05.04.2022: Blue Night – Freimaurer in Hamburg

Am 05. April 2022 um 19:00 Uhr findet im Logenhaus der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (Freimaurerorden) in der Moorweidenstraße 36 in 20146 Hamburg die nächste Blue Night statt!

Die Blue Night ist ein Format, das sich an Freimaurer, an Suchende und an an der Freimaurerei Interessierte gleichermaßen richtet. Nach nur wenigen Veranstaltungen dieser Art, haben sich die Blue Nights lehrartsübergreifend zu einem regelrechten Geheimtipp innerhalb der deutschen Freimaurerei entwickelt.

Herzstück des Abends wird ein Vortrag des Ordensmeisters der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Dr. Uwe Matthies, bilden. Inhaltlich wird er sich der Beziehung des Freimaurertums zur Religion widmen. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf das Verhältnis von Katholischer Kirche und Freimaurertum gerichtet werden. Auf der Homepage der Blue Night wird der Inhalt des Vortrags wie folgt umschrieben: „In dem Vortag „Freimaurerei und Religion“ spannt Herr Dr. Matthes den Bogen von den christlichen Wurzeln der Freimaurerei, über ihre weltanschauliche und religiöse Ausdifferenzierung sowie vom Kampf zwischen Kirche und Loge bis zu ihrer Aussöhnung. Der Referent betont dabei auch die Alleinstellungsmerkmale der überkonfessionellen, undogmatischen und nicht kirchlichen christlichen Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland seit ihrer Gründung vor über 250 Jahren.“

Auch an diesem Abend wird nach dem Vortrag wieder die Möglichkeit bestehen, in entspannter Atmosphäre und beim Getränk der eigenen Wahl, zum Gehörten ins Gespräch zu kommen.

Wenn Du Interesse an dieser Veranstaltung hast, kannst Du Dich hier anmelden.

Wolfstieg-Gesellschaft

Im Jahr 2020 ging ein verheißungsvoller, unter Freimaurern jedoch auch kontrovers diskutierter Stern am freimaurerischen Himmel auf: Die unabhängige Forschungsgesellschaft Wolfstieg-Gesellschaft. Sie betritt insofern Neuland, als dass sie sich mit ihrem Angebot sowohl an Nicht-Freimaurer*Innen, als auch an Freimaurer*Innen der verschiedenen Lehrarten und Erkenntnisstufen wendet. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie legte die Wolfstieg-Gesellschaft ein hohes Maß an Flexibilität und Innovation an den Tag, weil sie innerhalb kürzester Zeit eine große Bandbreite an regelmäßigen Online-Veranstaltungen auf die Beine stellte. Doch auch das analoge Angebot lässt sich sehen: Vorträge, Workshops, Kolloquien, Seminare und Bücherveröffentlichungen. Mitglieder erhalten jährlich zwei Bücher und zwei Online-Magazine. Parallel wird eine im stetigen Wachstum begriffene Online-Bibliothek aufgebaut.

Wenn Ihr mehr über die Wolfstieg-Gesellschaft erfahren wollt, stöbert gerne ein wenig auf deren Homepage. Wenn Ihr Interesse an ihrem Angebot habt, könnt Ihr Euch dort in entsprechende Verteiler aufnehmen lassen. In Zukunft werde ich auf meinem Blog immer mal wieder von den Veranstaltungen der Wolfstieg-Gesellschaft berichten.

Für Außenstehende wahrnehmbar vorangetrieben wird die Wolfstieg-Gesellschaft von den Freimaurern Giovanni Grippo und Markus Schlegel.

Markus Schlegel ist 1979er Jahrgang und seit 2014 Freimaurer. Seit mehreren Jahren bringt er sich an unterschiedlichen Stellen in seine Großloge „American Canadian Grand Lodge von Deutschland“ ein und wurde für sein Engagement wiederholt ausgezeichnet. Darüber hinaus arbeit(e) er als Mitautor, Lektor und Kommentator an der Veröffentlichung mehrerer freimaurerischer Publikationen mit.

Giovanni Grippo ist 1978 geboren und seit 2000 Freimaurer. Seitdem brachte er sich auf verschiedene Weise in seine Großloge „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ (Christlicher Freimaurerorden) ein und bekleidete hier unter anderem die Ämter des Johannislogenmeisters sowie des Andreaslogenmeisters. Er ist Schriftsteller, der unter anderem diverse Bücher veröffentlicht hat, Verleger (Grippo Verlag) und Essayist. Sein ganz besonderer, persönlicher Schwerpunkt liegt in der jüdischen Mystik, der Kaballa.

INTERVIEW MIT MARKUS UND GIOVANNI:

Mit beiden habe ich mich unterhalten; gerade auch über die Fragen, in denen die Wolfstieg-Gesellschaft polarisiert.

Hagen Unterwegs:
„Was ist das Angebot der Wolfstieg-Gesellschaft?“

Markus Schlegel:
„Wir haben zum einen Angebote für Mitglieder, für Freimaurer/innen im jeweiligen Grad sowie Angebote für Nichtfreimaurer/innen. Jedes Mitglied erhält jedes Jahr mindestens zwei Bücher, zwei Online-Magazine und Zugang zu einer stetig wachsenden Online-Bibliothek. Zum anderen veröffentlichen wir Bücher nur für Freimaurer im jeweiligen Grad und veranstalten regelmäßige Online-Vorträge, Online-Instruktionen und Online-Workshops, sowie Präsenz-Kolloquien und noch mehr, wenn Corona es zulässt. Hierfür haben wir getrennte Einladungs-Verteiler für Freimaurerinnen, Freimaurer und gemischte Freimaurer sowie einen öffentlichen Verteiler für Nichtfreimaurer/innen.“

Hagen:
„An wen richtet sich die Wolfstieg-Gesellschaft?“

Markus:
“An jeden, der sich für die Freimaurerei, vergleichbare Organisationen und angrenzende Themen interessiert. An jeden, der die freimaurerische Diskussionskultur schätzt und erleben möchten.“

Hagen:
„Welche Lücke in der gesamten freimaurerischen Landschaft in Deutschland soll die Wolfstieg-Gesellschaft schließen?“

Markus:
„Die Wolfstieg-Gesellschaft e. V. ist kein Lückenfüller. Die freimaurerische Landschaft in Deutschland ist und war es im Grunde schon immer, eine Zusammenstellung der unterschiedlichsten freimaurerischen Systeme. Nicht nur, dass wir fünf verschiedene anerkannte Großlogen – eine weltweit einmalige Situation – in einem Land haben, sondern den Logen wird durch deren Großlogen, die Nutzung von mehreren Dutzend unterschiedlicher historischer Rituale ermöglicht. Hinzu kommen mehrere gemischte Großlogen und derzeit eine Großloge nur für Frauen. Die Wolfstieg-Gesellschaft möchte eine Brücke zwischen den Systemen bieten, sowie den Logen und Großlogen Handwerkszeug für die tägliche Arbeit in Form von Instruktionen, Vorträgen und Hilfestellungen zur Verfügung stellen.
Wir sehen unseren aktuellen Forschungsauftrag in der Gegenwarts- und Zukunftsforschung. Daher haben wir in den letzten 18 Monaten unterschiedliche Instruktionen und auch ein Konzept für Gästeabende ausgearbeitet. Im kommenden Jahr werden wir uns intensiv mit historischen Instruktionen aus dem 19. Jahrhundert und der Zukunft der Freimaurerei beschäftigen. Hier werden wir das ganze Jahr eine FM-EXPO 2022 mit Vorträgen, Diskussionen und Umfragen veranstalten. Alle Vorträge und Umfragen werden wir im Anschluss in einem EXPO-Buch veröffentlichen.

