Freimaurerische Bigotterie

ALS FRAU AUßEN VOR?

In meinem privaten Umfeld gibt es den einen oder anderen Menschen, der es ziemlich suspekt fand, als ich mich entschied, Freimaurer zu werden. Insbesondere durch die feministische Brille betrachtet, mutete dieser Schritt mehr als fragwürdig an. Denn kommen bei den Freimaurern nicht alte weiße Männer zusammen, die sich im Glanze einer elitären Exklusivität sonnen? Eine Exklusivität, in der für Frauen kein Platz ist? Kein Vorbehalt gegenüber der Freimaurerei begegnete mir so häufig wie der, dass Frauen dort ausgeschlossen würden.

Nur um dieses Argument ein für alle Mal abzuräumen: Doch, auch in der Freimaurerei gibt es Frauen. Genauso, wie es reine Männerlogen gibt, gibt es auch reine Frauenlogen und auch gemischte Logen.

Allerdings gibt es bei der ganzen Frage bezüglich „Freimaurerei und Frauen“ ein ganz großes „Aber“. Ein „Aber“, das gewichtig und ziemlich hässlich ist. Ein „Aber“, das mich als männlichen Freimaurer beschämt. Und um dieses „Aber“ soll es in diesem Blogartikel gehen.

MEIN ERSTER GÄSTEABEND

Tatsächlich fand mein erster realer Kontakt als Suchender zu einer gemischten Freimaurerloge statt. Eher zufällig bekam ich eine Einladung zu einem Ihrer Gästeabende in die Hand.

Als ich diesen Gästeabend dann besuchte, war ich zunächst etwas irritiert, weil ich in dieser Loge keinen einzigen Mann antraf. Diese Loge war nur auf dem Papier eine gemischte Loge, de facto jedoch eine reine Frauenloge. Die Logenmeisterin erklärte mir an diesem Abend, warum das so ist: Freimaurerlogen, in denen auch Frauen Mitglieder sind, werden durch die offiziellen freimaurerischen Statuten und Institutionen nicht offiziell anerkannt. Folglich ist es Frauenlogen und auch gemischten Logen nicht möglich, die sogenannte „freimaurerische Regularität“ zu erlangen. Dies wiederum hat zur Folge, dass Männer, die sich dafür interessieren, Freimaurer zu werden, sich lieber regulären Männerlogen anschließen, als irregulären Frauenlogen oder irregulären gemischten Logen. Auch mir legte die Logenmeisterin für den Fall, dass ich ernsthaft an der Freimaurerei interessiert sei, nahe, mich dann doch lieber einer reinen, regulären Männerloge anzuschließen.

Den Vortrag dieses Abends hielt ein Mann. Ein eloquenter und gebildeter Mann. Vor allem aber: Ein regulärer Freimaurer. In dem Vortrag, den ich als sehr fundiert und umfassend erinnere, ging es um Gotthold Ephraim Lessing. Dessen Ringparabel ist so etwas wie die Lieblingsgeschichte der Freimaurer. Je länger dieser Gästeabend andauerte, desto mehr hatte ich den Eindruck, dass sich so etwas wie eine informelle Hierarchie herausbildete: Vorne der „richtige“ – weil reguläre – Freimaurer, der alle an seinem Wissen teilhaben ließ. Und zu seinen Füßen die „nicht so ganz richtigen“, – weil irregulären – Freimaurerinnen, die an seinen Lippen hingen.

Natürlich war dieser Abend inhaltlich für mich gewinnbringend gewesen. Und auch insofern spannend, weil ich das erste Mal in meinem Leben echte freimaurerische Luft schnuppern durfte. Doch der Eindruck, wie demütigend innerhalb der Freimaurerei mit den Freimaurerinnen umgegangen wird, ließ einen äußerst faden Beigeschmack zurück.

DIE FRAGE DER REGULARITÄT

Doch was hat es mit dieser „Regularität“, die dafür sorgt, dass Frauen innerhalb der Freimaurerei irgendwie außen vor bleiben, auf sich? Woher stammt die Idee der „Regularität“?

Geht man dieser Frage nach, kommt man an den sogenannten „Alten Pflichten“ nicht vorbei. Hierbei handelt es sich laut Freimaurer-Wiki um die „erste gedruckte und veröffentlichte Sammlung von Gesetzen und Konstitutionen (Regeln) der Freimaurer“. Diese sind 1723 von dem Reverend und Prediger an der Kirche der schottischen Presbyterianer in London, dem Doktor der Philosophie und der Theologie, James Anderson, verfasst und erstmalig am 28. Februar 1723 veröffentlicht worden. In diesen Alten Pflichten wird für das damals noch blutjunge Freimaurertum unter anderem niedergelegt, was einen Freimaurer ausmacht, wie die Ordnung einer Freimaurerloge hergestellt wird und wie sich der einzelne Freimaurer innerhalb und außerhalb der Loge zu verhalten hat. Der gesamte Text setzt voraus, dass nur Männer Freimaurer werden können. So wird durchgehend von Männern, von „der Maurer“, „ein Maurer“ oder „der Bruder“ gesprochen. Im 3. Abschnitt mit dem Titel „Von den Logen“ wird schließlich klar benannt, dass Freimaurer nur „gute und wahre Männer, frei geboren, von reifem Alter und diskreten und vernünftigem Urteilsvermögen“ werden können. Es dürfen „keine Frauen“ zum Freimaurer aufgenommen werden.

Die Alten Pflichten werden von den sogenannten „Basic Principles“ aus dem Jahre 1929 ergänzt, konkretisiert und ausgeschärft. In diesen verständigten sich die Großlogen von England, Irland und Schottland darüber, unter welchen Voraussetzungen Großlogen anerkannt und gestiftet werden. Die Basic Principles sind so etwas wie der Versuch, den kleinsten gemeinsame Nenner zu definieren, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine (Groß-) Loge überhaupt als regulär anerkannt werden kann. Acht Punkte sind dort niedergelegt. Der vierte bezieht sich auf die Frage nach „den Frauen und der Freimaurerei“. Dazu steht dort geschrieben: „Die Mitglieder der Großloge und der einzelnen Logen setzen sich ausschließlich aus Brüdern zusammen, die als Männer zu Freimaurern wurden. Und dass jede Großloge keinerlei freimaurerische Zusammenarbeit mit Organisationen haben darf, die weibliche Freimaurer initiieren.“ Also auch die Basic Principles lehnen Frauen als Freimaurer ab.

Ergo: Die Alten Pflichten und die Basic Principles, die maßgeblich sind, wenn es um die Frage geht, ob eine Loge oder Großloge regulär oder irregulär ist, lehnen die Idee, dass auch Frauen Freimaurer sein können, ab. Es könnten an dieser Stelle noch weitere Schriften und Verordnungen mit gleicher Zielrichtung genannt werden, die diese Vorgaben ins jeweilige Großlogen-Recht und den jeweiligen Logen-Alltag transferieren. Doch deren Ursprünge lassen sich in letzter Konsequenz alle auf die Alten Pflichten und die Basic Principles zurückführen. Und da jede reguläre Loge „gesetzmäßig durch eine andere anerkannte Großloge oder durch drei oder mehr regulär konstituierte Logen gegründet worden sein“ muss, vererbt sich die Idee, dass Frauen keine Freimaurer sein können, quasi von regulärer Loge zu regulärer Loge immerfort. Und den Beginn dieser Regularitätskette bildet die Vereinigte Großloge aus England, auf die sich schlussendlich direkt oder indirekt jede reguläre Loge zurückführen lässt.

