es nochmal neue Facetten des Freimaurertums offenbart, wodurch ein umfassenderes Bild als vorher präsentiert wird. Aber auch dieses ist weit davon entfernt, vollständig zu sein. Denn Du hast Recht: Das Bild des Freimaurertums ist so groß und weit und bunt und individuell, wie es Freimaurerinnen und Freimaurer gibt.

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  9. Zweifel am Sinn der Freimaurerei, das hat jeder Freimaurer von Zeit zu Zeit. Manchmal geschehen Dinge zwischen Maurern, die einen zweifeln lassen. Auch die Freimaurerei ist „eine Blase“, die sich als solche oft nicht reflektiert. Letztlich arbeitet jeder an seinem eigenen Stein, mal mit Srn. und Brn. mal ohne. Das hat auch Corona bewirkt, wo man auf sich allein gestellt war. Oder man findet Wegbegleiter, mit denen man mehr gemeinsam hat, ob Maurer oder andere. Eine Auszeit bewirkt manchmal Wunder, vielleicht auch ein Wechsel der Loge.

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  10. moin, moin,

    ja….ich bin durch youtube durch dich aufmerksam….und das video…vor
    jahren…über die integrale arbeit….ken wilber und so.

    deswegen dachte ich, john welwood, der leider 2019 verstorben ist, und
    der direktor des california institute of integral studies war,

    könnte dir mit seinen wirklich…für mich bahnbrechenden
    büchern….etwas weiterhelfen….da in der spirituellen und coaching
    szene…

    auch die ganze quest-suche… das psychologische, die wirklich tiefe
    arbeit…. fast immer außen vor gelassen wird.

    und die meisten psychologen….und therapeuten….hier in
    deutschland…eher materialistisch und technokratisch ausgerichtet sind….

    und so mit dem spirituellen….ganz wenig am hut haben…und viele in
    der psychospirituellen eher „eso szene“ gerne sprirituelles

    bypassing machen und sich ihre macken, schwächen, neurosen und traumatas
    überhaupt nicht angucken und dann gerne in irgendwelchen

    „höheren ebenen schweben“ oder gerne auch so viel intellektualisieren
    und schwurbeln…daß die schwarte kracht.  🙂

    durch die arbeit von gabor mate….der fast alles auf trauma
    zuruckführt, und unsere unerledigten angelegenheiten und seelisch/geistigen

    wunden…. wurde ich überhaupt auf die traumaarbeit aufmerksam.

    john welwood und pete walker haben da auch tiefe emotionale und mentale
    forschung betrieben. und beschäftigen sich beide mit

    spiritueller alchemie…was ja auch die freimaurerei….ich bin übrigens
    in keiner loge…eigentlich im grunde ist.

    so, das war ein wenig info….

    herzlichst

    dani

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  11. Schalom. Friede sei mit Dir, lieber Bruder. Ich wünsche Dir alles Gute für deinen Weg. “We are light, and return to light.” Jene Bruderschaft des Lichts ist ohne Anfang und Ende. Ich sehe und anerkenne den Sohn Gottes in dir. Die Worte des Franz von Assisi an seinen Bruder Leo kommen mir in den Sinn: “… so also rate ich dir: Auf welche Weise auch immer es dir besser erscheint, Gott, dem Herrn, zu gefallen und seinen Fußspuren und seiner Armut zu folgen, so tut es mit dem Segen Gottes, des Herrn…”

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