Hagen:
„Mögt Ihr hier einmal nachzeichnen, wie es zur Gründung der Wolfstieg-Gesellschaft gekommen ist?“

Giovanni Grippo:
„Anfang 2018 suchte eine kleine Gruppe von Freimaurerinnen und Freimaurern nach unabhängigen freimaurerischen Forschungsprojekten, die nicht bereits von anderen bereits existierenden Gesellschaften/Logen/Vereinigungen/Vereinen unterstützt wurden.
Ende 2019 entstand zudem der Wunsch, einen Verein zu gründen, der die freimaurerisch-wissenschaftliche Forschung fördert und die nichtfreimaurerische Öffentlichkeit über die Freimaurerei aufklärt, indem z.B. öffentliche Vorträge, Online-Meetings und Kolloquien veranstaltet werden. Es ging also um eine neutrale Plattform auf der sich Freimaurer und Nichfreimaurer auf Augenhöhe austauschen können. Schließlich nahmen Anfang 2020 Mitglieder dieser Forschergruppe an Online-Meetings der »V-Loge« teil. Denn Covid19 war ausgebrochen.
Daraus entstand zunächst eine Zusammenarbeit mit der Aufgabe, verschiedene in- und ausländische Forschungskreise, -gesellschaften und -logen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu bewegen und das durch die Unterstützung der »V-Loge«.
Die Wolfstieg-Gesellschaft ist damit kein Kind der Covid19-Pandemie, aber sie kam genau zur richtigen Zeit.

Hagen:
„Was waren die Motive, die zur Gründung der Wolfstieg-Gesellschaft führten?“

Giovanni:
Vorab möchte ich sagen, dass sich die Mitglieder nicht nur als Förderer der unabhängigen Forschung verstehen, sondern auch als Mitgestalter einer besseren und gemeinsamen Zukunft, die aus der Erforschung der Vergangenheit resultiert.
Wir sind 2018/2019 auch in Gesprächen mit Quatuor Coronati getreten. Es ging dabei um den Zirkel Baden-Kurpfalz. Dort hatten wir vor Gründung der Wolfstieg-Gesellschaft unsere Unterstützung in Bezug zum freimaurerischen Schlossgarten in Schwetzingen angeboten. Das wurde leider nicht angenommen.
Als sich im März 2020 zeigte, dass der Bedarf an Online-Meetings (Instruktionen, Vorträge und Vergleiche) stark anwachsen würde, entschieden sich die Gestalter der V-Loge und andere Logen-Teilnehmer dem Ganzen einen formellen Rahmen zu geben. Dabei stießen wir auf die freimaurerische Persönlichkeit August Wolfstieg und die »Wolfstieg-Gesellschaft« von 1913. Ihr Auftrag bettet sich in der Geschichte der damaligen Gesellschaft ein und stellte sich als perfektes Transportmittel für unseren heutigen Förder- und Forschungsauftrag.“

Hagen:
„Warum habt Ihr ausgerechnet den Namen Wolfstieg-Gesellschaft gewählt?

Giovanni:
“Wir wollten dem Freimaurer August Wolfstieg ein Denkmal setzen.
1899 wurde August Wolfstieg in die Loge „Pythagoras zum flammenden Stern“ in Berlin aufgenommen und bekleidete dort von 1901 bis 1904 das Amt des Vorsitzenden Meisters. 1901 hat er die erste Bibliothekarinnenschule gegründet und in seinem fünfbändigen Werk „Werden und Wesen der Freimaurerei“ (1920-1922) ein an Historizität zuvor nicht dagewesenes Gesamtwerk für die Nachwelt erarbeitet. 1926 wurde vier Jahre nach seinem Tod die ursprünglich 1913 gegründete Fördergesellschaft nach ihm benannt. Die Wiedergründung 2020 erfolgte in Gedenken an ihn und an sein Lebenswerk.“

Hagen:
„Im Zusammenhang mit dem Namen „Wolfstieg-Gesellschaft“, die ursprünglich 1913 gegründet und im Nationalsozialismus aufgelöst worden war, wurde die Kritik laut, dass Ihr Euch mit der (Neu-)Gründung dieser Gesellschaft im Jahr 2020 „ins gemachte Nest gesetzt“ habt und eine historische Kontinuität suggeriert, die es in der Form gar nicht gibt.“

Markus:
„Ja, das hat uns sehr überrascht. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Freimaurer kannten August Wolfstieg gar nicht, bevor die Gesellschaft wiedergegründet wurde. Schade finde ich, dass viele Kritiker häufig an keinem einzigen Vortragsabend teilgenommen haben. Ich würde mir wünschen, an unserer Leistung und nicht an unserem Namen gemessen zu werden. Über unsere Vorträge, Bücher und Handreichungen habe ich noch keine vergleichbare Kritik gehört.“

Hagen:
„Von dem Namenspatron Eurer Gesellschaft – Wolfstieg – sind Zitate überliefert, aus denen ein antisemitisches Weltbild spricht und die innerhalb der Freimaurerei eine intolerante Absolutierung der christlichen Richtungen gegenüber den humanistisch-aufgeklärten Richtungen erkennen lassen. In diesem Kontext nochmal meine Frage: Warum habt Ihr ausgerechnet Wolfstieg als Namensgeber gewählt?“

Giovanni:
„Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts fand bei den preußischen Großlogen (die über 80% der deutschen Freimaurer ausmachten) das „Nur-Christen-Prinzip“ Anwendung. August Wolfstieg war Mitglied der preußischen Großloge Royal York zur Freundschaft und vertrat damit eine zu der Zeit übliche Meinung. Diese Meinung hat sich längst überholt und die heutige Wolfstieg-Gesellschaft hat ein interreligiöses, interkulturelles, interkonfessionelles und öbedienzübergreifendes Angebot.“

Hagen:
„Was soll die Wolfstieg-Gesellschaft leisten, was nicht auch die etablierten Forschungslogen wie „Frederik“ und „QC“ leisten können?“

Markus:
„Ich würde lieber sagen, was wir leisten möchten. Wie bereits erwähnt, möchten wir kein Gegenangebot darstellen und streben Kooperationen an.“

Hagen:
„Grundsätzlich würde ich die Verantwortung, die Brüder freimaurerisch zu schulen, bei den Großlogen verorten. Wieso habt Ihr Euch mit der Wolfstieg-Gesellschaft nicht einer der bestehenden Großlogen angeschlossen?“

Markus:
„Das sehe ich nicht so. Die Aufgabe der Instruktion liegt bei der Loge und je nach System meist bei den Aufsehern oder dem Meister vom Stuhl. Die Großlogen wachen über das Ritual und schaffen organisatorische Strukturen. Ich kenne keine Großloge, die im größeren Stil selbst Instruktionen durchführt. Unser Ziel ist es, die Logen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Außerdem schaffen wir nur ein Angebot. Niemand ist verpflichtet unsere Veröffentlichungen zu lesen oder zu nutzen. Wie stellen den Logen und Großlogen auch die Instruktionen kostenfrei zur Verfügung.“

Hagen:
„Wie gewährleistet die Wolfstieg-Gesellschaft einen wissenschaftlichen Anspruch? Gibt es beispielsweise einen wissenschaftlichen Beirat oder anderweitige Qualitätskontrollen?“

Giovanni:
„Das seht in unserer Satzung unter §8, Punkt 6: „Der Vorstand wird bei wissenschaftlichen Vorhaben und Veröffentlichungen von einem Beirat unterstützt.“ – Wobei ich betonen möchte, dass die Wolfstieg-Gesellschaft hauptsächlich die unabhängige Freimaurerforschung fördert.“

Hagen:
„Wie ist das Verhältnis der Wolfstieg-Gesellschaft zu den Vereinigten Großlogen in Deutschland und den einzelnen Großlogen, die in der VGLvD organisiert sind?“

Markus:
„Als freimaurerische Forschungsgesellschaft, sehen wir uns als Partner der Großlogen. In den letzten 18 Monaten gab es ausschließlich positive Kontakte zur VGLvD. Wir würden uns eine engere Zusammenarbeit in Zukunft wünschen.“

Hagen:
„Wie ist das Verhältnis der Wolfstieg-Gesellschaft zu den etablierten Forschungslogen?“

Giovanni:
„Ich würde das erst einmal nur als eine Art Koexistenz bezeichnen. Im zweiten Schritt sieht man, wie ergänzend die Wolfstieg-Gesellschaft zu den etablierten Forschungslogen/-vereinigungen steht. Wir haben seit März 2020 über 300 Online-Meetings sowie 3 Präsenz-Kolloquien und 3 regionale Kolloquien durchgeführt. Die anderen haben sich eher auf traditionelle Treffen konzentriert. Die Wolfstieg-Gesellschaft beschreitet also neue und unkonventionelle Wege im Vergleich zu den etablierten Forschungslogen.“