Nun lassen sich die Mechanismen, die beim Freimaurertum zu greifen anfingen, als Festschreibungen darüber getroffen wurden, wer regulärer und wer irregulärer Freimaurer ist, mit denen vergleichen, die bei den Religionen greifen, wenn sie definieren, welcher Gläubige rechtgläubig ist und welcher nicht. In beiden Fällen werden mehr oder weniger absolute Statuten aufgestellt, die dadurch, dass sie bestimmte Menschen einschließen, gleichzeitig andere Menschen ausgrenzen. Das liegt im Wesen solcher Statuten (oder sollte ich eher von „Dogmen“ sprechen?). Und bei den Freimaurern sind es eben die Frauen, die durch den niedergeschriebenen Buchstaben pauschal ausgegrenzt werden.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Basic Principles innerhalb der weltweiten Bruderschaft der Freimaurer nicht gleichermaßen anerkannt sind. Hintergrund ist, dass es ab dem 18. Jahrhundert eine große Rivalität zwischen zwei der größten damaligen freimaurerischen Richtungen, nämlich der englischen und der französischen, gab. Es ging um Einfluss und Deutungshoheit innerhalb der Bruderschaft der Freimaurer. Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich kam es zum Bruch, zum Schisma zwischen der englischen und der französischen Freimaurerei. Mit den Basic Principles nun hat die Vereinigte Großloge von England versucht zu definieren, wer sich tatsächlich Freimaurer nennen darf, sprich wer regulärer Freimaurer ist, und wer nicht. (Groß-) Logen, die einzelne Inhalte der Basic Principles nicht mittrugen, galten von nun an als irregulär. Das brachte es mit sich, dass große und traditionsreiche (Groß-) Logen, wie der Grand Orient de France, sich nicht mehr als regulär bezeichnen durften. Auch die Frauenlogen, die offiziell spätestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts existierten, fanden sich irgendwann in der Irregularität wieder. Gleiches gilt für die gemischten Logen, die es bereits seit einigen Jahrzehnten früher gegeben haben dürfte.

Die gesamte innerfreimaurerische Auseinandersetzung um die Frage der Regularität, um die Inhalte der Alten Pflichten und der Basic Principles ist ein sehr weitreichender und fundamentaler Konflikt, dessen Wehen bis in die heutige Zeit hineinreichen. Daher könnte ich allein dieser Auseinandersetzung schon mehrere Blogartikel widmen. Für den vorstehenden Artikel, in dem es um die Frage geht, inwiefern Frauen reguläre Freimaurer sein können, soll mein oberflächlicher und inhaltlich sehr zugespitzter Ritt durch diesen Teil der freimaurerischen Geschichte jedoch ausreichen.

DIE SITUATION HEUTE

Sehr interessant ist es, sich bezüglich dieses Themenkomplexes einmal durch das Freimaurer-Wiki zu klicken. Dort kann man vieles vertiefen, was ich in diesem Blogartikel lediglich anreißen kann. Und dort stieß ich auf die Übersetzung einer sehr interessanten Verlautbarung der Vereinigten Großloge von England aus dem Jahr 1999, die ich hier mal im O-Ton bringen will: „In England und in Wales gibt es zumindest zwei Frauengroßlogen. Außer daß diese Frauen aufnehmen, sind sie, soweit das festgestellt werden kann, in ihrer Ausübung regulär. Es gibt auch eine Großloge, die Männer und Frauen aufnimmt. Diese Großlogen werden von der ‚United Grandlodge‘ (UGLE) nicht anerkannt; es finden keine gegenseitigen Besuche statt. Jedoch gibt es mit den Frauengroßlogen gelegentlich informelle Gespräch über Angelegenheiten von beiderseitigem Interesse. Wenn Brüder von Nichtmaurern darauf angesprochen werden, können sie also klarstellen, daß sich die Freimaurerei nicht auf Männer beschränkt, und das obwohl die UGLE selbst keine Frauen aufnimmt.“ Als bei der Vereinigten Großloge von England mit der Bitte um Konkretisierung dieser Aussage nachgehakt wurde, folgte nachstehende Aussage, die ich hier ebenfalls im O-Ton bringen will: „Um anerkannt zu werden, muss eine Loge reguläre Freimaurerei praktizieren, aber das ist nicht die einzige Voraussetzung. Anerkennung bedeutet auch, daß gegenseitige Logenbesuche möglich sein müssen. Aber weder die UGLE noch die beiden Frauengroßlogen wollen gemischte Logenarbeiten. Es gibt Aktivitäten, die manche Menschen lieber in einer ‚Single-Sex‘-Umgebung praktizieren, ohne den Druck und die Ablenkungen, die in gemischten Gruppen auftreten können. Das gilt für viele sportliche Tätigkeiten: Männer und Frauen spielen Hockey, aber nicht zusammen. Und es gilt für spirituelle Räume: Siehe die Nonnen und die Mönche.“

Diese Aussagen sind höchst interessant. Denn sie sprechen der Frau an sich nicht mehr per se die Fähigkeit ab, Freimaurerinnen zu sein. Vielmehr wird Ihnen sogar zugestanden, dass sie im freimaurerischen Sinne regulär rituell arbeiten. Trotzdem bleiben diese Aussagen letztendlich inkonsequent. Denn Frauen- oder auch gemischten Logen wird eine Regularität mit der Begründung nicht zugesprochen, dass gegenseitige Besuche der rituellen Tempelarbeiten möglich sein müssen. Besuchten sich jedoch Männer und Frauen gegenseitig bei den Tempelarbeiten, handelte es sich bei diesen Ritualen um gemischte Tempelarbeiten, welche wiederum nicht regulär wären. Im Ernst jetzt? Dem geneigten Beobachter stellt sich hierbei die Frage, warum das gesamte Feld der freimaurerischen Tempelarbeiten nicht einfach komplett für Männer und Frauen freigegeben wird. Warum legt man es nicht ins Ermessen jeder einzelnen Loge, jedes einzelnen Freimaurers, in welcher geschlechtlichen Konstellation die rituellen Arbeiten begangen werden wollen?

Eventuell, weil essentielle Teile des männlichen Freimaurertums noch nicht so weit sind? Denn noch 2013, als ich in den christlichen Freimaurerorden aufgenommen wurde, bekam ich mit, wie ein älterer Bruder bei einem freimaurerischen Mahl von sich gab, dass das freimaurerische Ritual ein Ritual sei, dass „auf die männliche Seele abgestimmt“ und folglich „nichts für Frauen“ sei. Bei keinem der Brüder, die diese Aussage vernommen hatten, regte sich Widerspruch. Erst im Nachhinein begriff ich, wie anmaßend solch eine Aussage ist. Denn wenn eine Frau aus Überzeugung Freimaurerin ist und augenscheinlich vom freimaurerischen Ritus und der freimaurerischen Symbolik berührt und inspiriert wird, welcher Mann hat dann das Recht zu behaupten, dass Ritual und Symbolik des Freimaurertums nichts für sie sei? Welch Arroganz, Ignoranz und Überheblichkeit spricht denn bitte aus solch einer Ansicht?!

Ich will aber nicht verschweigen, dass es sich hierbei nicht um die Mehrheitsmeinung unter den Freimaurer-Brüdern zu handeln scheint. Denn in meinem Logenalltag und meinem Social-Media-Umfeld erlebe ich, dass der Umgang zwischen Freimaurern und Freimaurerinnen von Geschwisterlichkeit, Respekt und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Man befindet sich steten Austausch und besucht sich gegenseitig (wenn auch nicht zu gemeinsamen Tempelarbeiten). Man teilt dieselben Werte und dieselben Tempel. Nichtsdestotrotz bleibt natürlich der Makel der Irregularität an den Freimaurerinnen haften.

