Das Ende meines freimaurerischen Weges? (Teil 2)

5. PROLOG 2.0

Am 21. Juni dieses Jahres hatte ich den ersten Teil meiner Reihe „Das Ende meines freimaurerischen Weges“ veröffentlicht. Hierin schrieb ich von „Ent-Täuschungen“ und Irritationen mit einzelnen Freimaurer-Brüdern sowie von meiner Entfremdung von meiner Johannisloge. Bis zum Herbst dieses Jahres wollte ich entscheiden, ob ich dem Freimaurertum den Rücken kehre, mich innerhalb des Freimaurertums umorientiere oder ob ich meinen freimaurerischen Weg in der eingeschlagenen Weise fortsetze. Diesen Prozess der Reflexion und Auseinandersetzung wollte ich hier auf meinem Blog begleiten.

Doch manchmal spielt das Leben Wildcards, die alle Prioritäten durcheinanderwirbeln. So auch bei mir. Zwar lief besagter Prozess im Hintergrund weiter, jedoch hatte ich zunächst auf andere Entwicklungen in meinem Leben zu reagieren. Daher kann ich zum jetzigen Zeitpunkt zweierlei sagen: Das Zeitfenster bis Herbst ist für mich nicht mehr zu halten. Und in die Frage, was mein Verhältnis zum Freimaurertum angeht, ist in Bewegung gekommen.

6. NOCHMAL EINEN SCHRITT ZURÜCK

Ich empfand meinen ersten Artikel dieser Blogserie vergleichsweise ausgewogen. Zwar schrieb ich von Irritationen und „Ent-Täuschungen“, die ich mit einzelnen Brüdern meiner Johannisloge erlebt hatte, allerdings räumte ich auch ein, dass es Brüdern meiner Loge mit mir wohl ganz ähnlich ergangen sein dürfte. Doch der Erste, der mich daran zweifeln ließ, ob mein Artikel tatsächlich so ausgewogen war, war ein sehr enger und langjähriger Freund, der mich fragte, ob sich die betroffenen Freimaurer durch diesen Artikel nicht angegriffen fühlen könnten. Auch aus meiner Johannisloge wurde mir gesteckt, dass dieser Artikel bei einzelnen nicht gut angekommen sein könnte. Was also sollte ich tun? Ich bat meine Frau, die die betreffenden Brüder meiner Johannisloge oberflächlich auch kennt, sich diesen Artikel durchzulesen und mir ihren Eindruck zurückzumelden. Und was soll ich sagen? Sie fand es daneben, dass ich mit solch einem Thema in solch einer Weise an die Öffentlichkeit gehe. Wäre sie von diesem Artikel betroffen gewesen, sie hätte sich auf den Schlips getreten gefühlt.

Diese Reaktionen verunsicherten mich. Sie ließen mich innehalten und darüber nachdenklich werden, ob beziehungsweise in welcher Form ich diese Blogserie fortsetze. Dies half mir, mir noch einmal klarer über meine Motivation zu werden.

Zu der Frage, was meine Motivation zu dieser Blogserie ist, hatte ich ja bereits im ersten Teil einiges geschrieben. Das vorausgesetzt, ist es mir wichtig, noch einmal klarzustellen, dass diese Blogserie keine Abrechnung wird. Weder mit einzelnen Freimaurer-Brüdern, noch mit meiner Johannisloge. Daher werde ich hier keine Namen nennen und Begebenheiten so abstrakt wie möglich umschreiben. Ich stehe für mich vor einer weitreichenden und einschneidenden Entscheidung. Und diese will ich hier auf meinem Blog herleiten und reflektieren. Das wird natürlich auch miteinschließen, dass ich davon schreiben werde, wo ich selber Brüder meiner Johannisloge „ent-täusch“ oder irritiert habe (soweit meine blinden Flecken es zulassen). Es wird hier jedoch keine Schlammschlacht und kein Nachtreten geben. Daher können die Leser meines Blogs, die es sich in Erwartung einer Seifenoper schon mit Popcorn und Cola auf dem Sofa bequem gemacht haben, Popcorn und Cola schön wieder in den Supermarkt zurückbringen. Auf meinem Blog wird es keine Seifenoper geben.

Und zu der Frage, warum ich diese Reflektion nach außen trage (eine Frage die mich mehrfach erreichte), möchte ich folgendes antworten: Warum nicht? Seit ich angefangen hatte zu bloggen, ist ein konstantes Charakteristikum meiner Artikel, dass ich meinen Lesern auch einen Blick in mein Inneres gewähre. Es geht mir nicht (nur) darum, über abstrakte Ideen, hehre Ideale oder freimaurerische Persönlichkeiten, die irgendwann in der Vergangenheit mal gelebt und Großes vollbracht haben mögen, zu schreiben. Nein, meine Leser sollten von Anfang an erfahren, was dem Menschen „Hagen Unterwegs“ auf seinem freimaurerischen Weg begegnet und was das mit ihm macht. Meine Leser sollten erfahren, was am Freimaurertum mich berührt und bewegt, womit ich ringe und woran ich verzweifle. Und wenn ich mir die Rückmeldungen anschaue, die ich auf meine Blogartikel erhalte, dann ist es genau das, was meine Leser an meinem Blog schätzen. Mit vielen Themen scheine ich mich auf meinem Blog stellvertretend für viele andere Freimaurer zu befassen. Und für Außenstehende wird durch meine Art des schreibenden Reflektierens dieses oft etwas Nebulöse und schwer zu greifende Freimaurertum mit einem Mal einmal greifbarer. Und darüber hinaus wissen meine Leser: Wenn ich etwas Positives über das Freimaurertum schreibe, dann ist es auf Herz und Nieren geprüft. Und das wissen sie, weil ich auch die Negativseiten des Freimaurertums nicht verschweige. Das zusammengenommen macht die Authentizität und Glaubwürdigkeit meines Blogs aus. Und aus diesem Blickwinkel heraus stellt sich die Frage, weshalb ich diese Serie bezüglich meiner freimaurerischen Zukunft veröffentliche, gar nicht mehr.

7. REACTION-BLOGARTIKEL

Ergo: Ich werde diese Serie fortsetzen. Und nach so viel durchaus notwendiger Vorrede, komme ich nun zum eigentlichen Artikel: Und dieser Artikel wird ganz anders sein, als ich das ursprünglich mal geplant hatte. Denn: Auf keinen anderen Blogartikel habe ich jemals so viel Rückmeldung erhalten, wie auf den ersten Teil dieser Serie. Auf ganz unterschiedliche Weisen erreichten mich ganz unterschiedliche Reaktionen. Ich kam anfangs gar nicht hinterher, auf diese alle möglichst umgehend zu reagieren. Und es waren ganz viele inhaltliche Edelsteine dabei!

Je mehr ich mich mit den verschiedenen Reaktionen auf meinen Blogartikel auseinandersetzte, desto mehr merkte ich, wie diese Auseinandersetzung Teil der Reflexion meiner Fragestellung, ob mein freimaurerischer Weg zu Ende geht und wenn nein, in welcher Form er weitergehen kann, wurde.

Daher habe ich die ursprüngliche Idee, wie ich diese Serie aufbauen will, etwas über den Haufen geworfen und widme den zweiten Teil dieser Serie ausschließlich den Reaktionen auf den ersten Teil. Bei YouTube gibt es das Format der „Reaction-Videos“. Hierbei filmt sich der YouTuber dabei, wie er ein Video eines anderen YouTubers anschaut und auf dieses reagiert und dieses kommentiert. So in etwa wird auch dieser Blogartikel hier werden, halt nur in geschriebener Form. Er wird eine Art Reaction-Blogartikel werden.