Hagen:
„Was für Resonanz habt Ihr bislang auf die Gründung der Wolfstieg-Gesellschaft erhalten?“

Markus:
„Von den Teilnehmern der Kolloquien, Vortrags- und Instruktionsabenden haben wir ausschließlich positive Rückmeldungen erhalten. Das spiegelt sich auch in den stetig wachsenden Mitgliederzahlen wieder.“

Hagen:
„Was ist Eure Vision für die Wolfstieg-Gesellschaft? Wo wollt Ihr mit dieser Gesellschaft mal hin?“

Giovanni:
„Unsere Vision ist es, ein Netzwerk für die unabhängige Freimaurerforschung zu schaffen sowie dem Dialog zwischen Freimaurern und Nichtfreimaurern eine Plattform zu bieten. Wir möchten freimaurerische Werke, Kunst, Denkmäler, Gärten und Installationen wiederentdecken und erforschen, auch die, die in Vergessenheit geraten sind. Wir möchten durch die Gegenwartsforschung die Freimaurerei auch von Verschwörungstheorien und Diffamierungen befreien, die zurzeit im Umlauf sind.“

Hagen:
„Ich danke Euch für das Gespräch.“

#Gedanke: Seine Tore öffnen

„Es wäre gut,
wenn auch der Freimaurerbund
sich darauf besänne,
welchen Suchenden,
Darbenden,
Verkannten
und Verwirrten
er wohl seine Tore öffnen müsste,
um der Gefahr zu entgehen,
eine Gesellschaft
von Selbstgerechten,
auf ihre Verdienste pochende Reichen
zu werden.

Die Gesunden
bedürfen des Arztes nicht,
aber die Kranken!“

(August Horneffer)

Spirituelle Heldenreise

DER GARTEN EDEN

Ziemlich zu Beginn der Bibel kann man eine interessante Geschichte lesen: Die ersten beiden Menschen, Adam und Eva, leben, nachdem sie von Gott geschaffen worden waren, in einem paradiesischen Garten. Dem Garten Eden. Ein Garten, in dem Gott ein- und ausgeht.

Ich habe keine Ahnung, ob diese Geschichte ein historischer Tatsachenbericht ist, ein Märchen oder irgendwas dazwischen. Was ich an ihr aber ansprechend finde, ist das Bild, das sie malt. Das Bild von einer unschuldigen Ursprünglichkeit, einer Harmonie mit allem Geschaffenen und eines Eins-Sein mit dem Göttlichen, in das die ersten Menschen eingewoben sind.

Doch die Geschichte geht weiter: Der Mensch verliert diesen harmonischen Urzustand und wird aus diesem paradiesischen Garten vertrieben. Danach findet er sich in der Welt wieder, die uns Tag für Tag umgibt und deren Gesetzmäßigkeiten wir unerbittlich unterworfen sind. Eine Welt, in der ein Großteil der Menschen wie gefangen in einem Kokon vor sich hin existiert und sich des eigenen Ursprungs überhaupt nicht mehr bewusst ist.

DAS WESEN DER HELDENREISE

Auf gewisse Weise stellt der Verlust des Gartens Eden den Startpunkt eines jeden menschlichen Lebens dar. Und gleichzeitig auch den Startpunkt eines jeden spirituellen Weges.

Der Mensch trägt dieses Erbe der Ursprünglichkeit, der Harmonie mit allem Geschaffenen und des Eins-Sein mit dem Göttlichen nach wie vor in sich. Dieses Erbe ist gleichzeitig seine Bestimmung. Doch der Kokon, in dem der Mensch eingeschlossen ist und in dem er sich allzu wohlig eingerichtet hat, sorgt dafür, dass er sich dessen nicht mehr bewusst ist.

Allerdings führt das Leben den Menschen immer wieder in Situationen der Krise, die ihn heraus aus seiner Komfortzone und an seine Grenzen führen. Situationen, in denen der Mensch nicht länger stark ist oder die Kontrolle hat. Diese Situationen – oder besser: diese Orte – nannten die alten Initiationsriten Schwellenräume. Diese Schwellenräume stellen den Menschen immer wieder aufs Neue vor die Entscheidung, ob er aufwachen und seiner Bestimmung folgen will. Oder ob er sich noch tiefer in seinen Kokon zurückziehen will. Der Schwellenraum ist ein schmerzhafter und beängstigender Ort. Doch dieser Ort birgt das Potenzial in sich, ein Heiliger Ort zu werden.

Die Überlieferungen der Menschheit erzählen uns davon, dass es in allen Kulturen und zu allen Zeiten einzelne Menschen gab, die aufwachten, nachdem das Leben sie in solche Schwellenräumen geführt hatte. Sie ließen zu, dass etwas ihren Kokon durchbrach, ihnen den Schleier vor ihren Augen hinweg nahm, sie aus ihrem Tiefschlaf riss.

Mit einem Mal, inmitten all ihrer Kontrolllosigkeit und Schwachheit, wurden sie sich eines leisen Wisperns bewusst, das die gesamte Schöpfung durchzieht. Und dieses Wispern erzählte ihnen von dieser tiefen Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, nach der Harmonie mit allem Geschaffenen, nach dem Eins-Sein mit dem Göttlichen. Dieses Wispern war schon immer da gewesen. Doch erst jetzt nahmen sie es wahr. Und mehr noch: Sie spürten, dass dieses Wispern auf eine tiefe und unaussprechliche Weise Resonanz in ihnen erzeugte. Es war nicht nur das Wispern der Schöpfung um sie herum, nein, es war gleichzeitig auch das Wispern ihres eigenen tiefsten Seelengrundes.

Also brachen diese Menschen auf. Und folgten diesem Wispern, dieser Sehnsucht und damit ihrer eigenen Bestimmung. Sie begaben sich auf ihre ganz persönliche Heldenreise. Und diese sollte sie tief hinein ins Fremde, in die entlegensten Landstriche führen. Auf dieser Reise hatten sie mit Monstern, Riesen und wilden Tieren zu kämpfen und mit Geistern und Schatten zu ringen. Sie mussten manche Prüfung bestehen. Sie mussten hinabzusteigen in die Dunkelheit und hinauf auf den Gipfel des höchsten Berges. Und auf dieser Reise schlussendlich wurden sie tödlich verletzt und starben schließlich.

Denn nur wenn diese Menschen ihrem eigenen Tod gegenübertraten und durch ihn hindurchschritten, wenn sie das Mysterium von Tod und Auferstehung durchlitten, nur dann brachen sie durch zu ihrer eigenen Ursprünglichkeit, zu der Harmonie mit allem Geschaffenen und zum Eins-Sein mit dem Göttlichen. Dies war seit jeher ihre eigentliche Bestimmung gewesen und ihre wahre Identität; ihr Wahres Selbst.

Doch erst nach Vollendung der Heldenreise begriff der zum Helden gewordene Mensch, dass diese Sehnsucht, dieses Wispern, das ihn auf die Reise geführt hatte, aus den Tiefen seines eigenen Urgrundes aufgestiegen war. Folglich war das Ziel dieser Reise von Anfang an die Vereinigung mit seinem eigenen Ursprung gewesen. Doch es gab keinen anderen Weg dorthin zurück als den eigenen Tod. Dies konnte der Held aber erst im Rückblick verstehen.

BEDEUTUNG VON SPIRITUALITÄT

Diese Heldenreisen sind, meiner Meinung nach, von ihrem Wesen her immer zutiefst spirituell. Nun ist das Wort „Spiritualität“ eines, das ich zwar oft und gerne benutze, aber eben auch eines, das erstmal sehr unbestimmt und somit offen für alle möglichen Deutungen ist. Daher will ich mal versuchen, mich dem anzunähern, was ich unter Spiritualität verstehe und dies ins Verhältnis zum Wesen der Heldenreise setzen.