EIN PLÄDOYER

Jetzt mag der ein oder andere Freimaurer an dieser Stelle sagen: „Wenn der Hagen Unterwegs sich so für die Gleichberechtigung der Frau in freimaurerischen Fragen einsetzt, warum tritt er dann der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, sprich dem christlichen Freimaurerorden, bei, der keine Frauen zulässt?“ Tatsächlich habe ich mich, bevor ich Freimaurer wurde, sehr ausführlich mit dem Freimaurertum und seinen unterschiedlichen Richtungen befasst. Meine Entscheidung für den christlichen Freimaurerorden war eine wohl überlegte und abgewogene. Und dies liegt in der initiantischen Männerarbeit nach Richard Rohr begründet, in der ich verwurzelt bin. Dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass viel männliches Gockelgehabe und Gepose eher wegfällt und Männer ihren Schmerz, ihre Schwachheit, ihre Schattenseiten und ihre Scham eher zulassen und mit Ihresgleichen teilen können, wenn keine Frauen zugegen sind. Daher war für mich klar, dass ich einer rein männlichen Loge beitreten möchte. Und bis heute habe ich diese Entscheidung nicht bereut.

Was mir jedoch negativ aufstößt, ist die Tatsache, dass die aktuelle freimaurerische Rechtslage meiner Großloge gar keine andere Wahl lässt, als mir zu verbieten, gemeinsam mit Frauen an Tempelarbeiten teilzunehmen. Ich empfinde dies als übergriffig und bevormundend. Denn was spricht dagegen, den einzelnen Bruder selbst entscheiden zu lassen, in welcher geschlechtlichen Konstellation er Tempelarbeiten beiwohnen will? Warum wird mir diese Erfahrung verwehrt? Und was mir ebenso negativ aufstößt, ist die Tatsache, dass die aktuelle freimaurerische Rechtslage es mit sich bringt, dass es in meiner Großloge keine Frauenlogen gibt. Warum enthalten wir den erhabenen, wirkmächtigen und bis ins letzte Detail durchkomponierten freimaurerischen Ritus des christlichen Freimaurerordens den Frauen komplett vor? Was ginge denn verloren, wenn es in der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland neben reinen Männerlogen auch reine Frauenlogen oder gar gemischtgeschlechtliche Logen gäbe?

Nur um eines klar zu sagen: Dieser Blogartikel von mir ist kein Plädoyer dafür, dass meine Großloge sich durch die Aufnahme von Frauen in die Irregularität begeben soll. Niemandem wäre dadurch geholfen; weder der Sache der Frauen, noch dem christlichen Freimaurerorden selbst. Allerdings bedarf es für das Ein- und Aufstehen für die Regularität von Freimaurerinnen auch nicht die Aufgabe der eigenen Regularität.

Und dieser Blogartikel ist auch kein Plädoyer dafür, die Idee der Regularität komplett über Bord zu werfen. Auch wenn ich finde, dass der Begriff der freimaurerischen Regularität deutlich weiter gefasst werden sollte, als dies aktuell der Fall ist, so ist die Idee der Regularität dennoch notwendig, um grob abzustecken, wo die freimaurerische Idee beginnt und wo sie endet. Um mal ein plakatives Beispiel zur Veranschaulichung zu bringen: Gäbe es einen Rahmen der Regularität nicht, was spräche dann dagegen, Gesellschaften, wie einst die nationalsozialistische „Thule-Gesellschaft“ aus dem Dritten Reich, die vom Aufbau und den rituellen Formen her viele Überschneidungen zum Freimaurertum aufwies, auch dem Freimaurertum zuzuschlagen? Ich denke, aus diesem Beispiel wird ersichtlich, dass ein Mindestmaß an freimaurerischer Abgrenzung durch Regularität notwendig ist.

Dass diesem Maß an Abgrenzung aktuell allerdings die Frauen zum Opfer fallen, halte ich für grundfalsch. Und so sehr ich mir den Kopf auch zerbreche, es will mir einfach keine schlüssige und tragfähige freimaurerische Begründung dafür einfallen, weshalb Frauen keine regulären Freimaurer sollten werden dürfen.

Daher ist dieser Blogartikel ein Plädoyer dafür, die Frau endlich aus dem Gefängnis der Irregularität herauszuholen und sie in allen freimaurerischen Belangen und auf allen freimaurerischen Ebenen dem Mann vollumfänglich gleichzustellen! Beenden wir doch endlich diesen Zustand, der Frauen innerhalb des Freimaurertums unterm Strich viel zu oft zu Geschwistern zweiter Klasse degradiert. Für mich als Mann ist dieser Zustand beschämend, aus der Zeit gefallen und bigott. Dabei ist der Schritt dahin, diesen Zustand zu beenden, doch gar kein so großer mehr.

08.06.2022: Blue Night – Freimaurer in Hamburg

Morgen, am Mittwoch, den 08. Juni 2022 um 19:30 Uhr, steht im Logenhaus der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland in der Moorweidenstraße 36 in 20146 Hamburg die nächste Blue Night an!

In bewährter Manier wird es zunächst einen Vortrag geben. Dieser wird sich um das Thema „Freimaurerei und Persönlichkeitsentwicklung“ drehen und von Bruder Björn Motzkus von der Johannisloge „Phoenix zur Wahrheit“ gehalten werden. Und hiernach wird man wieder in geselligem Rahmen über das Gehörte reden können.

Auf der Homepage der Blue Night wird der Inhalt des Vortrags wie folgt beschrieben: „Erfahren Sie, wie die Freimaurer durch Metaphern, Symbole und Rituale zu einem global gültigen „Persönlichkeitsentwicklungsprogramm“ geworden ist. Ihnen wird an diesem Abend Einblick in das System der Freimaurerei geben, Ihnen die Abkürzung zur persönlichen Entwicklung aufgezeigt und dabei bildlich darstellen, welches Konzept Ihnen im Alltag weiterhelfen kann, auch wenn Sie noch kein Freimaurer sind. Erleben Sie eine Ahnung des freimaurerischen Geheimnisses – Freimaurerei war immer, ist immer und wird immer sein.“

Suchende, an der Freimaurerei Interessierte und Freimaurer selbst können sich hier anmelden.

Licht

Ein Gastbeitrag von Werner J. Kraftsik

Es gibt Freimaurer, mit denen ich wiederholt inspirierenden Austausch hatte, obwohl ich sie noch nie in meinem Leben gesehen habe oder auch nur ihre Stimme kennen würde. Einer dieser Freimaurer ist Werner J. Kraftsik. Über die Kommentarfunktion meines Blogs kamen wir wiederholt ins Gespräch. Wahrscheinlich wegen seiner tiefgründigen und konstruktiven Art kam mir der Impuls, ihn zu fragen, ob er nicht einen Gastbeitrag auf meinem Blog veröffentlichen möchte. Nur zu gerne willigte er ein.

Bruder Werner J. Kraftsik ist 1946er Jahrgang, verheiratet und dreifacher Vater. Im April 1980 wurde er in die zur Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ (3WK) gehörende Johannisloge „Galilei810“ in Kaiserslautern aufgenommen. In den folgenden Jahrzehnten lernte er im deutschsprachigen Raum sowie in den USA diverse unterschiedliche Lehrarten des Freimaurertums von innen kennen und übte auch verschiedene Logenämter aus. Mittlerweile hat es ihn in die gemischte Freimaurerei verschlagen, wo er aktiver Teil der Loge „Sabina von Steinbach“ des Hochgradsystems des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus von Deutschland“ ist.

Im Laufe der letzten 5 Jahre hat Bruder Werner J. Kraftsik mehrere Bücher zum Freimaurertum veröffentlicht. Näheres hierzu findet Ihr auf seiner Homepage. Ich möchte hier aber nicht unterschlagen, dass seine Veröffentlichungen unter Freimaurern bisweilen auch polarisierten und es durchaus auch Freimaurer gibt, die diese kritisch sehen.