8. EIN MASSENPHÄNOMEN?

Die überragende Mehrheit der Rückmeldungen von Freimaurern und Ex-Freimaurern auf meinen Blogartikel war, dass sie den Punkt, an dem ich bezüglich des Freimaurertums stehe, aus ihrer eigenen Vita kannten. Ein freimaurerischer Blogger, mit dem ich via Sprachnachrichten dazu ins Gespräch kam, teilte den Eindruck, dass es sich hierbei um ein „freimaurerisches Massenphänomen“ handele.

Einen Freund von mir, der selber kein Freimaurer ist, erinnerte die Dynamik, die mein Blogartikel innerhalb der freimaurerischen Social-Media-Community auslöste, sehr an #Aufschrei oder #MeToo: Eine Person berichtet von etwas, was sie erlebt hat beziehungsweise was ihr wiederfahren ist, und mit einem Mal tritt einer nach dem anderen hervor, hebt den Finger und sagt: „Ich kenne exakt dasselbe aus eigenem Erleben.“

Eine große Zahl an Freimaurern – wenn nicht sogar jeder Freimaurer – hatte in Bezug auf das Freimaurertum ganz ähnliche „Ent-Täuschungen“ erlebt wie ich. Doch wie die einzelnen Freimaurer damit umgegangen waren, unterscheidet sich sehr voneinander.

Ein nicht unwesentlicher Teil hat dem Freimaurertum ein für alle Mal den Rücken gekehrt. Und um es klar zu sagen: Alle diese Austritte erfolgten ausschließlich aufgrund zwischenmenschlicher Enttäuschungen mit anderen Freimaurern. Keine anderen Gründe wurden genannt. Ein Phänomen, das ich zu bestätigen weiß: In meinem direkten Logenumfeld sind von den Brüdern, die in dem Zeitraum von etwa fünf Jahren vor meiner Aufnahme bis fünf Jahre nach meiner Aufnahme dem Bund beigetreten sind, schätzungsweise Dreiviertel wieder ausgetreten beziehungsweise haben sich aus dem Logenalltag zurückgezogen. Dies scheint logenübergreifend ein derart gravierendes Problem zu sein, dass es schon arg verwundert, dass dieses Phänomen innerhalb des Freimaurertums nicht viel präsenter und offensiver diskutiert wird. Mir scheint, als hätte das Freimaurertum hier einen blinden Fleck.

Ein weiterer, großer Teil hat nach einem Vorgang des inneren Ringens die eigenen Erwartungshaltungen an das Freimaurertum revidiert und dadurch eine neue Zufriedenheit auf dem eigenen freimaurerischen Weg finden können. Zwei Rückmeldungen fand hierbei besonders erwähnenswert. So schrieb mir ein Freimaurer-Bruder, dass er mehrfach an diesem Punkt gestanden habe und sich mehrfach neu habe entscheiden müssen, ob er Freimaurer bleiben wolle, weil ihm richtiggehend Widerliches durch Brüder wiederfahren war. Dieser Bruder jedoch blieb dabei und ist heute in der freimaurerischen Außenwahrnehmung ein hell strahlender Leuchtturm der Humanität. Ein anderer Freimaurer-Bruder trat aus dem Freimaurertum aus und erst nach einigen Jahren, nachdem sich seine Erwartungshaltungen gewissermaßen geläutert hatten, wieder ein. Die beiden Brüder sind heute langjährige und zufriedene Freimaurer.

Zu diesem ganzen Komplex rund um die Frage des Austritts aus dem Freimaurertum erreichte mich noch ein weiterer nachdenkenswerter Gedanke: Trete ein Freimaurer aus, erschaffe dies nur Verlierer: Zum einen den Ausgetretenen, dem in den allermeisten Fällen etwas fehlen werde, was ihn zuvor in irgendeiner Weise innerlich berührt habe. Daher bliebe in den allerseltensten Fällen ein Ex-Freimaurer zurück, der seine Entscheidung nicht auch bereue. Und zum anderen sei da seine ehemalige Loge, die einen Bruder mit einzigartigen Eigenschaften, Charakterzügen und Fertigkeiten verloren habe. So platt es auch klingt: Jeder Freimaurer, der deckt, hinterlässt eine Lücke in seiner Loge, die durch niemanden anders wieder geschlossen werden kann.

9. DAS PROBLEM DER ERWARTENSHALTUNG

Damit sind wir mittendrin in der Fragestellung: Welche Erwartungshaltung habe ich an das Freimaurertum und ist diese Erwartungshaltung überhaupt berechtigt? Viele Rückmeldungen auf den ersten Teil dieser Blogserie drehten sich direkt oder indirekt um ebendiese die Fragestellung.

In der Auseinandersetzung mit dieser Frage wurde mir klar: Dass ich mich von einzelnen Brüdern „ent-täuscht“ und verletzt fühle und mich von meiner Johannisloge entfremdet habe, hängt zu einem großen Teil damit zusammen, dass ich mit falschen Erwartungshaltungen an die ganze Sache herangegangen bin. Das, was hier „ent-täuscht“ wurde, waren meine Erwartungshaltungen. Es war eine „Ent-Täuschung“, ein „Ende der Täuschung“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich unterstelle nicht, dass die Freimaurer-Brüder, mit denen ich mich im Vorfeld meiner Aufnahme getroffen hatte, um abzuklopfen, ob das Freimaurertum zu meinem Weg passt oder nicht, mich vorsätzlich hinters Licht geführt hätten, um in mir falsche Erwartungen und Hoffnungen zu schüren. Vielmehr bin ich mit einer deutlichen Vorprägung und viel Hintergrundwissen an das Freimaurertum herangetreten. Schon bevor ich Freimaurer wurde, hatte ich in der Männerarbeit nach Richard Rohr einen Initiationsritus durchlaufen, Bruderschaft erfahren und an mir selbst gearbeitet. Dies alles hatte ich genommen und einfach mit dem Freimaurertum addiert. Heraus kamen eine Bruderschaft und ein Initiationsritus der Superlative. Dass das Freimaurertum an einigen Stellen jedoch etwas von der persönlichen und zwischenmenschlichen Tiefe vermissen lässt, die ich in der Männerarbeit erlebt hatte, wollte ich zunächst nicht wahrhaben. Nichtsdestotrotz weist das Freimaurertum gerade in Punkto Symbolik und historischer Verwurzelung Qualitäten auf, die ich in der Männerarbeit nach Richard Rohr nicht vorfinde.

10. EIGENE THEMEN PROJIZIEREN

Aus dem ersten Teil dieser Blogserie ergab sich unter anderem ein Telefonat, das eine ganz essentielle Fragestellung nach oben spülte. Ich führte es mit einem Freimaurer-Bruder, mit dem sich meine Wege online immer mal wieder gekreuzt hatten. Ein Bruder, der Coaching-Hintergrund hat und ebenfalls spirituell unterwegs ist. Dieses Telefonat dauerte recht lang und war von einer großen Verbundenheit und einem tiefen Verstehen geprägt. Eine ganze Weile stellte mir dieser Bruder einfach nur Fragen, um mich und meinen Hintergrund sowie meine Beweggründe zu verstehen.

Aus diesem Gespräch nahm ich vor allem einen Impuls, eine Fragestellung für mich mit, nämlich: Das, was mich an anderen Freimaurer-Brüdern irritiert, verletzt oder triggert, könnten in erster Linie meine eigenen Themen sein. Eventuell habe ich sie für mich noch nicht gelöst oder habe einfach keinen Blick für sie, weshalb ich entweder diese Themen auf mein Gegenüber projiziere und mich dann an meinem Gegenüber abarbeite. Oder aber mich an meinem Gegenüber abarbeite, wenn ich verdrängte Themen von mir unterbewusst tatsächlich bei ihm wahrnehme. In beiden Fällen ist das Problem also nicht der andere Freimaurer-Bruder, sondern das Problem bin ich selbst beziehungsweise Anteile von mir, die ich nicht sehen kann oder will und/oder noch nicht aufgearbeitet habe.