Über den von mir sehr geschätzten Freimaurer Jens Rusch bin ich über folgende Definition von Spiritualität gestolpert, deren Urheber ich allerdings nicht eindeutig verifizieren konnte: „Spiritualität ist der Ruf des Menschen nach sich selbst in einem geistigen Raum, der ihn übersteigt.“

Diese Definition von Spiritualität wirkt wie eine kurze Zusammenfassung dessen, was ich zur Heldenreise geschrieben habe. Der „Ruf des Menschen“ ist das, was ich mit „Wispern“ oder „Sehnsucht“ umschrieben habe, was der Mensch zunächst als von außen kommend wahrnimmt und erst später realisiert, dass dieser Ruf seinem eigenen Inneren entspringt. Der „geistige Raum, der ihn übersteigt“, ist der Zustand, den ich als „eigene Ursprünglichkeit, Harmonie mit allem Geschaffenen und Eins-Sein mit dem Göttlichen“ umschrieb.

Schaut man bei Wikipedia nach, so wird „Spiritualität“ dort unter anderem wie folgt beschrieben: „…eine Suche, die Hinwendung, die unmittelbare Anschauung oder das subjektive Erleben einer sinnlich nicht fassbaren und rational nicht erklärbaren transzendenten Wirklichkeit, die der materiellen Welt zugrunde liegt. Spirituelle Einsichten können mit Sinn- und Wertfragen des Daseins, mit der Erfahrung der Ganzheit der Welt in ihrer Verbundenheit mit der eigenen Existenz, mit der letzten Wahrheit und absoluter, höchster Wirklichkeit sowie mit der Integration des Heiligen, Unerklärlichen oder ethisch Wertvollen ins eigene Leben verbunden sein. Es geht dabei nicht um gedankliche Einsichten, Logik oder die Kommunikation darüber, sondern es handelt sich in jedem Fall um intensive psychische, höchstpersönliche Zustände und Erfahrungen, die direkte Auswirkungen auf die Lebensführung und die ethischen Vorstellungen der Person haben. Voraussetzung ist eine religiöse Überzeugung, die jedoch nicht mit einer bestimmten Religion verbunden sein muss.“

Diese Definition weist ebenfalls viele Aspekte auf, die sich auch in meiner Darstellung der Heldenreise wiederfinden lassen. So ist auch die Heldenreise ein „Erleben einer sinnlich nicht fassbaren und rational nicht erklärbaren transzendenten Wirklichkeit, die der materiellen Welt zugrunde liegt“, die schließlich in „der Erfahrung der Ganzheit der Welt in ihrer Verbundenheit mit der eigenen Existenz“ mündet. Interessant hierbei ist, dass es sich „bei dieser Erfahrung nicht um gedankliche Einsichten, Logik oder die Kommunikation darüber“, sondern „um intensive psychische, höchstpersönliche Zustände und Erfahrungen, die direkte Auswirkungen auf die Lebensführung und die ethischen Vorstellungen der Person haben“ und deren Voraussetzung „eine religiöse Überzeugung, die jedoch nicht mit einer bestimmten Religion verbunden sein muss“, handelt.

Die beiden von mir angeführten Definitionen von Spiritualität lesen sich beinahe wie Blaupausen für die Idee und das Wesen der Heldenreise.

INITIATION UND HELDENREISE

Von dieser Feststellung ausgehend – nämlich, dass die Heldenreise an sich zutiefst spirituell ist – ist es interessant, einen weiteren Bogen zu schlagen: Den zu den archaischen Initiationsriten.

Wiederholt habe ich auf meinem Blog von meinem spirituellen Vater geschrieben: Dem Franziskaner-Pater Richard Rohr. Mehrfach nahm ich hierbei Bezug auf dessen Erforschungen der alten, archaischen Männerinitiationen (hierbei möchte ich insbesondere auf meine Artikel „Adams Wiederkehr“ sowie „Die Sehnsucht der männlichen Seele“ verweisen).

Vergleicht man nun das, was Richard Rohr über Wesen und Inhalt der archaischen Initiationsriten herausgefunden hat, mit dem, was ich hier über die Idee der Heldenreise herausgearbeitet habe, so fällt auf, dass diese Riten ihre Initianten Rituale durchlaufen ließen, die markante Überschneidungen zur Heldenreise aufweisen.

So begannen auch die archaischen Initiationsriten immer mit dem Schwellenraum. Der Initiant, der in der Regel zum Zeitpunkt des Rituals auch an der Schwelle zum Mann-Werden stand, wurde einem Ort, einem Zustand der Kontrolllosigkeit ausgeliefert. Hier hatte er keine Macht mehr. Hier war er abgeschnitten von dem, was ihn bestätigte und stark machte. Hier war dieser junge und sonst vor Kraft und Energie nur so strotzende Mann plötzlich schwach, armselig, irrelevant, nackt, verletzlich. Er war aus seiner Rolle gefallen. Und er hatte keine Gewissheit, ob er von diesem Ort jemals wieder würde zurückkehren können.

Doch dieser Schwellenraum führte ihn weiter hinab in die Tiefe. Der Initiant hatte seinem eigenen Schatten gegenüberzutreten. Er musste sich dem stellen, was schon immer in ihm schlummerte, was er aber beharrlich verdrängt und unterdrückt hatte. All das Böse, all die Angst, all der Schmerz, all die Zwänge. Er musste mit der Bestie in sich ringen. Es ging darum, den Initianten auf sich selbst zurückzuwerfen, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen und ihm keine Möglichkeit zu lassen, aus dieser Situation oder vor sich selbst zu fliehen. Auf diese Weise sollte sein Ego-Selbst – oder auch: das Falsche Selbst – erschüttert und demontiert werden. Nur an diesem Ort, den kein Mann freiwillig und von sich aus je betreten würde, kann tiefgreifende Veränderung, wahre Transformation geschehen.

Schließlich wurde der Initiant schwer verwundet und in sein eigenes Grab geworfen. Er starb. Und das auf sehr dramatische sowie grausame Art und Weise. Doch dieser Tod war unausweichlich. Das alte, das egodominierte Falsche Selbst des Initianten musste sterben, wenn tiefgreifende Transformation geschehen sollte. Umgeben von der Finsternis und der Stille des Todes hatte er auszuharren.

Auf den Tod des jungen Mannes erfolgte die machtvolle Auferstehung des gereiften Mannes. Im Idealfall war dieser nicht nur ins Mann-Sein und damit einhergehend in die Gemeinschaft der Männer eingeweiht worden, sondern er war auch rückverbunden worden in das Mysterium des Lebens; in diese unschuldige Ursprünglichkeit, in diese Harmonie mit allem Geschaffenen und in dieses Eins-Sein mit dem Göttlichen, von dem ich eingangs sprach. Im Idealfall war das egodominierte Falsche Selbst des jungen Mannes gestorben und das Wahre Selbst, das seit jeher im Einklang mit den spirituellen Kreisläufen und Gesetzmäßigkeiten allen Seins existiert, auferstanden. Der Initiationsritus hatte somit zweierlei erfüllt: Er hatte einen „guten Anfang“ für den Weg des Initiierten gelegt und gleichzeitig hatte er den Initiierten in die Vereinigung mit seinem Ursprung geführt.

In nicht wenigen Kulturen kehrte der initiierte, gereifte Mann aus diesem Ritual mit einem neuen Namen – seinem ureigensten Seelennamen – zurück. Nahezu immer aber, behielt der initiierte Mann Wunden von seiner Initiation zurück. Seine heiligen Wunden. Die daraus resultierenden Narben sollten ihn sein Leben lang an diese Erfahrung erinnern.

DER BEZUG ZUM FREIMAURERTUM

Ich hatte es in verschiedenen meiner Blogartikel angeführt: Steigt man tiefer ins freimaurerische Ritual und dessen Symbolik ein, realisiert man, dass es sich hierbei um einen althergebrachten Initiationsritus handelt. Und dieser Initiationsritus weist markante Parallelen zu den alten, archaischen Männerinitiationsriten auf. Für meine Großloge, den christlichen Freimaurerorden, kann ich dies ohne Abstriche feststellen. Spätestens ab dem dritten Grad, dem des Johannismeisters, ist dieses Erbe nicht mehr zu übersehen. In den Ritualen der anderen freimaurerischen Richtungen stecke ich in der Tiefe nicht drin. Doch bei dem, was ich von außen betrachtet sehe, scheint dies in allen freimaurerischen Ausprägungen der Fall zu sein. Im Laufe der Zeit jedoch geriet dieses Wissen zunehmend in den Hintergrund und verblasste von Ritualreform zu Ritualreform mehr und mehr.