Das ändert nichts daran, dass ich viele der Impulse und Perspektiven des Bruders Werner J. Kraftsik als derart bereichernd empfinde, dass es mir eine Ehre ist, einen Teil davon auf meinem Blog veröffentlichen zu dürfen. Die folgenden Gedanken entstammen seinem aktuellsten Buch mit dem Titel „Licht – Ursprung und Ziel der Freimaurerei!“. Ganz bewusst lässt er diesen Blogartikel mit offenen Fragestellungen enden, um – so die Hoffnung – beim Leser eine Initialzündung für weitere eigene innere Reflektionsprozesse zu setzen.

Doch genug der Vorrede, lest einfach selbst…

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LICHT

Wer sich als Suchender, oder als Freimaurer, mit den in der Freimaurerei verwendeten Symbolen beschäftigt, stößt von Anfang an auf ein immer wiederkehrendes Symbol: LICHT! Eine neugegründete Loge wird mit einer „Lichteinbringung“ eröffnet. Jemand, der sich für die Freimaurerei interessiert, wird häufig als ein „Suchender nach dem „Licht“ bezeichnet. Die freimaurerische Initiation wird mit der „Lichterteilung“ vollendet. Eine ordnungsgemäß arbeitende Loge wird durch das Entzünden verschiedener Lichter „erleuchtet“ und das Ende der Arbeit einer Loge wird durch das Löschen der Lichter vollzogen. Welche Bedeutung Licht für Freimaurer hat, zeigt sich auch darin, mit welchen begleitenden Worten das Licht gelöscht wird:
„Lösch aus du Licht, die Arbeit ist vollbracht,
wer weisen Sinnes – fürchtet nicht die Nacht!
Und ist ihr Dunkel noch so schwarz, so dicht,
des Starken Wahlspruch ist: Durch Nacht zum Licht!
Wer Schönheit hat ist seither selbst gewiss,
ihm leuchtet selbst die Finsternis!“

Fragt man „Initiierte“ konkret danach, was das Licht für sie bedeutet, sind die Antworten oft eher wenig konkret und lauten z.B.: „Mir wurde es seinerzeit als Metapher für Erkenntnis beschrieben.“ Um welche Art Erkenntnis es sich handelt konnte nicht angegeben werden, weil das nie thematisiert worden sei, eine >Eigeninterpretation< lautete: „Aus dem Bauch heraus würde ich auf Selbsterkenntnis oder Bewusstsein (wie bei Prometheus) tippen, was automatisch zu der Frage führt, was man in sich erkennen soll?“ Auch eine Antwort: Es geht um das Streben nach Erkenntnis, sein Wissen erweitern, Ideen entwickeln, sich selbst und seine Fähigkeiten entdecken und ausbauen… Manche antworteten, sehr kryptisch: „Wer suchet, der findet“ und dokumentierten damit, dass neu eingeweihte Freimaurer mit solchen Antworten sich alleine gelassen fühlen müssen, und damit die eigene Ahnungslosigkeit bestätigt scheint und man diese Frage (Suche) als unangemessen empfindet. Manche Antworten weisen darauf hin, sich selbst in seiner geringen oder höheren Bedeutung zu erkennen und entpuppen sich als sehr allgemeine und im Grunde nichtssagende Erklärungen.

Was also ist Licht? Das für Menschen wahrnehmbare Licht ist ein relativ schmaler Teil der insgesamt sehr umfangreichen Elektromagnetischen Strahlung, die von Ultraviolett (Höhen- und Gammastrahlung) bis zu Infrarotstrahlung in den vielfältigsten Erscheinungsformen reicht. Die Ursache des Lichtes ist, wie die gesamte Existenz des uns bekannten Universums, im sogenannten „Urknall“ zu finden. Aus dieser Singularität dehnte sich die konzentrierte Energie aus, ließ Licht und Materie entstehen, legte sämtliche Naturgesetze fest und sorgte damit für das Entstehen von Allem.

Wenn Freimaurer heute das Licht als wesentliches Symbol ihrer Arbeit nutzen, dann ist dies nichts anderes als der Respekt vor der dahinter steckenden Schöpferkraft oder dem Prinzip als der Ursache allen Seins. Aus diesem Grund verehren Menschen das Licht als Symbol für diese Kraft in der Manifestation ihrer unterschiedlichen Gott-Vorstellungen. Freimaurer halten daher zu Recht das Licht für eine essentielle Voraussetzung ihrer Arbeiten, weil ohne Licht nichts existieren würde. Wenn Licht als die Ursache allen Seins erkannt wird, dann auch als die Ursache menschlichen Lebens, das folgerichtig sowohl als Materie, als auch aus Energie, als Teil des Gesamtspektrums, bestehen muss.

Damit werden, für mich, die Hinweise auf „den ewigen Osten“ sinnvoll, weil nach den bekannten Energieerhaltungssätzen Energie (unsere Körper sind materialisierte Energie) allenfalls umgewandelt, nicht aber zerstört wird. Wohin geht „unser Licht“ nach dem Ende unserer Materie? Kehren wir zurück zum Ursprung? Wie geschieht das und was geschieht dann? Gibt es so etwas wie eine Aufgabe, vielleicht sogar eine Art Kreislauf?

Welche Kraft steckt dahinter und können wir diese Kraft erkennen? Könnte es unsere Aufgabe sein, diese Kraft zu erkennen, sie zu nutzen um unser Hier und Jetzt im Sinn dieser Kraft zu verändern? Diese Kraft hat, für mich, einen Namen. Es scheint sinnvoll und zugleich „lohnend“ zu sein, danach zu suchen um damit zu arbeiten. Ich denke, wir könnten damit Antworten auf die Fragen dieser Welt finden.

(Werner J. Kraftsik,
12. März 2020)

Neuer Blog: Die Freimaurerei und ich

Ein neuer Stern ist am freimaurerischen Blogger-Himmel aufgegangen! Und was für einer! Die „Die Freimaurerei und ich“ nennt er sich. Vor einigen Monaten ging dieser Blog an den Start. Genau wie ich zieht auch dieser Blogger es aus nachvollziehbaren Gründen vor, anonym zu bleiben.

Auf seinem Blog erzählt er davon, wie er auf das Freimaurertum aufmerksam geworden war, sich der erste Kontakt zu einer realen Freimaurerloge hergestellt hatte und welche Eindrücke er als Außenstehender vom Freimaurertum im Allgemeinen und von dieser konkreten Loge im Besonderen gewonnen hatte. Schließlich beschreibt er, wie er Suchender wurde und endlich in die Bruderschaft der Freimaurer aufgenommen wurde. Fortan führt er die virtuelle Feder als waschechter Freimaurer.

Der Schreibstil des Blogs ist bisweilen lockerer und umgangssprachlicher, als man es aus freimaurerischem Hintergrund gewohnt ist. Da dies aber der inhaltlichen Tiefe und der Ernsthaftigkeit des Geschriebenen keinen Abbruch tut, ist eben dieser Stil nicht nur sehr erfrischend, sondern gleichzeitig auch die große Stärke sowie der Markenkern dieses Blogs.

Von der Aufmachung her würde ich den Blog als übersichtlich, modern und gleichzeitig edel beschreiben; sprich rundum gelungen. Und auch was das Bereitstellen von Inhalten und Wissen angeht, ist er jetzt schon eine wahre Schatzkammer freimaurerischer Vielfalt. Darüber hinaus kommen neben dem eigentlichen Urheber dieses Blogs auch weitere Freimaurer zu Wort.

Also schaut da gerne mal vorbei! Ich kann Euch diesen Blog nur wärmstens ans Herz legen! Möge dieser neue Stern am freimaurerischen Blogger-Himmel noch lange und hell strahlen!

21.01.2020: Blue Night – Freimaurer in Hamburg

Die Hamburger Logen des christlichen Freimaurerordens (Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland) öffnen am 21.01.2020 ab 19:30 Uhr anlässlich der ersten Blue Night in diesem Jahr wieder ihre Pforten!