Dieser Ansatz ist jetzt weder groß originell noch irgendwie neu für mich. Gewissermaßen gehört er zu meinem spirituellen Standard-Handwerkzeug. Trotzdem war es in meiner aktuellen Situation sehr wertvoll, diesen Ansatz noch einmal hervorzukramen und den Spot drauf zu setzen. Denn seither dämmert es mir, dass hier ein weiterer Schlüssel liegen könnte, meine aktuelle Situation und Fragestellung zu klären.

11. DEN EIGENEN RAUEN STEIN BEARBEITEN

Wenn ich mir die letzten beiden Unterpunkte mit ihren Fragestellungen nach meiner Erwartungshaltung und meinen eigenen Themen, die ich auf andere Brüder projiziere, anschaue, merke ich, dass der Fokus von den Anderen weg und hin zu mir selbst schwenkt. Weg von den Rauen Steinen anderer Freimauer hin zu meinem eigenen Rauen Stein. Viele weitere Rückmeldungen zielten auch genau in diese Richtung.

Projiziere ich Ecken und Kanten meines eigenen Rauen Steins auf die Rauen Steine der anderen, so muss ich mir die Frage gefallen lassen, wieso ich nicht zunächst die Ecken und Kanten an meinem eigenen Rauen Stein wahrnehme und zulasse. Dann bin ich doch überhaupt erst in der Lage, sie auch bearbeiten zu können.

Und wenn ich zudem mit Erwartungshaltungen, die dem Realitätscheck nicht standhalten, an das Freimaurertum herantrete, muss ich mir die Frage gefallen lassen, ob ich nicht zunächst diese Form der überschüssigen Ecken und Kanten meines eigenen Rauen Steins abzuschlagen habe.

Das, was danach übrigbleibt, gilt es, mir anzuschauen und für mich zu klären, ob dies für meinen persönlichen Weg einen Mehrwert hat.

Hier schwingt noch eine weitere Fragestellung mit, die mir ebenfalls ein Freimaurer als Reaktion auf den ersten Teil dieser Blogserie stellte: Wieviel Macht räume ich anderen (Freimaurern) über meine eigenen Emotionen ein? Ich lasse diese interessante Fragestellung mal unkommentiert nachhallen…

Bleibe ich im Bild des Rauen Steins, dann ist ein regelmäßiges Infragestellen meines freimaurerischen Weges notwendiger Bestandteil ebendieser Arbeit am Rauen Stein. Und gerade die Negativerlebnisse mit dem Freimaurertum helfen, den eigenen Blick zu klären. Denn nur so kann ich aufmerksam werden für die Ecken und Kanten meines eigenen Rauen Steins. Diese Art der Reflexion sollte einen jeden Freimaurer ausmachen.

12. EINMAL FREIMAURER – IMMER FREIMAURER?

Weiter gab es einige Rückmeldungen, die mir sagten, dass mein freimaurerischer Weg nicht ende, nur, weil ich dem Freimaurertum den Rücken kehre. Denn Freimaurer-Sein drücke sich in einer Lebenshaltung, einem Lebensweg sowie einer Art sich zu hinterfragen und an sich zu arbeiten aus; nicht an einer Mitgliedschaft in einer Organisation. Zweifellos sei es für den Weg als Freimaurer förderlich, das in Anspruch zu nehmen, was das institutionalisierte Freimaurertum zu bieten hat: Ritual, Symbolik, brüderliche Gemeinschaft. Dies sei aber nicht grundsätzliche Voraussetzung, um ein Freimaurer sein zu können. Außerdem zeige nach Ansicht dieser Freimaurer die Art und Weise, wie ich an mir arbeite und diesen Prozess reflektiere, dass ich nach wie vor Freimaurer sei beziehungsweise in der freimaurerischen Idee verhaftet sei. Daher: Sollte ich mich am Ende dieses Prozesses dazu entscheiden, mich vom institutionalisierten Freimaurertum abzuwenden, sage dies noch nichts darüber aus, ob ich auch danach noch Freimaurer sei oder nicht. Und folglich sei mein Weg nach dieser Entscheidung auch nicht am Ende angelangt. Denn schließlich habe ich dadurch Erfahrungen gemacht und mich weiterentwickelt

13. SPIRITUELLE BRÜDER AM RAND

Eine kleine Randnotiz: Auf meinem Blog vertrete ich ja eine sehr spirituelle Herangehensweise an das Freimaurertum. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die einzig mögliche Spielart des Freimaurertums. Vielmehr sind die Brüder, die mit solch einer spirituellen Schlagseite ihren freimaurerischen Weg gehen, eine Minderheit. Dies führt dazu, dass es im Logenumfeld dieser Brüder wenige Gleichgesinnte gibt, mit denen sie in fundierten Austausch über ihre Sicht- und Herangehensweisen bezüglich des Freimaurertums treten können.

Und dies war ein Umstand, den mir einige dieser spirituellen Brüder zurückgemeldet haben. Ein Umstand, der spirituelle Brüder oft daran zweifeln lässt, ob sie im Freimaurertum richtig aufgehoben sind. Dies bedeutet nicht, dass diese Brüder in ihren Logen nicht auf gebildete und inspirierende Menschen getroffen wären, mit denen sie nicht bereichernden Austausch gehabt und Brüderlichkeit erlebt hätten. Es ist nur so, dass diese spirituellen Brüder für ihre sie in der Hauptsache treibenden Themen und inneren Entwicklungen in der Loge oftmals kaum Abnehmer finden und sich daher fragen, ob das Freimaurertum für sie nach wie vor die richtige Heimat ist.

Dieses Spannungsfeld kenne ich aus eigenem Erleben ebenfalls. Und dies bringt zwangsläufig die Frage mit sich, ob das Freimaurertum tatsächlich der richtige Ort für mich ist, um innerlich zu wachsen und mich zu entwickeln. Oder ob es richtig wäre, mir einen anderen Ort dafür zu suchen. Einen Ort, wo der spirituelle Aspekt im Mittelpunkt steht und kein Randdasein fristet.

14. GANZ GANZ GROSS

Insgesamt bleibt hervorzuheben, dass ich auf den ersten Teil dieser Blogserie aus ganz unterschiedlichen Ecken Deutschlands und aus ganz unterschiedlichen freimaurerischen Richtungen diverse Gesprächsangebote bekommen habe. So viele, dass ich gar nicht alle annehmen konnte. Es kam zu Telefonaten, zu Schriftverkehr oder zu Sprachnachrichten mit Brüdern, die ich teilweise vorher noch gar nicht gekannt hatte. Dieser Austausch war jedes Mal von großer Empathie und Herzlichkeit geprägt. Einzelne dieser Gespräche gingen sehr in die Tiefe. Das Freimaurertum hat sich hier von einer ganz, ganz großen Seite gezeigt! Eine Seite, die ich zugegebenermaßen etwas aus den Augen verloren hatte.

Aus einem Teil dieser Konversationen ergaben sich Einladungen zu Besuchen von Tempelarbeiten der Logen der entsprechenden Brüder. Dies hat den Entschluss in mir reifen lassen, noch einmal auf Johannisgesellenreise zu gehen, bevor ich eine Entscheidung bezüglich meiner freimaurerischen Zukunft treffe. Ich werde den Zirkel weit fassen und neben meiner eigenen Loge Tempelarbeiten unterschiedlichster Lehrarten besuchen. Ich will mich ganz neu einlassen auf Symbolik und Ritual des Freimaurertums. Und in mir nachhallen lassen. Was die freimaurerische Vielfalt angeht, sitze ich hier in Hamburg an der Quelle. Und dies gilt es auch zu nutzen.

Einige Freimaurer sagten mir sinngemäß, dass es nicht nur darum ginge, zu schauen, was mich alles vom Freimaurertum trenne; so wie ich es in dem ersten Teil dieser Blogserie ja überwiegend getan hatte. Vielmehr ginge es auch darum, nicht aus den Augen zu verlieren, was mich mit dem Freimaurertum verbinde. Der hier beschriebene freimaurerische Austausch half mir, auch diesen Fokus wieder zuzulassen.