Folglich lebt in dem Initiationsritual des Freimaurertums auch das Wesen der Heldenreise weiter. Ich würde sogar noch weiter gehen: Das freimaurerische Initiationsritual ist dem Wesen der Heldenreise nachempfunden.

Nun habe ich in diesem Artikel verschiedene Thesen aufgestellt, die alle aufeinander aufbauen, nämlich:
– Die Idee der Heldenreise ist von ihrem gesamten Wesen her zutiefst spirituell.
– Die archaischen Initiationsriten bergen das Prinzip der Heldenreise in sich.
– Das freimaurerische Initiationsritual birgt die Grundzüge der alten, archaischen Männerinitiationsriten in sich.
Als letzte Konsequenz bedeutet dies, dass das Freimaurertum an sich zutiefst spirituell ist.

Ich hatte es in meinem Artikel „Freimaurertum benötigt Spiritualität und Gottesbezug“ bereits geschrieben: Das spirituelle Wesen des Freimaurertums ging in jener Zeit, als das Freimaurertum sich nach und nach in institutionalisierte Formen goss, eine Vereinigung mit den Ideen der Aufklärung und des Humanismus ein. Das, was das Freimaurertum seither ausmacht, ist das Zusammenbringen und Aushalten genau dieser zwei gegensätzlichen Pole: Aufklärung und Humanismus auf der einen sowie Esoterik und Spiritualität auf der anderen Seite. Negiert man eine dieser beiden Seiten zu Gunsten der anderen, kommt eine Unwucht in den eigenen freimaurerischen Weg. Die freimaurerische Tugend der Mäßigkeit, die unter anderem ausdrückt, dass es darum geht, das rechte Maß zwischen den Extrempolen zu finden und diese in Einklang miteinander zu bringen, erinnert mich an genau diese Herausforderung.

Daher ist dieser Artikel ein Plädoyer dafür, im Freimaurertum nicht nur ein Instrumentarium für einen ethisch-moralischen Lebenswandel zu sehen. Nein, es gilt im Freimaurertum auch die Dimensionen der eigenen Heldenreise (wieder-) zu entdecken. Und dies ist der ganz persönliche Weg zurück zur unschuldigen Ursprünglichkeit, zur Harmonie mit allem Geschaffenen und zum Eins-Sein mit dem Göttlichen. Sprich: Der Weg zurück zur Vereinigung mit dem eigenen Ursprung. Und diese Heldenreise ist immer zutiefst spirituell…

In den tiefen Schacht

Ich stieg hinab. In die Tiefe. In den dunklen Schacht. Ich kann nicht sicher sagen, ob ich an einem Seil herunterkletterte oder an einer Leiter. Dunkelheit verhüllte, was mich unten erwarten sollte. Ganz unten am Grund.

Nach einigen wenigen Metern war da mit einem Mal diese bleiernde Traurigkeit. Sie verstopfte den Schacht vollkommen. Und keine Möglichkeit, sie zu umgehen. Sie drückte mir die Kehle zu. Sie streckte ihre Klauen von tief in mir drin nach mir aus. Und riss mich mit sich. Tränen stiegen auf. Ich realisierte, dass ich weinte. Aus tiefstem Herzen. Und mit meinem gesamten Wesen.

Mit jeder Träne, die meine Augen verließ, mit jedem Schluchtzer, der mir über die Lippen kam, stieg ich weiter hinab in dem dunklen Schacht.

Als ich unten angekommen war, standen meine Füße auf einer zentimeterdicken Schicht vertrockneter, brauner Blätter. Um mich herum breitete sich ein finsterer Wald aus. War es hier so finster, weil der Wald so tief und so dicht war? Oder weil es Nacht war?

Vor mir erhob sich eine prachtvolle Buche. Ihre pompöse Krone füllte fast mein gesamtes Sichtfeld aus. Einen rötlich goldenen Schimmer verströmte sie. Der Anblick hatte etwas Wärmendes.

Überwältigt stand ich vor diesem altehrwürdigen Baum. Regungslos und stumm betrachtete ich ihn. Ich ruhte in diesem friedvollen Moment. Von hinter mir aus konnte ich sehen, dass ich freimaurerisch gekleidet war. Die Silhouette des schwarzen Zylinders auf meinem Kopf zeichnete sich an der Buche ab.

Was bleibt von der Königlichen Kunst?

6. TEIL DER SERIE: „FREIMAUREREI ALS LEBENSEINSTELLUNG“ (GASTBEITRAG)

Was bleibt vom Freimaurertum? Wenn man diese ganzen freimaurerischen Äußerlichkeiten, die Ämter und Grade, die Hierarchien und Institutionen, die Etikette und das Elitäre und den ganzen Habitus, der daraus erwächst, wegnimmt, was bleibt dann noch vom Freimaurertum übrig? Was ist die freimaurerische Lebenseinstellung, der freimaurerische Lebensweg hinter alledem? Was am Freimaurertum hat Bestand, wenn man hinter dessen äußere Fassaden blickt? Seit einigen Monaten begleiten mich ebendiese Fragen. Und ich habe keine abschließende Antwort darauf.

Daher wuchs die Idee in mir, ganz unterschiedliche Feimaurerinnen und Freimaurer zu bitten, ihre Antworten zu diesen Fragen aufzuschreiben und auf meinem Blog zu veröffentlichen. Sie alle eint, dass ich sie als tiefgründig und inspirierend erlebe. Einige von ihnen kenne ich aus meinem tagtäglichen Leben, mit anderen wiederum habe ich mich bislang nur virtuell ausgetauscht. Zu einigen verbinden mich tiefe geschwisterlich freundschaftliche Beziehungen, andere erlebe ich aus der Ferne. Doch ich bin sehr gespannt, was sie dazu zu sagen haben. Über das Jahr verteilt will ich ihre Antworten auf diese Fragen nach und nach auf meinem Blog einstreuen.

Aus einem familiären Hintergrund stammend, der viel kirchliche Tradition und Etikette einforderte und dem Freimaurertum kritisch gegenüber stand, kam Joachim Schmidt über einen guten Freund mit dem Freimaurertum in Berührung. Vor über 15 Jahren schließlich wurde er in die Johannisloge „Ditmarsia“ in Brunsbüttel aufgenommen. Seither bekleidete er beinahe die gesamte Zeit über das Amt des Logensekretärs. Die explizit christliche Ausrichtung des Freimaurerordens, dem sich seine Johannisloge zurechnet, half ihm, je weiter er in dessen Lehrgebäude vorankam, seine persönliche Geschichte mit dem Christentum aufzuarbeiten und sich mit dem christlichen Glauben zu versöhnen. Im Freimaurerorden hat er gefunden, wonach er immer gesucht hatte: Kein Dogma, keine Religion, einfach nur den Glauben an etwas…

Im christlichen Freimaurerorden bauen auf die drei Erkenntnisstufen der Johannisloge die drei Erkenntnisstufen der Andreasloge auf. Hier gehört Joachims Johannisloge der Andreasloge „Concordia“ an, welcher auch meine Johannisloge „Carl zum Felsen“ angehört. Dementsprechend kreuzten sich dort vor ein paar Jahren unsere Wege. Irgendwann outete Joachim sich als begeisterter Leser meines Blogs. Das Feadback, dass ich von ihm bekam, war sehr von Wertschätzung getragen. Im Austausch über meine Serie „Freimaurerei als Lebenseinstellung“ entstand die Idee, dass auch er einen Artikel dazu verfassen könne. Eine Idee, die es mir vom ersten Moment sehr angetan hatte und noch viel mehr jetzt, wo mir Joachims Artikel vorliegt…

WAS BLEIBT VON DER KÖNIGLICHEN KUNST?