Suchende oder einfach nur am Freimaurertum Interessierte haben die Möglichkeit, den besonderen Flair des altehrwürdigen Logenhauses in der Moorweidenstraße 36 in 20146 Hamburg zu genießen, Impulsen zum Thema „3 Freimaurer in 60 Minuten“ zu lauschen und mit Freimauern in Kontakt und Austausch zu kommen.

Hast Du Interesse daran? Dann kannst Du Dich hier anmelden. Hast Du noch Fragen dazu, dann schreib gerne.

Legende

Aus westlicher Richtung sollte ich das Heiligtum betreten. So wie unzählige Suchende und Neophyten vor mir. Die Sonne prangte über mir. Doch die mannigfach rötlichen Schleier, die sie über Himmel und Landschaft legte, zeugten davon, dass ihre Kraft am Schwinden war. Der Tag lag im Sterben. Die Dunkelheit und die Kälte der Nacht streckten ihre unerbittlichen Klauen nach allem aus, was sie zu fassen bekamen.

Ich trat auf das große, steinerne Portal mit dem massiven Holztor zu. Gesäumt wurde es von zwei Säulen. Davor stand ein älterer Mann in einer weißen Kutte. Auf seiner Brust ein rotes Tatzenkreuz, auf dem Kopf der hohe Hut des Magiers, in der Hand das Schwert des Kriegers. An der Klinge seines Schwertes tänzelten unzählige feurige Flammen. Ein voller Bart bedeckte den Großteil seines Gesichtes. Seine tiefblauen Augen blickten mich durchdringend an. „Wer bist Du?“, stieß er hervor. Ja, wer war ich? Verzweifelt rang ich nach einer Antwort. Doch es blieb nur mein Schweigen. „Woher kommst Du und wohin gehst Du?“, fragte der Wächter nun. Doch auch auf diese Fragen vermochte ich keine Antwort zu finden. Vielleicht erhoffte ich, sie hinter dem hölzernen Tor zu erhalten, das der Alte bewachte. Hilflos wich ich seinem Blick aus. Und wieder nur mein Schweigen. Unvermittelt jedoch trat der Alte beiseite und das Tor öffnete sich.

Nachdem ich es durchschritten hatte, blieb ich stehen. Und verharrte einen Augenblick lang. Vor mir breitete sich ein weiter Raum aus. Dieser wurde zu allen Seiten von gewaltigen, dunkelgrauen Steinmauern begrenzt, die sich schier unendlich in die Höhe erhoben. Ein atemberaubendes Gewölbe schloss diese Mauern zum Himmel hin ab. Eine Kathedrale. Bunte, langgezogene Fenster, die sich beinahe über die gesamte Höhe erstrecken, waren in die Wände eingelassen. Die untergehende Sonne schien in schummrigem Bunt durch sie ins Innere dieses Bauwerks. Am östlichen Ende stand ein massiver Altar. Auf diesem brannten drei Kerzen. Hinter dem Altar führte ein kleines hölzernes Tor ins Freie. Solche Tore existierten ebenfalls in der Nordwand sowie in der Südwand. Die ganze Kathedrale schien sich zu Gott empor zu strecken. Jeder Winkel flüsterte: „Ehre sei Gott!“

Jäh wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als das Tor, durch das ich diese Kathedrale betreten hatte, hinter mir rumpelnd ins Schloss fiel. Ich drehte mich um und rüttelte an seinem massiven Knauf. Doch das Tor war verschlossen. Kurz wallte so etwas wie Panik in mir auf. Hektisch blickte ich um mich. Die Sonne schien so gut wie untergegangen zu sein, denn undurchsichtige Dunkelheit breitete sich nun überall in der Kathedrale aus. Auch der nur noch schwache Schimmer, der durch die hohen Fenster fiel, änderte nichts mehr daran. Einzig der Altar im Osten wurde noch von den drei Kerzen erhellt. Eine unheimliche Ahnung ergriff von mir Besitz: Diese Kathedrale versank in Finsternis. Ich musste hier raus!

Eilig hastete ich zum Tor im Süden. Und riss es auf. Unverhofft sah ich mich einer in eine schwarzen Kutte gekleideten Gestalt gegenüber; die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie hielt einen kleinen wie spitzen Dolch in der erhobenen Hand. Urplötzlich stach sie auf mich ein. Mit beiden Händen gelang es mir, ihren Stoß abzufangen und die Hand, in der sie das Messer führte, festzuhalten. Durch die Wucht dieses Angriffs ging ich in die Knie. Die Gestalt presste den Dolch weiter in meine Richtung. Ich stemmte mich mit aller Gewalt dagegen. Meine Arme schmerzten zusehends. Langsam kam die Gestalt mit ihrem Gesicht dem meinen nahe, als wollte sie mich küssen. Als mich ihr eisiger Atem umwehte, erkannte ich ihr Gesicht: Es war mein Gesicht! Die Gestalt holte tief Luft. Mein Atem entwich meiner Lunge. Etwas abgrundtief Kaltes und unbeschreibliches Trauriges blieb zurück. Ich rang nach Luft. Doch da war keine Luft mehr. Panik! Die Gestalt saugte meinen Atem in sich auf! Mein Körper sackte zusammen. Kälte und Traurigkeit breiteten sich in mir aus. Und hinterließen taube Leblosigkeit. Tränen liefen meine Wangen hinunter. Schließlich konnte ich sehen, wie ein kleiner Lichtfunke durch meinen Mund meinen Körper verließ. Er schwebte geradewegs auf die schwarze Gestalt zu. Sie schien diesen Lichtfunken in sich aufzusaugen.

Unverhofft erblickte ich einen eisernen Kerzenständer, der neben mir auf dem Boden stand. Meine rechte Hand ließ den Arm der Gestalt los. Als ich nach dem Kerzenständer griff, ließ sie den Dolch in meinen Bauch gleiten. Schmerz durchfuhr mich. Blut quoll hervor. Ein donnerndes Rumoren dröhnte durch die Kathedrale. Ich nahm mein letztes bisschen Kraft zusammen und schleuderte den Kerzenständer in das Gesicht der Gestalt. Sie taumelte nach hinten. Und fiel zu Boden.

Ich sank in mich zusammen. „Steh auf und lauf!“, schrie etwas in mir. Plötzlich schlug ein massiver Steinquader krachend neben mir in den Boden ein. Splitter flogen durch den Raum. Ein Grollen begann den Raum zu erfüllen. Steine sowie Balken der Konstruktion des Dachgewölbes stürzten in die Tiefe. Risse taten sich im Steinboden auf. Die Mauern bröckelten. Die pompösen Fenster barsten. Die Kathedrale brach in sich zusammen! Ich musste hier raus! Taumelnd richtete ich mich auf. Und stolperte zum Tor im Norden. Das Dröhnen, das die Kathedrale durchzog, schwoll an.

Am Nordtor angelangt, drückte ich zitternd die Klinke herunter. Doch dahinter stand eine weitere Gestalt! Es durchfuhr mich! Sie war gekleidet wie die erste; die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Schlagartig holte sie mit ihrem Dolch aus und stach in die Richtung meines Kopfes. Sie traf mich an der Stirn. Ich stürzte rücklings zu Boden. Blut lief über mein Gesicht. Im nächsten Moment schon kniete die Gestalt auf mir. Unter ihrer Kapuze konnte ich wieder mein Gesicht erkennen. Verdammt, was nur hatte es damit auf sich?! Wieder entwich mein Atem meiner Lunge. Wieder diese Leblosigkeit, diese Kälte, diese Traurigkeit. Ich ergab mich.