Dies alles zusammengenommen bedeutet natürlich, dass sich ein zeitliches Ultimatum, wie es mir vor mittlerweile einigen Monaten gestellt worden ist und das jetzt bereits geschliffen worden ist, komplett erledigt hat. Ich bin inmitten eines Prozesses. Dieser Prozess geht voran und arbeitet in mir, er ist jedoch nicht in zeitliche Vorgaben zu pressen.

15. ZWISCHENFAZIT

Das wären so die groben Linien an Rückmeldung, die ich auf den ersten Teil dieser Blogserie bezüglich meines weiteren freimaurerischen Weges erhalten habe. Wahrgenommen durch meine Brille. Ausgedrückt mit meinen Worten. Ganz sicher ist das, was ich hier wiedergegeben habe, nicht abschließend. Ganz sicher werde ich Dinge übersehen haben und das ein oder andere anders verstanden haben, als der Absender es gemeint hatte. Aber so läuft das Spiel nun einmal.

Ich kann für mich sagen, dass diese Rückmeldung für mich unheimlich wertvoll sind. Sie haben mein Blickfeld erweitert. Sie haben mich innerlich vorangebracht. Der „Hagen Unterwegs“ vor dem ersten Teil dieser Blogserie ist ein anderer als der „Hagen Unterwegs“ nach dem ersten Teil dieser Blogserie. Ich bin für mich definitiv noch zu keiner Entscheidung gelangt, was meine freimaurerische Zukunft anbelangt. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Entscheidung fundiert und wohl abgewogen werden wird. Vielen Dank dafür!

Von dem was bleibt – eine Gedankensammlung

5. TEIL DER SERIE: „FREIMAUREREI ALS LEBENSEINSTELLUNG“ (GASTBEITRAG)

Was bleibt vom Freimaurertum? Wenn man diese ganzen freimaurerischen Äußerlichkeiten, die Ämter und Grade, die Hierarchien und Institutionen, die Etikette und das Elitäre und den ganzen Habitus, der daraus erwächst, wegnimmt, was bleibt dann noch vom Freimaurertum übrig? Was ist die freimaurerische Lebenseinstellung, der freimaurerische Lebensweg hinter alledem? Was am Freimaurertum hat Bestand, wenn man hinter dessen äußere Fassaden blickt? Seit einigen Monaten begleiten mich ebendiese Fragen. Und ich habe keine abschließende Antwort darauf.

Daher wuchs die Idee in mir, ganz unterschiedliche Feimaurerinnen und Freimaurer zu bitten, ihre Antworten zu diesen Fragen aufzuschreiben und auf meinem Blog zu veröffentlichen. Sie alle eint, dass ich sie als tiefgründig und inspirierend erlebe. Einige von ihnen kenne ich aus meinem tagtäglichen Leben, mit anderen wiederum habe ich mich bislang nur virtuell ausgetauscht. Zu einigen verbinden mich tiefe geschwisterlich freundschaftliche Beziehungen, andere erlebe ich aus der Ferne. Doch ich bin sehr gespannt, was sie dazu zu sagen haben. Über das Jahr verteilt will ich ihre Antworten auf diese Fragen nach und nach auf meinem Blog einstreuen.

Mit dem nun folgenden Text meldet sich der Blogger und Buchautor René Schon zu Wort. Rene ist 1976 in Fürth/Bayern geboren, liiert und hat einen Sohn. Rene ist Mitglied der Loge „Jacob de Molay zum Stern im Süden“ („Südloge“), der freimaurerischen Forschungsloge „Quatuor Coronati“ sowie im Emirat Shriners in Heidelberg. Zudem betreibt er den Freimaurer-Blog „Freimaurergedanken„.

Sich selbst beschreibt Rene als bekennenden Freimaurer, der seinen freimaurerischen Weg als überzeugter Ateist mit einem ausgeprägten humanitären Ansatz geht. Die Grundlagen dieses Weges sind Gleichheit, Toleranz, Freiheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit und Humanität. Diese Werte bilden für ihn die unumgänglichen Eckpfeiler des ethischen Bundes der Freimaurer, weshalb er sich für ein brüderliches und schwesterliches Miteinander unterschiedlichster Freimaurer im Kleinen sowie für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Großlogen im Großen einsetzt. Die Freimaurerei ist für ihn ein Werkzeug, ethische und moralische Werte zu vermitteln.

Im Salierverlag sind bereits folgende Bücher von Rene erschienen:
– Ernst und Falk 2014: Gespräche für Freimaurer (ISBN-10: 9783943539523 / ISBN-13: 978-3943539523)
– Laut denken mit einem Freund: Logengespräche über Politik, Gesellschaft und Religion (ISBN-10: 9783943539912 / ISBN-13: 978-3943539912)

Mit Rene verbindet mich mittlerweile seit einigen Jahren eine freundschaftliche Beziehung, trotz vieler hundert Kilometer, die wir auseinander wohnen. Ich erlebe ihn als entschieden und streitbar und gleichzeitig herzlich und zugewandt. Und auch wenn es bisweilen schon mal vorgekommen ist, dass Rene sich mit etwas Übereifer in das ein oder andere inhaltliche Gefecht gestürzt hat, so schätze seine Meinung doch sehr; insbesondere als Gegenpart zu meiner eigenen Meinung. Umso größer war meine Freude, als er zusagte, sich in meiner aktuellen Blogreihe ebenfalls zu Wort zu melden.

VON DEM WAS BLEIBT – EINE GEDANKENSAMMLUNG

WAS BLEIBT?

„Was bleibt vom Freimaurertum? Wenn man diese ganzen freimaurerischen Äußerlichkeiten, die Ämter und Grade, die Hierarchien und Institutionen, die Etikette und das Elitäre und den ganzen Habitus, der daraus erwächst, wegnimmt, was bleibt dann noch vom Freimaurertum übrig? Was ist die freimaurerische Lebenseinstellung, der freimaurerische Lebensweg hinter alledem? Was am Freimaurertum hat Bestand, wenn man hinter dessen äußere Fassaden blickt?“

Diese vielen Fragen haben mich vor einigen Wochen von meinem Br. Hagen aus Hamburg erreicht mit der Bitte, ein paar Zeilen und Worte hierzu zu schreiben. Natürlich komme ich dem gern nach, aber ich habe Hagen schon gewarnt, dass dies durchaus mit kritischen Worten passieren kann…

WAS BLEIBT, WENN MAN DIE GRADE WEGLÄSST?

Das ist eine wirklich sehr gute Frage. Allerdings wurde diese schon vor vielen Jahren gestellt. Selbst die Gründerväter des ‚Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne‘ hatten beschlossen, dass sie die Grade gern weglassen würden und nur in einem einzigen Grad arbeiten wollen. Sie wollten nicht, dass die Brüder durch die Grade getrennt werden. Leider hielt dies nicht lange an, da die Brüder die 3 Grade wieder zurückhaben wollten.

Ohne Grade dürfen Lehrlinge und Gesellen in einigen Logen nicht am brüderlichen Gespräch teilnehmen, wie ich erfahren musste. Dies ist erst ab dem Meistergrad „erwünscht“. Die jüngeren Brüder sollen sich in der Zurückhaltung üben, im Zuhören und aus den Gesprächen lernen. Ob man hier von einer Begegnung auf der Winkelwaage sprechen kann/darf, wage ich zu bezweifeln.

Allein bei einer sogenannten „Weißen Arbeit“, einer Tafelloge (wenn die Freimaurer als Feierlichkeit zusammen ein gemeinsames Essen veranstalten) werden die einzelnen Grade strikt getrennt. Dabei kommt es dazu, dass die Lehrlinge gerne die erfahrenen Meister bedienen und somit servieren dürfen.