„Was bleibt von der Königlichen Kunst … was am Freimaurertum hat Bestand?“ Diese Fragestellung suggeriert, dass es keine Zukunft für uns geben könnte? Ich aber meine: Freimaurertum hat Zukunft! Wenn, ja, wenn wir nicht nur an uns selbst arbeiten, sondern auch daran arbeiten, unsere eigenen Organisationsformen und Öffentlichkeitsarbeit zukunftsfähig zu gestalten. Hier folgen einige meiner Gedanken zu diesem Thema:

Königliche Kunst, was ist das? Für mich das Beste, was aus menschlichem Geist entstanden ist. Die Königliche Kunst ist das Band, welches alle Freimaurer, unabhängig von der jeweiligen Lehrart, miteinander verbindet. Nur wir Freimaurer wissen durch unsere Initiation, was Königliche Kunst ist und was diese uns bedeutet. Es ist der Schatz der Freimaurerei, der nur individuell zu beschreiben ist.

Freimaurertum, das ist die Vielfalt der Lehrarten, der Vereinigungen und der Rituale. Es gibt sie nicht „Die Freimaurerei“ und das ist gut so. Irregualarität, wie oft genannt, die gibt es für mich nicht. Es gibt eine Urloge, die erste Gründungsloge, aus der sich neben verschiedenen anderen Einflüssen viele Lehrarten entwickelt und positioniert haben in den vergangenen 300 Jahren. Freimaurer berufen sich auf die in der Gründungsloge festgelegten „Basic Principles“, „Die alten Pflichten“, das „Supreme Being“ (Höhstes Wesen / höhere Kraft), den Großen Baumeister der Welt und die bei den Arbeiten aufgeschlagene Bibel als Grundlage unserer Kultur. Die Werte der Freimaurerei sind dem europäischen und abendländischen kulturellen Gedächtnis entsprungen. Das heißt Freiheit, Individualismus, Toleranz und Demokratie. In Zeiten der Krise und der politischen Unsicherheiten unverzichtbare Eigenschaften.

Was verbindend uns Freimaurer? Das freimaurerische Ritual ist ein spirituelles Spiel. Die Übungen dienen jedem Bruder individuell; jeder fühlt und erfährt das Ritual anders. Königliche Kunst, egal welcher Lehrart, ist keine Religion, keine Religionsgemeinschaft; es gibt kein Dogma. Es ist Spiritualität, Mystik und Ethik.

Was am Freimaurertum hat Bestand? Was von der Königlichen Kunst bleibt übrig? NICHTS … wenn wir uns nicht bewegen, wird die Zeit uns überrollen. Es sei denn, wir verlieren nicht unsere Freiheit durch einen Wechsel, durch den Verlust der Demokratie. NICHTS, wenn wir in Zukunft Anspruch und Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung bringen.

Die Welt verändert sich rasant, wir können uns nicht weiter in der Gesellschaft so verhalten wie in der Gründerzeit der Freimaurerei. Methanoia, kehret um, verändert euch! Eine Handlungsanweisung Johannes des Täufers. Wenn wir diese Anweisung nicht als einen Auftrag ansehen, dann bleibt für die Freimaurerei nur eine schöne Erinnerung an die Gründerjahre und ein Eintrag im Geschichtsbuch erhalten. Es reicht nicht, sich stets auf berühmte Persönlichkeiten der Historie (Goethe, Mozart usw.) zu beziehen. Es reicht auch nicht, nur an sich selbst zu arbeiten. Tue Gutes und sprich auch drüber.

Unserer Tugenden (Außerhalb der Rituale):
– Verschwiegenheit … warum heute noch? In der Feudalzeit, der Gründerzeit der Freimaurerei, ein Mittel, um sich und anderer Leben zu schützen. Aber diese Geheimnistuerei heute noch? Warum in der Öffentlichkeit über das schweigen, was uns ausmacht? Warum noch verschwiegen sein?
– Vorsichtigkeit … Ja, im Umgang mit Sprache. Im Umgang mit Andersdenkenden (Empathie zeigen).
– Mäßigkeit … Ja, unbedingt stärken und durch Vorbild ein Beispiel geben. Dem Überfluss abschwören.
– Barmherzigkeit … Wir sind kein Serviceclub und sollten auch nicht mehr danach streben, einer zu werden. Das können andere besser. Wir sind inzwischen zu wenige, um monetär helfen zu können. Barmherzigkeit; handeln, um Brüdern zu helfen, die, aus welchen Gründen auch immer, in persönliche Schwierigkeiten gekommen sind.

Für die Zukunft: Was haben wir Freimaurer der Welt mitzuteilen? NICHTS … Es geht um uns – nicht um andere! Nur dadurch können wir nach außen wirken. An uns selbst zu arbeiten, reicht aber nicht. Wir sind eine Vereinigung mit weltweiten Verbindungen, auf lokaler Ebene bleiben wir weitestgehend unter uns (Würdenträger ausgenommen).

Was tun, um für unsere Ideale mehr „Follower“ zu gewinnen? Freimaurer schmücken sich oft mit berühmten Namen aus der Vergangenheit, aus der Gründerzeit, der Zeit der Aufklärung… Können wir nicht auch mit berühmten Namen der Gegenwart aufwarten? Ein älterer Bruder sagte mir einmal: Freimaurerei kann auch in der Doppelgarage stattfinden. Wir benötigen keine Schlösser als Logenhäuser. Hilfe für Brüder, die wirtschaftlich oder gesundheitlich gestrandet sind. Suchende nur als Mitglieder aufnehmen, wenn diese in die Freimaurer-Gemeinschaft passen würden. Mitgliederaufnahmen nicht danach ausrichten, Beiträge für die Erhaltung der Logenhäuser zu generieren.

Wirken nach AUßEN. Wirken als Freimaurerei durch Persönlichkeit, Mitmenschlichkeit, Nachhaltigkeit. Unsere Ziele als Freimaurer der Zukunft definieren und dann auch in der Öffentlichkeit publizieren. Was können wir tun, um unsere Königliche Kunst für die Zukunft zu stärken und erhalten: Unsere Logenhäuser öffnen, sich regional präsentieren, aber nicht missionieren. Kontinuierlich laufende und sich wiederholende offene Logenabende in der eigenen Loge durchführen und nicht nur in Gaststätten oder Vereinslokalen. Sich den Menschen öffnen bei unbedingter Einhaltung der Arkandisziplin. Warum soll ein junger Mensch Freimaurer werden, wenn er nicht weiß, was auf ihn zukommt? Die „Blue Night“ der Provinzialloge von Niedersachsen in Hamburg ist ein guter Anfang für eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Aber warum nur in Hamburg? Warum nicht die „Blue Night“ als Markenzeichen für alle Logen und Freimaurer, ob in der Stadt oder auf dem Lande.

Was wir nicht tun sollten: In Politik einmischen. Dafür gibt es Parteien. Sich in Religionen einmischen. Dafür gibt es die Religionsgesellschaften. Ich verspüre zu viel Vereinsmeierei und zu viel Dienstgradmentalität in unseren Reihen. Zu viele Orden werden vergeben und die Erkenntnisstufen werden zu wichtig genommen und zu überhöht dargestellt. Wir Freimaurer müssen uns den aktuellen Themen (z.B. Rechtsstaatlichkeit und Nachhaltigkeit) der Zukunft stellen. Unsere Passivität reicht nicht mehr. Um diesen Schatz der Königlichen Kunst zu bewahren, sollten wir Freimaurer in unserem öffentlichen Auftreten und Handeln mit der Zeit gehen. „Tradition heißt nicht, die Asche verwahren, sondern die Flamme am Brennen halten.“ ( Jean Jaures ) „Wer einem Schritt in der Technik macht – sollten mit zwei Schritten Ethik folgen.“ Novalis (Hardenberg)

Freimaurerei: Der einzige noch verbliebene echte Mysterienbund der Gegenwart … darum hat die Königliche Kunst für mich Zukunft … das ist es, was bleibt.