Plötzlich bemerkte ich, wie ich langsam aus meinen Körper trat. Schließlich stand ich neben mir und dieser Gestalt, die auf mir kniete. Ich schaute zu, wie mich dieser Lichtfunke abermals verließ und auf die Gestalt zuschwebte. Etwas Wunderschönes, zutiefst Friedliches und gleichzeitig unendlich Liebevolles ging von diesem Funken aus. Sein Strahlen verbreitete Helligkeit und Wärme. So etwas Wundervolles hatte ich vorher noch nie gesehen. Ein Gefühl von überwältigender Ergriffenheit überkam mich. Ich sah, wie Tränen aus meinem Körper, der dort auf dem Boden lag, rannen. Für einen Moment stand die Zeit still. Und mir wurde bewusst: Dies hier ist mein Ende. Dieser Funke wird erlöschen, sobald er im Inneren der Gestalt angekommen ist.

Ein dumpfer Schlag durchfuhr meinen Körper. Ich ruckte zusammen. Und öffnete wieder die Augen. Jetzt lag die Gestalt regungslos auf mir. War sie tot? War sie bewusstlos? Teile der hölzernen Dachkonstruktion lagen auf ihr. Ich versuchte sie von mir wegzudrücken. Doch das Holz wog schwer. Ich mobilisierte meine letzte Kraftreserven. Ruck um Ruck zog ich mich unter der Gestalt hervor. Und bleib neben ihr liegen.

Keine Kraft mehr aufzustehen. Also kroch ich über den kalten Steinboden. Eine blutige Spur zog sich hinter mir her. Das Hinabstürzen und Zerschellen von massiven Holz- und Gesteinsbrocken erfüllte jetzt die gesamte Kathedrale und wuchs noch weiter an. Die Außenwände begannen in sich zusammenfallen und rissen die Reste des Daches mit sich. Überall schlugen Trümmer ein. Vom Eingang im Westen aus tat sich ein breiter Riss im Boden auf. Und arbeitete sich unaufhaltsam vor in Richtung Altarraum im Osten. Er hinterließ eine tiefe Schlucht. Ich musste durch das Osttor hindurch sein, bevor der Riss dort angekommen ist! Geschwächt und vor Schmerzen stöhnend robbte ich Meter für Meter voran. „Ergib Dich! Lass Dein Leben endlich los.“, flüsterte eine Stimme in mir. „Nein, niemals!“, befahl ich mir, „Niemals!“

Als ich am Tor im Osten ankam, drückte ich mit allerletzter Kraft seine Klinke herunter. Unter mir breitete sich langsam eine Blutlache aus. Mein Blut. Ich spürte, wie der Boden um mich herum langsam aufriss. Das Tor schwang knarrend auf. Und wieder stand solch eine schwarz gekleidete Gestalt vor mir! Sie stieß ihren Dolch in Richtung meines Herzens. Ich konnte den Stoß parieren, zunächst einmal. Doch langsam drückte sie fester. Bösartig lächelte mich mein eigenes Gesicht unter der Kapuze an. Plötzlich konnte ich den kalten Atem der Gestalt spüren. Wieder begann mein Atem meiner Kehle zu entweichen. Wieder drangen diese leblose Kälte und Traurigkeit in mich ein. Doch diesmal krallten sie sich in meinem Inneren fest. Ganz fest. Dieser winzig kleine Lichtfunken verließ abermals meinen Mund und schwebte auf die Gestalt hinzu. Mein letzter Lebenswille erlosch. „Es ist vorbei.“, ging es mir durch den Kopf, als die Gestalt ihren Dolch langsam in mein Herz rammte. Schmerz durchfuhr mich. Blut quoll hervor.

Das Letzte, was ich sah, war, wie alle drei Gestalten um mich herum knieten. Gierig und triumphierend. Im Eingang der Kathedrale stürzten die beiden Säulen um. Wenige Meter hinter uns brach der Altar in sich zusammen. Seine Kerzen erloschen. Der Boden unter uns gab nun nach. Ich verlor den Halt. Die drei Gestalten und ich rutschten in den Spalt, der sich berstend im Altarraum auftat.

Und fielen. Hinein in die Tiefe. Mein Schrei erstarb, noch bevor er meine Lippen verlassen konnte. Wir stürzten ins Dunkle. Aus meinem äußeren Schweigen wurde inneres Schweigen. Aus Dunkelheit wurde Finsternis. In beides tauchten wir ein. Tiefer und tiefer. Bis es uns ganz und gar verschlungen hatte. Stille.

Stille. Mein tauber Körper lag auf hartem Untergrund. Ich drehte mich nach links und stieß gegen Holz. Und als ich mich nach rechts drehte, ebenso. Ich wollte meinen Kopf aufrichten, doch auch nach oben wurde ich durch Holz begrenzt. Mein Bewusstsein verlor sich erneut im schweigenden Dunkel. Finsternis.

Schließlich wurde der Sargdeckel von außen geöffnet. Das warme Hell einer von Kerzen erleuchteten, steinernen Gruft fiel zu mir herein. Leblos und leer lag mein Körper da. Der alte Mann mit dem weißem Rauschebart und den hellblauen Augen stieg zu mir in den Sarg. Auf seinem Haupt noch immer der hohe Hut des Magiers. Das Schwert des Kriegers auf den Rücken geschnallt. „Erhebe Dich, Sohn!“, sprach er. Er setzte seinen rechten Fuß an meinen rechten Fuß und ergriff mit seiner rechten Hand meine rechte Hand. Und zog mich zu sich empor. Hierbei setzte er sein rechtes Knie an mein rechtes Knie, drückte seine Brust an die meine und legte seinen linken Arm von rechts um meine Schultern. So zog er mich zu sich heran. Dort standen wir. In inniger Umarmung. Ich zitterte am ganzen Leib vor Schwachheit und vor Schmerz.

Nun atmete der alte Mann tief ein, wobei er die Wortsilbe „JH“ wisperte. Hiernach atmete er lange aus, wobei er die Wortsilbe „WH“ wisperte. Neues Leben, nie gekannte Kraft und grenzenlose Freude durchströmten mich. Als der Alte dasselbe zum zweiten Mal tat, hatte sich mein Atem bereits mit dem seinen verbunden. Wir atmeten gemeinsam. Eins miteinander. Der Alte wisperte wieder beim Einatmen die Silbe „JH“ und beim Ausatmen die Silbe „WH“. Ich erhob mein Haupt. Das Zittern entwich meinem Körper. Beim dritten Mal atmeten wir gemeinsam ein und aus und ich flüsterte die Silben „JH – WH“ mit. Ich öffnete meine Augen.

Ich war nackt. Der alte Mann war nicht mehr da. Zu meinen Füßen lagen sein hoher Hut und sein Schwert, das in einer Schwertscheide steckte. Beides nahm ich an mich und schaute mich um. Anscheinend befand ich mich in einer Grotte oder einer Gruft. Die Wände bestanden aus steinernem Schutt und Geröll. Es waren die Trümmer der Kathedrale. Unzählige Kerzen tauchten alles in warmes und doch nur sehr spärliches Licht. Um den Sarg herum lagen die drei schwarzen Gestalten auf dem Boden. Regungslos. Waren sie tot? Was, wenn sie sich plötzlich erhoben? Hastig befestige ich den hohen Hut an der Schwertscheide, schnallte beides auf meinen Rücken und zog das Schwert. Dessen flammende Klinge erleuchtete diesen Ort. Die drei Gestalten lagen weiterhin leblos auf dem Boden. Meine suchenden Blicke fanden keinen Ausgang. Wie nur sollte ich diesen Ort wieder verlassen? Mein Blick wanderte hoch und verlor sich in einem schier endlosen Schacht, der nach oben führte. Am Ende dieses Schachtes erahnte ich den Schimmer von Licht. Wollte ich hier raus, musste ich den Schacht komplett emporklettern.