Wenn man dies aber alles weglassen würde, dann könnten sich die Brüder und Schwestern wirklich auf einer Ebene der Winkelwaage begegnen. Losgelöst von den Zwängen eines Grades, von den Regeln der Logen und auf Augenhöhe.

WAS BLEIBT, WENN MAN DIE ÄMTER WEGLÄSST?

Sicherlich auf den ersten Blick erstmal etwas Verwirrung bis hin zum Chaos. Die Ämter sind vor allem dazu da, eine Loge zu führen. Eine Freimaurer Loge ist leider nichts anderes, als ein eingetragener Verein. Daher braucht es viele der Positionen um die Loge zu leiten. Modernes Management in alten und hochtrabenden Titeln, wie es sie aber in jedem beliebigen Kegelverein auch gibt.

Natürlich würde das Weglassen von Ämtern einige der Brüder in ein gewisses Ungemacht stürzen. Sie leben für das Tragen eines Amtes und gehen in diesem dann völlig auf. Warum nur? Um etwas zu kompensieren, was ihnen im Leben verwehrt wurde? Mag sein, doch ich möchte hierüber kein Urteil fällen. Doch leider kenne ich einige dieser Brüder, die genau darin ihre Motivation sehen, dem Beamtenrat anzugehören.

Ich war schon immer der Meinung und habe es mehrfach gesagt: Das Amt sucht sich seinen Träger und auch wenn das einige nicht einsehen wollen, es wird so bleiben.

Wenn man die Loge oder die Großloge unterstützen möchte, muss man dazu nicht unbedingt einen Titel haben. Es muss von Herzen sein und dem Wohle der Loge dienen.

WAS BLEIBT, WENN MAN DEN ABAW WEGLÄSST?

Denken wir einen Schritt weiter. Was wäre nun, wenn wir einzelne Elemente aus den Ritualen weglassen würden. Nehmen wir als Beispiel den Baumeister aller Welten, das übergeordnete „supreme beeing“. Wenn wir nun dieses Element weglassen würden, hätten die Rituale keinen Bezug mehr zur Transzendenz. Aber wäre das so schlimm?

Ich persönlich würde hier mit einem klaren NEIN antworten. Natürlich wird nun der eine oder andere wieder schreien: „Dann ist es aber nicht mehr die reguläre Freimaurerei!“ Nun ja, das stimmt nur zum Teil. Die Großloge von England schreibt ein „supereme beeing“ vor. Daran könnte man auch als Atheist glauben, denn es ist jedem selbst überlassen, wie dieses Symbol zu füllen ist. Oder man lässt es einfach weg. Darüber habe ich schon ausführlich geschrieben und auch diskutiert.

Der Baumeister ist in einigen Ausrichtungen der Freimaurerei, wie z.B. dem Freimaurerorden ein wesentliches Element. Hier wäre der Verlust sicherlich eine schwerwiegende Entscheidung für die Brüder, und der Fortbestand ist damit in Frage gestellt. Aber auch diese Brüder sollten sich die Fragen stellen, was IN IHNEN SELBST übrigbleibt, wenn man dieses Symbol entfernen würde. Wären sie dann weniger ethische und humanistische Menschen?

Ein freimaurerisches Ritual wird auch ohne diese Symbole tragend und auch erfüllend sein. Es gibt bereits Logen (oh ja, auch reguläre!), die mit Ritualen arbeiten, welche ohne das Symbol des Allmächtigen Baumeisters auskommen. Religion oder der Glaube an ein höheres Wesen kann eben nicht nur verbinden, es kann auch Menschengruppen trennen oder sogar spalten.

WAS BLEIBT VON DEN LOGEN ÜBRIG

Von den Logen würden nach dem Wegfall der Äußerlichkeiten sicherlich schöne und nach außen oft pompöse Logenhäuser übrigbleiben. In vielen Städten sind diese Häuser bekannt oder werden auch der Öffentlichkeit für Events zur Verfügung gestellt, da solche Gebäude auch unterhalten werden wollen.

Wenn schon die Gebäude bekannt sind und auch zugänglich, dann wäre mit dem Wegfall „des freimaurerischen Rahmens“ sicherlich auch keine Deckung mehr gegeben. Dann würden die Brüder und Schwestern öffentlich dazu stehen müssen, was sie hier als Freimaurer tun und für welche Werte sie sich einsetzen. Ob dann das allgemeine Jammern über den Verlust der Deckung losgeht? Ausschließen, dass der Verlust der Deckung in einigen Bereichen zu Konsequenzen führt, kann man leider nicht. Daher ist die Frage nach der Deckung immer eine grenzwertige und vor allem sehr individuelle Frage. Blickt man auf die aktuelle Pandemie und die Anfeindungen und Verschwörungstheorien, welchen wir Freimaurer ausgesetzt sind, kann ich verstehen, wenn der ein oder andere Bruder (und natürlich auch Schwester) in sicherer Deckung leben möchte. Auch in anderen Ländern (nehmen wir die Türkei als Beispiel) darf man die Gefahr nicht verharmlosen, welche der Verlust der Deckung mit sich bringen würde.

VOM HABITUS – DER ART DES SOZIALVERHALTENS

Ich denke aber, dass die Frage auf einen ganz anderen Aspekt abzielt. Ich denke, was meinen Br. Hagen mehr interessiert, ist die Frage nach dem Habitus, also nach dem Verhalten, der inneren Haltung, dem Benehmen und Gebaren.

Diese Frage kann man schwer analysieren, denn so unterschiedlich die Brüder und Schwestern auch sind, so unterschiedlich ist sicherlich der Anspruch an einen selbst.

„GECHILLTE ZUFRIEDENHEIT“

Einer meiner Brüder meinte einmal, dass doch eine gewisse innere Ruhe da sein sollte, eine (so wie er sagte) „gechillte Zufriedenheit“. Natürlich wäre diese Ausgeglichenheit ein erstrebenswertes Gut und Ziel. Aber nicht alle Menschen sind dafür geschaffen. Oftmals reißen uns andere Dinge, sei es eine Pandemie, eine Lebenskrise oder auch nur wenig Schlaf aus den Bahnen, die wir selbst bis dahin leicht lenken und kontrollieren können.

Dabei ist gerade das Streben nach der (selbst im Ritual) oft angepriesenen Zufriedenheit eines der wichtigsten Ziele eines Freimaurers. Übernehmen wir diesen Aspekt in unser soziales und privates Umfeld, dann können wir ein ausgeglicheneres Leben führen und nicht immer dem Glück hinterherlaufen und damit dramatische Gefühlsachterbahnen vermeiden.

IDEALE DER FREIMAURER – EINE ERSTREBENSWERTE LEBENSWEISE

Wenn wir die Ideale der Freimaurerei, also die Toleranz, die Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit und Humanität, in uns aufgenommen haben, also nicht nur Logenbrüder sind für 2 Stunden in der Woche, während unseres Logenbesuches, so sollten wir ein Leben führen, was vollgepackt ist mit ethischen und moralischen Werten. Wenn dann die Werte und Ideale in „Mark und Bein“ übergegangen sind, dann haben wir uns erfolgreich bemüht, ein besserer Mensch zu werden. Wenn wir diese Werte nun auch noch nach außen tragen, auch ohne die Freimauerei, dann haben wir eine kleine Verbesserung in jedem von uns selbst erreicht.

VOM STREBEN NACH MEHR

Sollten wir also nun die Werte der Maurerei, die sich schon lange bewährt haben, in uns aufgenommen haben, also weitestgehend verinnerlicht haben, so können wir nach dem oft gesuchten „Mehr“ streben. Nach dem „Mehr“ in uns selbst und weiterhin an dem eigenen rauen Stein arbeiten. Somit wirken wir nicht nur durch unsere ethischen Werte in der Gesellschaft und an dem „um uns“, sondern auch wiederum an uns selbst. Ein nie endender Kreislauf der Selbstverwirklichung bis zur „Selbstoptimierung“. Dazu kommt dann auch die Frage nach dem, was nach uns kommt, was von uns bleibt.