(Joachim Schmidt)

Von dem was bleibt – eine Gedankensammlung

5. TEIL DER SERIE: „FREIMAUREREI ALS LEBENSEINSTELLUNG“ (GASTBEITRAG)

Was bleibt vom Freimaurertum? Wenn man diese ganzen freimaurerischen Äußerlichkeiten, die Ämter und Grade, die Hierarchien und Institutionen, die Etikette und das Elitäre und den ganzen Habitus, der daraus erwächst, wegnimmt, was bleibt dann noch vom Freimaurertum übrig? Was ist die freimaurerische Lebenseinstellung, der freimaurerische Lebensweg hinter alledem? Was am Freimaurertum hat Bestand, wenn man hinter dessen äußere Fassaden blickt? Seit einigen Monaten begleiten mich ebendiese Fragen. Und ich habe keine abschließende Antwort darauf.

Daher wuchs die Idee in mir, ganz unterschiedliche Feimaurerinnen und Freimaurer zu bitten, ihre Antworten zu diesen Fragen aufzuschreiben und auf meinem Blog zu veröffentlichen. Sie alle eint, dass ich sie als tiefgründig und inspirierend erlebe. Einige von ihnen kenne ich aus meinem tagtäglichen Leben, mit anderen wiederum habe ich mich bislang nur virtuell ausgetauscht. Zu einigen verbinden mich tiefe geschwisterlich freundschaftliche Beziehungen, andere erlebe ich aus der Ferne. Doch ich bin sehr gespannt, was sie dazu zu sagen haben. Über das Jahr verteilt will ich ihre Antworten auf diese Fragen nach und nach auf meinem Blog einstreuen.

Mit dem nun folgenden Text meldet sich der Blogger und Buchautor René Schon zu Wort. Rene ist 1976 in Fürth/Bayern geboren, liiert und hat einen Sohn. Rene ist Mitglied der Loge „Jacob de Molay zum Stern im Süden“ („Südloge“), der freimaurerischen Forschungsloge „Quatuor Coronati“ sowie im Emirat Shriners in Heidelberg. Zudem betreibt er den Freimaurer-Blog „Freimaurergedanken„.

Sich selbst beschreibt Rene als bekennenden Freimaurer, der seinen freimaurerischen Weg als überzeugter Ateist mit einem ausgeprägten humanitären Ansatz geht. Die Grundlagen dieses Weges sind Gleichheit, Toleranz, Freiheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit und Humanität. Diese Werte bilden für ihn die unumgänglichen Eckpfeiler des ethischen Bundes der Freimaurer, weshalb er sich für ein brüderliches und schwesterliches Miteinander unterschiedlichster Freimaurer im Kleinen sowie für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Großlogen im Großen einsetzt. Die Freimaurerei ist für ihn ein Werkzeug, ethische und moralische Werte zu vermitteln.

Im Salierverlag sind bereits folgende Bücher von Rene erschienen:
– Ernst und Falk 2014: Gespräche für Freimaurer (ISBN-10: 9783943539523 / ISBN-13: 978-3943539523)
– Laut denken mit einem Freund: Logengespräche über Politik, Gesellschaft und Religion (ISBN-10: 9783943539912 / ISBN-13: 978-3943539912)

Mit Rene verbindet mich mittlerweile seit einigen Jahren eine freundschaftliche Beziehung, trotz vieler hundert Kilometer, die wir auseinander wohnen. Ich erlebe ihn als entschieden und streitbar und gleichzeitig herzlich und zugewandt. Und auch wenn es bisweilen schon mal vorgekommen ist, dass Rene sich mit etwas Übereifer in das ein oder andere inhaltliche Gefecht gestürzt hat, so schätze seine Meinung doch sehr; insbesondere als Gegenpart zu meiner eigenen Meinung. Umso größer war meine Freude, als er zusagte, sich in meiner aktuellen Blogreihe ebenfalls zu Wort zu melden.

VON DEM WAS BLEIBT – EINE GEDANKENSAMMLUNG

WAS BLEIBT?

„Was bleibt vom Freimaurertum? Wenn man diese ganzen freimaurerischen Äußerlichkeiten, die Ämter und Grade, die Hierarchien und Institutionen, die Etikette und das Elitäre und den ganzen Habitus, der daraus erwächst, wegnimmt, was bleibt dann noch vom Freimaurertum übrig? Was ist die freimaurerische Lebenseinstellung, der freimaurerische Lebensweg hinter alledem? Was am Freimaurertum hat Bestand, wenn man hinter dessen äußere Fassaden blickt?“

Diese vielen Fragen haben mich vor einigen Wochen von meinem Br. Hagen aus Hamburg erreicht mit der Bitte, ein paar Zeilen und Worte hierzu zu schreiben. Natürlich komme ich dem gern nach, aber ich habe Hagen schon gewarnt, dass dies durchaus mit kritischen Worten passieren kann…

WAS BLEIBT, WENN MAN DIE GRADE WEGLÄSST?

Das ist eine wirklich sehr gute Frage. Allerdings wurde diese schon vor vielen Jahren gestellt. Selbst die Gründerväter des ‚Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne‘ hatten beschlossen, dass sie die Grade gern weglassen würden und nur in einem einzigen Grad arbeiten wollen. Sie wollten nicht, dass die Brüder durch die Grade getrennt werden. Leider hielt dies nicht lange an, da die Brüder die 3 Grade wieder zurückhaben wollten.

Ohne Grade dürfen Lehrlinge und Gesellen in einigen Logen nicht am brüderlichen Gespräch teilnehmen, wie ich erfahren musste. Dies ist erst ab dem Meistergrad „erwünscht“. Die jüngeren Brüder sollen sich in der Zurückhaltung üben, im Zuhören und aus den Gesprächen lernen. Ob man hier von einer Begegnung auf der Winkelwaage sprechen kann/darf, wage ich zu bezweifeln.

Allein bei einer sogenannten „Weißen Arbeit“, einer Tafelloge (wenn die Freimaurer als Feierlichkeit zusammen ein gemeinsames Essen veranstalten) werden die einzelnen Grade strikt getrennt. Dabei kommt es dazu, dass die Lehrlinge gerne die erfahrenen Meister bedienen und somit servieren dürfen.

Wenn man dies aber alles weglassen würde, dann könnten sich die Brüder und Schwestern wirklich auf einer Ebene der Winkelwaage begegnen. Losgelöst von den Zwängen eines Grades, von den Regeln der Logen und auf Augenhöhe.

WAS BLEIBT, WENN MAN DIE ÄMTER WEGLÄSST?

Sicherlich auf den ersten Blick erstmal etwas Verwirrung bis hin zum Chaos. Die Ämter sind vor allem dazu da, eine Loge zu führen. Eine Freimaurer Loge ist leider nichts anderes, als ein eingetragener Verein. Daher braucht es viele der Positionen um die Loge zu leiten. Modernes Management in alten und hochtrabenden Titeln, wie es sie aber in jedem beliebigen Kegelverein auch gibt.

Natürlich würde das Weglassen von Ämtern einige der Brüder in ein gewisses Ungemacht stürzen. Sie leben für das Tragen eines Amtes und gehen in diesem dann völlig auf. Warum nur? Um etwas zu kompensieren, was ihnen im Leben verwehrt wurde? Mag sein, doch ich möchte hierüber kein Urteil fällen. Doch leider kenne ich einige dieser Brüder, die genau darin ihre Motivation sehen, dem Beamtenrat anzugehören.

Ich war schon immer der Meinung und habe es mehrfach gesagt: Das Amt sucht sich seinen Träger und auch wenn das einige nicht einsehen wollen, es wird so bleiben.

Wenn man die Loge oder die Großloge unterstützen möchte, muss man dazu nicht unbedingt einen Titel haben. Es muss von Herzen sein und dem Wohle der Loge dienen.

WAS BLEIBT, WENN MAN DEN ABAW WEGLÄSST?

Denken wir einen Schritt weiter. Was wäre nun, wenn wir einzelne Elemente aus den Ritualen weglassen würden. Nehmen wir als Beispiel den Baumeister aller Welten, das übergeordnete „supreme beeing“. Wenn wir nun dieses Element weglassen würden, hätten die Rituale keinen Bezug mehr zur Transzendenz. Aber wäre das so schlimm?