Also begann ich zu klettern. Aufwärts. Geröllstück um Geröllstück. In aller Vorsicht setze ich einen Fuß nach dem anderen. Es war schwer, sicheren Stand zu erlangen und mich festzuhalten. Doch Stück für Stück bewegte ich mich empor. Dem Licht entgegen. Manches Mal glitten meine Füße ab. Manches Mal stürzten Trümmerteile in die Tiefe. Das Gestein presste tiefe Furchen in meine Hände. Die Schwielen, die es hinterließ, rissen auf und begangen zu bluten. Meine Beine wurden schwächer und schwächer. Doch unaufhaltsam kam das Licht näher.

Schließlich erreichte ich das obere Ende des Schachtes. Die milde Luft eines frühlingshaften Morgens umwehte meine Nase. Und füllte meine Lungen. „Tritt heraus, Bruder!“, ertönte eine tiefe männliche Stimme. Eine Hand wurde mir entgegengestreckt. Ich ergriff sie und wurde aus dem Schacht gezogen. Die Hand gehörte zu einem kräftigen, kahlköpfigen Mann. Seine tiefbraunen Augen blitzten mich an. Ich sank auf meine Knie. Von mir ausgehend erstreckten sich saftige grüne Wiesen in alle Himmelsrichtungen. Sie waren durchsetzt von Blumen in den unterschiedlichsten Farben. In weiter Ferne waren Bäume und Wälder zu erahnen. Die noch sehr zarten morgendlichen Sonnenstrahlen tauchten die gesamte Landschaft in etwas Verheißungsvolles. Hoffnung. Einige Meter entfernt saßen weitere Männer um ein Lagerfeuer herum.

Irritiert schaute ich um mich. „Wo ist die Kathedrale?“ „Schau in Dich.“, antwortete der Mann. „Wo willst Du solch eine Kathedrale finden, wenn nicht in Dir?“ Seine Worte hallten in mir nach. Er zeigte auf die Männer am Lagerfeuer: „Schau um Dich. Wo willst Du solch eine Kathedrale finden, wenn nicht in Deinem Mitmenschen?“ Wieder hallten seine Worte in mir nach. „Schau über Dich. Wo willst Du solch eine Kathedrale finden, wenn nicht unter dem Himmelszelt, zwischen dem südlichen und dem nördlichen Horizont sowie dem westlichen und dem östlichen Horizont?“ Jetzt fielen mir die Wundmale auf, die der Mann an der Stirn, über dem Herzen sowie am Bauch trug. Unwillkürlich fasste ich mir an die Stirn und blickte an mir herunter. „Wir alle hier tragen dieselben Narben, auch Du. Denn wir alle sind denselben Tod gestorben. Die Verwundungen, die uns zugefügt worden sind, sind unsere Heiligen Wunden geworden.“

Wir setzten uns zu den Männern ans Lagerfeuer. Ein Laib Brot wurde von Bruder zu Bruder gereicht. Jeder riss sich ein Stück davon ab. Ebenso wurde ein Kelch roten Weins herumgereicht, aus dem jeder Bruder trank. „Wer bist Du?“, die Frage, die der Wächter mir gestellt hatte, bevor ich die Kathedrale betreten hatte, kam mir wieder in den Sinn. Jetzt konnte ich sie beantworten: „Ich bin Sohn. Ich bin Bruder.“

Alsbald stand der erste Mann auf und wandte sein Haupt gen Osten. Dorthin, wo die Sonne aufging. Dorthin, wo der Ursprung des Lichts lag. Denn dort lag unsere Bestimmung. Nach und nach standen auch die restlichen Männer auf und wendeten sich dem Osten zu. Und dann pilgerten wir los. Einer nach dem anderen. Dem hellen Licht der Sonne entgegen. Schließlich begann der erste Mann ein Lied anzustimmen. Einer nach dem anderen stimmten wir mit ein. Und dies war, was wir sangen:

„Bless the Lord, my Soul
and bless his Holy Name.
Bless the Lord, my Soul,
he rescued me from Death.
Bless the Lord, my Soul,
and bless his Holy Name.
Bless the Lord, my Soul,
he leads me into Light.“

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„Bei dem zitierten Lied „Bless the Lord, my Soul“
handelt es sich um einen Choral der Mönchs-Kommunität Taizé).

Initiation und Noviziat

Freitag, der 13.10.2017 war für mich persönlich ein ganz besonderer Tag. Es war der 710. Jahrestag der gewaltsamen Auflösung des Tempelritterordens. Und an diesem Tag haben wir einen Suchenden (einen Nicht-Freimaurer, der Freimaurer werden will), den ich als Paten begleite, im Rahmen einer rituellen Tempelarbeit in unsere Johannisloge „Carl zum Felsen“ aufgenommen. Das heißt, dass ich ihn auf seinem Weg ins Freimaurertum hinein und auch auf seinem Weg durch die ersten drei Johannisgrade des Freimaurertums im ganz besonderen Maße begleite und beistehe.

Wie der Zufall (sofern es ihn denn gibt) es so wollte, war ich an diesem Tag dran, im Rahmen dieser Tempelarbeit auch den Vortrag zu halten. Einen Vortrag, den ich ganz persönlich auf den Suchenden zuschneiden konnte und für den ich anschließend sehr positives Feadback erhalten habe. Daher will ich auf meinem Blog mal etwas Neues wagen und diesen Vortrag hier unverändert veröffentlichen (ich habe lediglich die Personalien des Suchenden durch „xxx“ ersetzt):

„Es hat Hände, die beschützen,
Hände, die heilen.
Was es sagt, ist unaussprechlich,
es lebt zwischen den Zeilen.

Es erträumte diese Welt,
ist Erbauer und Zerstörer.
Es ist der Atem allen Atems,
es bringt den Tod, doch ist kein Mörder.

Es nimmt Dich mit auf Reisen
in den Weltraum Deiner Seele.
Es lässt Dich nach Dir suchen,
lässt uns spüren, dass wir leben.

Es kennt jedes Geheimnis,
es redet, doch bleibt stumm,
es enthüllt nicht seine Wahrheit,
es bleibt Mysterium.“

Hochwürdiger Meister,
würdige und geliebte Brüder,
lieber Bruder xxx!

Die Zeilen, die ich gerade vorgelesen habe, kennst Du wahrscheinlich bereits. Sie stammen aus der Feder der Rockband „Böhse Onkelz“. Doch wovon singen sie, wenn sie Worte benutzen wie „Es ist der Atem allen Atems“, „Es nimmt Dich mit auf Reisen in den Weltraum Deiner Seele. Es lässt Dich nach Dir suchen, lässt uns spüren, dass wir leben“ oder „Es redet, doch bleibt stumm“, „Es bleibt Mysterium“?

Ich glaube, die Böhsen Onkelz versuchen da etwas in Worte zu fassen, was viel zu groß und viel zu umfassend ist, als dass man es mit Worten beschreiben könnte. Etwas, das mit dem Kopf nicht verstanden werden kann, sondern erlebt werden muss. Ich würde es als „Mysterium des Lebens“ umschreiben. „Das große Geheimnis des Lebens“.

Interessanterweise verfügten alle alten, vorinstitutionellen Kulturen über archaische Initiationsriten für ihre jungen Männer. Eine Aufgabe dieser Riten war es, den jungen Mann in genau dieses große Mysterium des Lebens einzuweihen.

Auch das, was Du, lieber xxx, hier heute erlebt hast, ist ein Initiationsritus. Du bist eingeweiht worden. Und das in zweierlei Weise. Zum einen bist Du aufgenommen worden in den christlichen Freimaurerorden. Zum anderen hast Du den ersten Schritt gemacht auf einem Initiationsweg, der sich über zehn Grade erstreckt. Ich gebe zu, man muss lange suchen, um zu den archaischen Wurzeln Deiner heutigen Initiation zu gelangen. Denn der Aufnahmeritus in den Freimaurerorden ist sehr gezähmt, sehr geordnet und mit Symbolik nahezu überfrachtet.