Aber auch hier stellt sich die Frage, ob es dazu eine Freimaurerei braucht. Auch das kann man verneinen, denn die Wege zur Vervollkommnung des eigenen Ichs lernt man nicht ausschließlich in der Freimaurerei. Diese Werkzeuge wurden schon mehrfach exportiert und in diversen selbstbildenden Seminaren oder Vorträgen dem interessierten Publikum präsentiert. Wir Menschen neigen dazu, nach dem „Mehr“ zu suchen, zu streben und einen Sinn im Leben zu finden.

Doch auch hier finden wir nicht allein in der Maurerei eine Lösung, dann halten wir es doch wie Jean-Paul Sartre. Wir müssen selbst unserem Leben einen Sinn geben. Es gibt kein höheres Wesen oder eine vordefinierte Bestimmung, welche wir nicht selbst erkennen und vor allem erst einmal definieren müssen. Wir müssen unserem eigenen Leben selbst einen Sinn geben!

Die Werkzeuge der Freimaurerei können uns helfen und erkennen lassen, aber den Weg, müssen wir schon selbst bauen und gehen. Dazu benötigen wir dann den offenen Geist, das Sapere Aude und den Willen zur Erkenntnis.

FAZIT – EIN ETHISCHER BUND

Sollten wir die Freimaurerei nicht nur als Hobby betreiben, sondern mit einem echten und wahren Anspruch an uns selbst, so benötigen wir dazu sicherlich keine Ämter und Grade. Die wahre Freimaurerei sollte keine Hürden oder Grenzen kennen.

Sicherlich aber benötigen wir die Logen, in denen der brüderliche Umgang, die Nächstenliebe gelebt und ausgelebt werden. Die ethische und moralische Grundlage unseres Handelns als Freimaurer kann dort vermittelt werden und uns in unsrem Sein formen.

Wir waren und sind ein ethischer Bund, auch wenn das gerade einige Strömungen und Mitglieder von einigen Großlogen nicht immer einsehen wollen und sich eher als eine Art Religion sehen. Aber das sind wir „Gott sein Dank“ nicht! Aber ein Bund Menschen von gutem Ruf, die gleiche Ideale und Ziele verfolgen, auf Basis von (hoffentlich) identischen ethischen und moralischen Werten. Wir müssen die Werte in uns aufnehmen, sie Bestandteil unseres Lebens werden lassen. Dann können wir auch in der Gesellschaft wirken und unsere, eben diese Werte vertreten.

Darauf ein 3×3.

(Rene Schon)

Freimaurerei ist eine Haltung und ein Weg

4. TEIL DER SERIE: „FREIMAUREREI ALS LEBENSEINSTELLUNG“ (GASTBEITRAG)

Was bleibt vom Freimaurertum? Wenn man diese ganzen freimaurerischen Äußerlichkeiten, die Ämter und Grade, die Hierarchien und Institutionen, die Etikette und das Elitäre und den ganzen Habitus, der daraus erwächst, wegnimmt, was bleibt dann noch vom Freimaurertum übrig? Was ist die freimaurerische Lebenseinstellung, der freimaurerische Lebensweg hinter alledem? Was am Freimaurertum hat Bestand, wenn man hinter dessen äußere Fassaden blickt? Seit einigen Monaten begleiten mich ebendiese Fragen. Und ich habe keine abschließende Antwort darauf.

Daher wuchs die Idee in mir, ganz unterschiedliche Feimaurerinnen und Freimaurer zu bitten, ihre Antworten zu diesen Fragen aufzuschreiben und auf meinem Blog zu veröffentlichen. Sie alle eint, dass ich sie als tiefgründig und inspirierend erlebe. Einige von ihnen kenne ich aus meinem tagtäglichen Leben, mit anderen wiederum habe ich mich bislang nur virtuell ausgetauscht. Zu einigen verbinden mich tiefe geschwisterlich freundschaftliche Beziehungen, andere erlebe ich aus der Ferne. Doch ich bin sehr gespannt, was sie dazu zu sagen haben. Über das Jahr verteilt will ich ihre Antworten auf diese Fragen nach und nach auf meinem Blog einstreuen.

In diesem Artikel mischt sich Kai Stührenberg in die Diskussion ein. Kai stammt aus Bremen, ist 1964 geboren, verheiratet und Vater dreier Kinder. Nach der Lehre als Elektroanlageninstallateur leistete er seinen Zivildienst und absolvierte sein Studium zum Betriebswirt. Hiernach war er viele Jahre als Selbständiger, als Marketing- und Vertriebsleiter, als Trainer und schließlich siebzehn Jahre als Wirtschaftsförderer tätig. Aktuell bekleidet er das Amt des Staatsrats für Arbeit und Europa in der Bremer Verwaltung. Daneben spielt er Gitarre in einer Bremer Band.

Am 24.04.2014 wurde Kai in die Johannisloge „Zum Silbernen Schlüssel“ unter der Großloge „Zu den 3 Weltkugeln“ im Orient Bremen aufgenommen. Seit dem 09.03.2017 hat er dort den Grad des Johannismeisters inne. Am 25.11.2017 wurde Kai bei der Albert Pike Lodge 1067 im Orient ACGL angenommen und am 08.06.2018 in den Inneren Orient der Großen Loge Royal York zur Freundschaft aufgenommen. Aktuell hat er den „Royal & Select Master (VIII/IX)“ im Kapitel „Adam Kraft Council No.3“ des York Ritus in Hannover inne. In seinen Logen übt Kai unterschiedliche Ämter aus und ist auch im Förderverein des Freimaurer-Wiki aktiv. Er ist einer der Initiatoren des Podcasts „Freimaurer im Gespräch“ und hat im August 2018 im Leipziger Freimaurer Verlag das Buch „Die Arbeit am Rauen Stein – Ein Arbeitsbuch für Freimaurer im Lehrlingsgrad“ herausgebracht. Darüber hinaus ist er Mitglied in verschiedenen, dem Freimaurertum sehr ähnlichen Organisationen.

Kais und meine Wege kreuzen sich seit ein paar Jahren in den Sozialen Medien. Mir fiel er auf, weil ich bei dem, was er so von sich gab, eine tiefe spirituelle Verbundenheit spürte. Mittlerweile haben wir uns auch im richtigen Leben kennenlernen dürfen. Hierbei habe ich Kai als herzlichen und tiefsinnigen Bruder kennengelernt. Ein Bruder, der die Widersprüche, Spannungen und Gegensätze des Lebens und der Menschen sehen, aushalten, annehmen und integrieren kann. Daher war ich sehr gespannt, was er in dieser Blogreihe zu sagen hat…

FREIMAUREREI IST EINE HALTUNG UND EIN WEG

Meiner Zeit als Freimaurer ist eine lange Zeit der Suche vorangegangen. In den frühen 90ern wurde ich durch das Buch „Das Foucaultsche Pendel“ von Umberto Eco auf die Freimaurerei im Kontext von Geheimbünden und gnostischen Gruppierungen aufmerksam.

Nach intensiver Beschäftigung mit diesen Bünden und den dahinerliegenden Ideen, orientierte sich meine Aktivität zunächst auf die Rosenkreuzer und auf die Lehren der Hermetik.

Durch die Beschäftigung mit den Ideen der Hermetik und der Gnosis bekam ich das erste mal ein Gefühl für die Zusammenhänge dieser Welt. All das, was mir in den monotheistischen Religionen nicht einleuchtend war und zu Fragen führte, insbesondere über das Warum von Not und Elend in der Welt und die Ungerechtigkeit, die man überall sehen kann, konnte ich mir auf einmal zumindest ansatzweise beantworten.