Ich persönlich würde hier mit einem klaren NEIN antworten. Natürlich wird nun der eine oder andere wieder schreien: „Dann ist es aber nicht mehr die reguläre Freimaurerei!“ Nun ja, das stimmt nur zum Teil. Die Großloge von England schreibt ein „supereme beeing“ vor. Daran könnte man auch als Atheist glauben, denn es ist jedem selbst überlassen, wie dieses Symbol zu füllen ist. Oder man lässt es einfach weg. Darüber habe ich schon ausführlich geschrieben und auch diskutiert.

Der Baumeister ist in einigen Ausrichtungen der Freimaurerei, wie z.B. dem Freimaurerorden ein wesentliches Element. Hier wäre der Verlust sicherlich eine schwerwiegende Entscheidung für die Brüder, und der Fortbestand ist damit in Frage gestellt. Aber auch diese Brüder sollten sich die Fragen stellen, was IN IHNEN SELBST übrigbleibt, wenn man dieses Symbol entfernen würde. Wären sie dann weniger ethische und humanistische Menschen?

Ein freimaurerisches Ritual wird auch ohne diese Symbole tragend und auch erfüllend sein. Es gibt bereits Logen (oh ja, auch reguläre!), die mit Ritualen arbeiten, welche ohne das Symbol des Allmächtigen Baumeisters auskommen. Religion oder der Glaube an ein höheres Wesen kann eben nicht nur verbinden, es kann auch Menschengruppen trennen oder sogar spalten.

WAS BLEIBT VON DEN LOGEN ÜBRIG

Von den Logen würden nach dem Wegfall der Äußerlichkeiten sicherlich schöne und nach außen oft pompöse Logenhäuser übrigbleiben. In vielen Städten sind diese Häuser bekannt oder werden auch der Öffentlichkeit für Events zur Verfügung gestellt, da solche Gebäude auch unterhalten werden wollen.

Wenn schon die Gebäude bekannt sind und auch zugänglich, dann wäre mit dem Wegfall „des freimaurerischen Rahmens“ sicherlich auch keine Deckung mehr gegeben. Dann würden die Brüder und Schwestern öffentlich dazu stehen müssen, was sie hier als Freimaurer tun und für welche Werte sie sich einsetzen. Ob dann das allgemeine Jammern über den Verlust der Deckung losgeht? Ausschließen, dass der Verlust der Deckung in einigen Bereichen zu Konsequenzen führt, kann man leider nicht. Daher ist die Frage nach der Deckung immer eine grenzwertige und vor allem sehr individuelle Frage. Blickt man auf die aktuelle Pandemie und die Anfeindungen und Verschwörungstheorien, welchen wir Freimaurer ausgesetzt sind, kann ich verstehen, wenn der ein oder andere Bruder (und natürlich auch Schwester) in sicherer Deckung leben möchte. Auch in anderen Ländern (nehmen wir die Türkei als Beispiel) darf man die Gefahr nicht verharmlosen, welche der Verlust der Deckung mit sich bringen würde.

VOM HABITUS – DER ART DES SOZIALVERHALTENS

Ich denke aber, dass die Frage auf einen ganz anderen Aspekt abzielt. Ich denke, was meinen Br. Hagen mehr interessiert, ist die Frage nach dem Habitus, also nach dem Verhalten, der inneren Haltung, dem Benehmen und Gebaren.

Diese Frage kann man schwer analysieren, denn so unterschiedlich die Brüder und Schwestern auch sind, so unterschiedlich ist sicherlich der Anspruch an einen selbst.

„GECHILLTE ZUFRIEDENHEIT“

Einer meiner Brüder meinte einmal, dass doch eine gewisse innere Ruhe da sein sollte, eine (so wie er sagte) „gechillte Zufriedenheit“. Natürlich wäre diese Ausgeglichenheit ein erstrebenswertes Gut und Ziel. Aber nicht alle Menschen sind dafür geschaffen. Oftmals reißen uns andere Dinge, sei es eine Pandemie, eine Lebenskrise oder auch nur wenig Schlaf aus den Bahnen, die wir selbst bis dahin leicht lenken und kontrollieren können.

Dabei ist gerade das Streben nach der (selbst im Ritual) oft angepriesenen Zufriedenheit eines der wichtigsten Ziele eines Freimaurers. Übernehmen wir diesen Aspekt in unser soziales und privates Umfeld, dann können wir ein ausgeglicheneres Leben führen und nicht immer dem Glück hinterherlaufen und damit dramatische Gefühlsachterbahnen vermeiden.

IDEALE DER FREIMAURER – EINE ERSTREBENSWERTE LEBENSWEISE

Wenn wir die Ideale der Freimaurerei, also die Toleranz, die Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit und Humanität, in uns aufgenommen haben, also nicht nur Logenbrüder sind für 2 Stunden in der Woche, während unseres Logenbesuches, so sollten wir ein Leben führen, was vollgepackt ist mit ethischen und moralischen Werten. Wenn dann die Werte und Ideale in „Mark und Bein“ übergegangen sind, dann haben wir uns erfolgreich bemüht, ein besserer Mensch zu werden. Wenn wir diese Werte nun auch noch nach außen tragen, auch ohne die Freimauerei, dann haben wir eine kleine Verbesserung in jedem von uns selbst erreicht.

VOM STREBEN NACH MEHR

Sollten wir also nun die Werte der Maurerei, die sich schon lange bewährt haben, in uns aufgenommen haben, also weitestgehend verinnerlicht haben, so können wir nach dem oft gesuchten „Mehr“ streben. Nach dem „Mehr“ in uns selbst und weiterhin an dem eigenen rauen Stein arbeiten. Somit wirken wir nicht nur durch unsere ethischen Werte in der Gesellschaft und an dem „um uns“, sondern auch wiederum an uns selbst. Ein nie endender Kreislauf der Selbstverwirklichung bis zur „Selbstoptimierung“. Dazu kommt dann auch die Frage nach dem, was nach uns kommt, was von uns bleibt.

Aber auch hier stellt sich die Frage, ob es dazu eine Freimaurerei braucht. Auch das kann man verneinen, denn die Wege zur Vervollkommnung des eigenen Ichs lernt man nicht ausschließlich in der Freimaurerei. Diese Werkzeuge wurden schon mehrfach exportiert und in diversen selbstbildenden Seminaren oder Vorträgen dem interessierten Publikum präsentiert. Wir Menschen neigen dazu, nach dem „Mehr“ zu suchen, zu streben und einen Sinn im Leben zu finden.

Doch auch hier finden wir nicht allein in der Maurerei eine Lösung, dann halten wir es doch wie Jean-Paul Sartre. Wir müssen selbst unserem Leben einen Sinn geben. Es gibt kein höheres Wesen oder eine vordefinierte Bestimmung, welche wir nicht selbst erkennen und vor allem erst einmal definieren müssen. Wir müssen unserem eigenen Leben selbst einen Sinn geben!

Die Werkzeuge der Freimaurerei können uns helfen und erkennen lassen, aber den Weg, müssen wir schon selbst bauen und gehen. Dazu benötigen wir dann den offenen Geist, das Sapere Aude und den Willen zur Erkenntnis.

FAZIT – EIN ETHISCHER BUND

Sollten wir die Freimaurerei nicht nur als Hobby betreiben, sondern mit einem echten und wahren Anspruch an uns selbst, so benötigen wir dazu sicherlich keine Ämter und Grade. Die wahre Freimaurerei sollte keine Hürden oder Grenzen kennen.

Sicherlich aber benötigen wir die Logen, in denen der brüderliche Umgang, die Nächstenliebe gelebt und ausgelebt werden. Die ethische und moralische Grundlage unseres Handelns als Freimaurer kann dort vermittelt werden und uns in unsrem Sein formen.

Wir waren und sind ein ethischer Bund, auch wenn das gerade einige Strömungen und Mitglieder von einigen Großlogen nicht immer einsehen wollen und sich eher als eine Art Religion sehen. Aber das sind wir „Gott sein Dank“ nicht! Aber ein Bund Menschen von gutem Ruf, die gleiche Ideale und Ziele verfolgen, auf Basis von (hoffentlich) identischen ethischen und moralischen Werten. Wir müssen die Werte in uns aufnehmen, sie Bestandteil unseres Lebens werden lassen. Dann können wir auch in der Gesellschaft wirken und unsere, eben diese Werte vertreten.

Darauf ein 3×3.

(Rene Schon)