Als ich aufgenommen worden war, war ich ein wenig enttäuscht. Denn das rituelle Erleben hatte ich nicht als so mächtig erlebt, wie die Brüder es mir auf den Gästeabenden immer vorgeschwärmt hatten. Und dann war ich etwas überfordert von dieser Flut an Zeichenhandlungen und Symbolen, die da über mich hereingebrochen war. Ich fühlte mich, als säße ich vor einem großen Haufen Fragezeichen. Es waren eher einzelne, kleine Momente meiner Aufnahme, die mich berührt hatten und in mir noch nachklingen sollten.

Ich weiß nicht, lieber xxx, wie es Dir gerade geht. Nimm Dir Zeit, um das, was heute mit Dir passiert ist, sacken zu lassen. Bist Du enttäuscht von Deiner Aufnahme? Bist Du tief bewegt? Oder weißt Du noch gar nicht, wie Du Dich fühlen sollst? Das alles ist in Ordnung. Jede Emotion hat ihre Berechtigung.

Eine uneingeschränkte Zusage kann ich Dir allerdings machen: Egal wie Du Dich fühlst und egal, was Du auch fühlst: Ab heute bist Du Teil des christlichen Freimaurerordens. Das kann Dir keiner mehr nehmen. Punkt. Ich betone ganz bewusst, dass Du in einen Orden aufgenommen worden bist. Das hier ist kein humanistischer Philosophier-Club. Das hier ist ein geistlich-spiritueller Orden. Und dieser steht auf dem Fundament der Lehre Jesu Christi, wie sie im neuen Testament der Bibel überliefert ist und wie man sie auch im apokryphen Thomasevangelium wiederfindet.

Wenn Du diese Idee des „christlichen Ordens“ bis zu ihren Wurzeln zurückverfolgst, wirst Du irgendwann auf die christlichen Mönchsorden im Zeitalter der Romanik stoßen. Insbesondere der Orden der Benediktiner ist hier hervorzuheben. Denn unter anderem dieser Orden war es, der damit begann, sakrale Kloster-Bauten zu errichten. Und aus diesen bauenden Mönchen gingen schließlich die Bauhütten hervor, die die Sakralbauten des Mittelalters erschufen. Und von diesen wiederum hat das Freimaurertum einen Großteil seiner Bilder und Symbole übernommen.

Der andere Orden, auf den Du stoßen wirst, ist der Tempelritterorden. Der Logenmeister deutete dies an, als er Dich zum „Freimaurer-Ritter“ aufnahm. Es ist der Orden, der aus Mönchs-Rittern bestand. Dessen Anfänge eng mit dem salomonischen Tempel in Jerusalem verknüpft sind. Und exakt heute vor 710 Jahren ist er auf hinterhältige Weise vernichtet worden. Du, lieber xxx, warst es, der mich auf diese Bedeutung, die dem heutigen Tage innewohnt, aufmerksam machtests, als wir uns über Deine Aufnahme unterhielten. Und ich kann Dir versprechen: Je höher Du in den Graden des Freimaurerordens aufsteigst, desto mehr wird sich auch die Idee der christlich-spirituellen Ritterschaft des Templerordens herausbilden.

Doch jetzt bist Du im Grad des Johannislehrlings. Vergleicht man den christlichen Freimaurerorden mit besagten Mönchs- und Ritterorden, so hat für Dich heute Deine Zeit als Novize begonnen. Das heißt: Ordne Dich unter. Beobachte. Und stelle Fragen. Sei offen und lerne. Nutze den Grad des Johannislehrlings als Dein persönliches Noviziat. Lerne ein Lernender zu sein. Und bewahre Dir diese Fähigkeit für den Rest Deines Lebens.

Zwei Sachen sind von nun an besonders wichtig auf Deinem Weg: Das freimaurerische Ritual und die freimaurerische Literatur dazu. Das Ritual soll Deine emotional-intuitive Seite berühren und die Literatur Deine rational-verstandesgemäße. Herz und Verstand. Oder Gewissen und Vernunft, wie es hier im Ritual genannt wird. Nur, wenn Du auch diese beiden Seiten bedienst, wirst Du freimaurerisch wachsen.

Daher: Besuche das Ritual. Zunächst wird es sich noch ungewohnt, fremd und unsicher anfühlen. Doch mit zunehmender Dauer wirst Du in diesem Ritual ankommen und Dich in diesem Ritual heimisch fühlen.

Und: Lies, was Dir an Literatur an die Hand gegeben wird. Du wirst nachher ein Heft von Otto Hieber erhalten. Otto Hieber ist ein Bruder, der von 1840 bis 1930 lebte und sich die Mühe gemacht hat, unser Ritual und unsere Symbolik auszulegen. Es gibt Brüder, die sich davor drücken, den Hieber zu lesen und begründen dies gerne damit, dass dieser so kompliziert geschrieben sei. Ich kann Dir nur empfehlen, Dich auf den Hieber einzulassen. Denn er gibt Dir eine erste Ahnung davon, was wir hier im Ritual machen. Er gibt Dir die erste Richtung vor. Er gießt sozusagen das Fundament Deines freimaurerischen Weges. Und wenn das Fundament irgendwann gelegt ist, wirst Du feststellen, dass es noch andere Auslegungen des Rituals gibt, die ebenfalls ihre Berechtigung haben. Und Du wirst lernen, die Interpretationen des Hieber kritisch zu hinterfragen.

Doch am allerwichtigsten, lieber xxx, ist: Nimm Dir die Zeit und die Ruhe nachzufühlen, welche ganz eigenen Resonanzen Symbol und Ritual in Deinem Innern hervorrufen. Dies hat mindestens die gleiche Berechtigung, wie alles, was andere über das Ritual schreiben oder erzählen. Höre tief in Dich hinein.

Denn eins kann ich Dir hier und jetzt offenbaren: Alles, was Du heute äußerlich rituell erlebt hast und was Du auch später äußerlich rituell erleben wirst, ist letztendlich ein Bild für Vorgänge, die sich in Deinem Inneren vollziehen sollen. Symbol und Ritual drücken letztendlich einen inneren Weg aus.

Lieber Bruder xxx, es sind heute eine Menge Worte zu Dir gesprochen worden. Es sind Dir eine Menge Symbole begegnet. Und es sind eine Menge rituelle Handlungen an Dir vollzogen worden. Auf Deinem weiteren freimaurerischen Weg wirst Du Dir nach und nach erschließen, was da heute mit Dir passiert ist.

Drei Dinge habe ich mit meinen Worten in diesem Vortrag versucht, Dir mit auf den Weg zu geben. Nämlich:
– Gehe Deinen freimaurerischen Weg mit Emotion und Ratio, mit Gewissen und Vernunft, mit Herz und Verstand.
– Lerne ein Lernender zu sein und zu bleiben.
– Lerne, sämtliche Symbole und die Rituale als etwas zu verstehen, was sich in Deinem Inneren vollziehen soll.

Vielleicht wirst Du dann auf Deinem freimaurerischen Weg mit dem in Berührung kommen, was ich zu Beginn als „Mysterium des Lebens“ versucht habe zu umschreiben. Das, was die Böhsen Onkelz wie folgt umschreiben:
„Es nimmt Dich mit auf Reisen,
in den Weltraum Deiner Seele.
Es lässt Dich nach Dir suchen,
lässt uns spüren, dass wir leben.
Es kennt jedes Geheimnis,
es redet, doch bleibt stumm,
es enthüllt nicht seine Wahrheit,
es bleibt Mysterium.“

Oder wie die Böhsen Onkelz an anderer Stelle singen:
„Das Leben war die Antwort
und ich stellte viele Fragen,
und dieses endlose Geheimnis
hatte unendlich viel zu sagen.“

Es geschehe also!