Die Freimaurerei geriet für mich aber erstmal in den Hintergrund. Nach dem Besuch von Gästeabenden erschien mir der zeitliche Aufwand und die Verpflichtung im Kontext von Familie und Beruf zu hoch.

Die Suche nach Erkenntnis ging aber weiter. Mir gelang es, eine Grundidee davon zu bekommen, warum die Welt so ist wie sie ist und warum wir hier sind – warum ich da bin.

Bevor ich auf mein Verständnis der Freimaurerei eingehe und die Bedeutung der Freimaurerei auf mich und mein Leben eingehe, möchte ich ein paar Worte zu meinem Verständnis von Spiritualität schreiben. Das erscheint mir hilfreich, da es meine Sichtweisen auf die Welt entscheidend prägt und auch mein Blick auf die Freimaurerei davon bestimmt wird.

Nach dem Gedankengebäude der Hermetik (siehe Hermes Trismegistos oder die hermetischen Gesetze) aber auch einiger östlicher Lehren sowie dem der christlichen Mystik geht die unsterbliche Seele einen Weg und das „Ich“, also unsere derzeitige Inkarnation, begleitet sie dabei.

Gefallen aus dem göttlichen Seinszustand (was auch immer man sich darunter vorstellen mag) fällt sie in die Dualität dieser Welt. Dort muss sie sich gemäß dem Gesetz des Karmas immer wieder inkarnieren und Erfahrungen machen, damit sie sich reinigt, die Elemente ins Gleichgewicht bringt und irgendwann stärker als das Ego wird.

Dieser Weg ist ein geistiger, also die Überwindung der Materie durch den Geist. Wobei diese Welt natürlich auch Teil der Schöpfung ist, denn darin sind alle Gegensätze und die Einheit verbunden. Einordnungen wie „Gut“ oder „böse“, „männlich“ und „weiblich“, „Tag“ und „Nacht“ oder auf unseren Teppich bezogen „Mond“ und „Sonne“ oder „Jakin“ und „Boas“ sind allesamt Teile der Schöpfung aber eben auch Anteile von uns, die es zu verstehen und zu integrieren gilt. Die Dualität, die durch das musivische Pflaster symbolisiert wird, ist etwas, was es zu überwinden gilt und dennoch Teil des Ganzen ist.

Diese Sichtweise sollte man nicht mit der aus Buchhandlungen bekannten Trivialesoterik verwechseln. Wenn es auch Überschneidungen gibt, so spreche ich hier nicht über „Wünsch Dir was beim Universum“, sondern über die Lehren eines Pythagoras, Platon und dem viele Jahrhunderte später auftauchenden Neoplatonismus, sowie kluger Geister wie z.B. Giordano Bruno, Meister Eckhart, Isaac Newton oder Jacob Böhme und nicht zuletzt auch Wolfgang von Goethe, der diese Ansichten in dem „Gesang über den Wassern“ schön ausdrückt:

„Des Menschen Seele gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es,
und wieder nieder muß es, ewig wechselnd.
Strömt von der hohen, steilen Felswand der reine Strahl,
dann stäubt er lieblich in Wolkenwellen zum glatten Fels.
Und leicht empfangend, wallt er verschleiernd,
leisrauschend zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen dem Sturz entgegen,
schäumt er unmutig stufenweise zum Abgrund.
Im flachen Bette schleicht er das Wiesental hin.
Und in dem glatten See weiden ihr Antlitz alle Gestirn.
Wind ist der Welle lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus schäumende Wogen.
Seele des Menschen, wie gleichst Du dem Wasser!
Schicksal des Menschen, wie gleichst Du dem Wind!“

Der von mir beschriebene spirituelle Weg im Sinne der Hermetik oder des östlichen Yoga ist für den, der ihn gehen will, ein sehr befriedigender aber auch sehr anspruchsvoll. Er erzeugt die Hoffnung auf ein Ende dieses Weges, irgendwann in einem wiederlangten göttlichen Zustand aber er bedeutet auch Arbeit an sich selbst. Gleichzeitig erklärt er warum Menschen in so unterschiedlichen Lebensumständen leben müssen. Die Idee, dass jeder Mensch die Erfahrungen macht, die seiner Seele zuträglich sind, ist nicht ohne Gefahr des Zynismus und der Hybris, aber sie vermeidet den Bezug auf einen personalisierten Gott, der oberflächlich betrachtet, nicht viel für die Menschen übrig zu haben scheint. Es ist zumindest ein Denkmodell, das Erklärungsansätze ermöglicht für Dinge die bei einer stereotypen Betrachtung schlicht widersprüchlich und unerklärlich sind.

Gott ist in diesem Sinne das Prinzip der Schöpfung, vergleichbar einem Naturgesetz. Dieses Prinzip wirkt so wie die Gravitation, unabhängig davon, ob man an sie glaubt oder nicht. Ich glaube nicht daran, dass eine Institution Gott mein Verhalten beurteilt und jemand entscheidet, ob ich für Himmel oder Hölle bestimmt bin, aber ich glaube an ein übergeordnetes Prinzip, das ursächlich ist für die Schöpfung. Das ist mein Bild vom freimaurerischen „allmächtigen Baumeister aller Welten“ oder auch des „dreifach großen Baumeisters“ im Sinne des Hermes Trismegistos.

In diesem Verständnis erzeugt die Schöpfung einen Strom oder eine Energie, vergleichbar mit Elektrizität oder Magnetismus. Man kann sich mit diesem Strom bewegen oder dagegen anschwimmen. Alle in anderen Ideenwelten zur Anwendung kommenden Begriffe, wie Schicksal oder auch Karma sind an diesen Strom gebunden. Es ist der Kontext, in dem man sein Leben mehr oder weniger frei gestalten kann.

Manche Gruppierungen sprechen davon, dass man seiner Bestimmung folgen oder auch seinem „wahren Willen“ erkennen soll. Das trifft es ganz gut. Erkennt man den als Ganzes oder auch in jedem Augenblick, kann man versuchen, „das Richtige“ zu tun, was auch immer das für einen ist.

Der Spirituelle Weg führt über verschiedene Stufen zurück zu Ursprung (Religio=Rückbindung). Im westlichen Okkultismus finden wir für diesen Weg immer eine Gradstruktur, oft angelehnt an den kabbalistischen Lebensbaum mit seinen zehn Sephiroth.

Diese Gradstruktur erkennen wir auch in der Freimaurerei. Dort wird der Bezug zur Kabbala aber heute nur noch andeutungsweise und das auch nur in den Hochgraden hergestellt.

Für mich erschien die Freimaurerei wie ein System, das hilfreich sein könnte auf dem Weg der persönlichen Entwicklung. Deshalb habe ich 2014 entschlossen, Freimaurer zu werden.

Ich habe großartige Menschen kennengelernt und nach anfänglicher Enttäuschung, dass viele meiner Fragen nicht beantwortet werden konnten, verstanden, welche Qualität darin liegt in einer Loge zu Brüdern und Schwestern unterschiedlichster Couleur Zugang zu finden. Alle geeint durch gemeinsame Werte, das Versprechen, an sich zu arbeiten und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Mit den Jahren habe ich Freunde gewonnen und Vertrauen zu Menschen, die ich sonst nie getroffen hätte. Menschen, die weder meinem Alter entsprechen, noch meiner politischen Orientierung. Ich habe als Kriegsdienstverweigerer mit Soldaten in der Kette gestanden und verstanden, dass das Außen immer nur eine Facette des Menschen ist. Ich habe Menschen gefunden, mit denen ich mich über Symmetrien und Kristallgitter einer esoterischen Geometrie auseinandersetzen kann und Brüder, mit denen ich über meine Erlebnisse in Beruf und Familie sprechen kann oder mit denen ich meine Hoffnungen und Sorgen bereden konnte. Das Spektrum ist groß und auf jeden Fall unglaublich bereichernd.

Die Freimaurerei trägt die Qualität der Freundschaft in sich, die Möglichkeit, Brücken zu bauen und Gräben zu überwinden. Etwas, das wir Maurer gar nicht hoch genug schätzen können und diese Welt heute mehr braucht denn je.

Ich nehme die Freimaurerei sehr ernst. Sie hat Einfluss auf mein tägliches Handeln, denn ich gleiche mein Tun mit meinen Werten ab. Ich prüfe mich regelmäßig und versuche, die Toleranz nicht nur zu postulieren, sondern auch zu leben. Ich gebe mir jeden Tag auf´s Neue Mühe, mehr zuzuhören und von anderen zu lernen anstatt andere zu überzeugen. Das gelingt nicht immer, aber die Freimaurerei und meine Initiation geben mir die Kraft und das Rüstzeug, hier nicht müde zu werden.

Freimaurer zu sein hilft mir auch dabei, Kritik auszuhalten und für Werte einzustehen, denn ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin, sondern Teil einer jahrhundertealten Bewegung mit großen Geistern. Ich bin Teil von etwas Größerem, einer Idee, und einem Committment zu Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit, Toleranz und Humanität. Das stärkt mich und sorgt gleichzeitig für die nötige Demut. Die Freimaurerei gibt mir Zuversicht und hat mir zu viel mehr Gelassenheit, Ruhe und Verständnis verholfen. Diese Veränderung ist mir von vielen Menschen in meinem Umfeld zurückgespielt worden, sie scheint daher real vorhanden zu sein.

Auch wenn man als Freimaurer nicht mit der Nase drauf gestoßen wird, so kann man in vielen freimaurerischen Büchern und Instruktionen erkennen, welche Weisheit und Lehren über die Schöpfung in der Freimaurerei verborgen sind. Vieles ist in Vergessenheit geraten und vieles bewusst oder aus Unkenntnis von Brüdern entfernt worden. Aber der Kern ist noch da und kann in jeder Lehrart gefunden und erlebt werden.

Das Ziel des von mir eingangs beschriebenen Weges oder den Sinn des Lebens finden wir in unserer Symbolik. Im Hexagram ist das Ziel des freimaurerischen Weges offenbart. Natürlich auch in unserem zentralen Symbol – Winkelmaß und Zirkel – denn diese beiden sind in der Kombination ebenfalls ein Hexagram.

Das Hexagram symbolisiert die Verbindung von Feuer und Wasser, also der Aufhebung der Gegensätze. Es symbolisiert die Aufhebung der Dualität, also den Zustand der Einheit, den ich vorher bereits als göttlichen Zustand beschrieben habe. Wenn man versteht, dass das Hexagram auch noch eine Beziehung zum Kubus, also dem behauenen Stein, haben könnte, dann eröffnen sich weitere Möglichkeiten der Erkenntnis. Das Freimaurerische Ritual ist für mich ein symbolisches Abbild der Schöpfung in Konstruktion und Ablauf. Die Loge ein Symbol für den Kosmos in der Verbindung von Mikro- und Makrokosmos, ein heiliger Raum.

Der Weg zu diesem Ziel wird durch das Pentagram symbolisiert. Hier haben wir die vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft, die wir analog Platon oder auch C.G. Jung z.B. als Synonyme für charakterliche Qualitäten ansehen können und das fünfte Element, den Geist. Dieser zeigt uns den Weg, über den Ausgleich der Elemente zu einem geistigen Zustand, der Überwindung der Materie durch den Geist. Verbunden mit der Vorstellung, dass Materie nur manifestierter Geist ist, kann uns das Hinweise zur Natur der Schöpfung geben.

Gleichzeitig bekommen wir eine Idee davon, wie sehr wir selber unseres Glückes Schmied sind, also der Gestalter unserer eigenen Realität durch das, was wir denken und tun. Genau das ist es, was das freimaurerische Ritual uns lehren kann, auch wenn es nicht für jeden sofort offensichtlich ist.

Primär aber geht es in der Freimaurerei um das Diesseits. Darum, ein guter Mensch zu sein. Im Ritual lernen wir Freiheit, Gleichheit, Toleranz, Humanität, Geschwisterlichkeit – die Grundtugenden der Freimaurerei.

Wir lernen durch die Arbeit am rauen Stein unsere Emotionen zu kontrollieren und uns zu beherrschen. Wir lernen als Lehrling Demut und wir üben das Míteinander in der Loge. Wir veredeln unseren Charakter und versuchen, uns moralisch ethisch richtig zu verhalten, wobei die besondere Schwierigkeit ist, dass uns niemand erzählt, was das eigentlich ist, sondern dass wir das als Individuum selbst herausfinden müssen. Ohne Dogmen, ohne Lehrgebäude, sondern nur in Form von Anregungen für das eigene Denken. Sapere Aude – Nutze Deinen Verstand.

Natürlich tun wir auch Gutes in den Logen, für Kinder in Not, für Geflüchtete, für Kranke und arme Mitbürger und vieles Mehr. Aber das ist für mich eher ein Effekt als der Sinn der Freimaurerei. Charity ist wünschenswert und wichtig aber diese Aktivitäten können auch dazu einladen, sich selbstzufrieden zurückzulehnen und sich moralisch ethisch überlegen zu fühlen. Genau das wäre im freimaurerischen Sinn grundlegend falsch, denn es lenkt von der Arbeit an uns selbst ab.

Vor einiger Zeit sprach ich mit einem Bruder, der schon 40 Jahre Freimaurer war über die Selbsterkenntnis als Ziel der Freimaurerei. Am Ende des Gesprächs und am Ende der Unterhaltung sagte er mir zu meinem tiefen Erstaunen, dass er noch nie darüber nachgedacht hat, dass es bei der Freimaurerei um Selbsterkenntnis gehen könnte. Daran sehen wir, wie groß das Spektrum der Sichtweisen in der Freimaurerei ist und auch wie unterschiedlich jeder Bruder oder jede Schwester die Arbeit am rauen Stein für sich auslegen kann. „Einheit in der Vielfalt“ – besser kann man es nicht umschreiben.

Für mich ist es allerdings eindeutig: Der Kern der Freimaurerei sollte die Arbeit am rauen Stein sein, und das bedeutet für mich, dass es bei der freimaurerischen Arbeit um die Selbsterkenntnis geht. Was das für den einzelnen Bruder oder die Schwester bedeutet, ist divers.

Das ganze System und die darin enthaltene Symbolik sind Werkzeuge, die uns an die Hand gegeben werden, um auf dem Weg der Selbsterkenntnis voranzuschreiten. Das funktioniert bei dem einen Bruder besser als bei dem anderen und jeder kann selbst entscheiden, wie schnell und wie weit er gehen möchte. Diese Individualität ist ein wesentliches Merkmal der Freimaurerei und als Qualitätskriterium kaum zu überschätzen. Sie schafft den Rahmen für Menschen, die die Freimaurerei zu einer Lebenseinstellung machen, aber auch für Menschen, die sich einfach im Kreise gleichgesinnter bewegen möchten. Sie schafft die Möglichkeit für ein ethisch-moralisches Regulativ für manche Brüder, sie ermöglicht durch die Rituale und Regeln gruppendynamische Prozesse und gibt Impulse für tiefe spirituelle Wege.

Insofern ist die Freimaurerei für mich eine gute Vorbereitung für die weitere spirituelle Entwicklung. Nicht umsonst ist in vielen co-masonischen oder unabhängigen Orden der Meistergrad eine Voraussetzung für die Aufnahme. In jedem Fall ist sie eine wertvolle Basis für alles, was kommen mag.

„Einheit in der Vielfalt“ ist für mich der zentrale Satz. Der Konsens, der alle Brüder und Schwestern verbindet, ist groß genug, um Identifikation zu ermöglichen. Er ist aber auch flexibel genug, um Dogmen zu verhindern und er ist komplex genug, um auch höchste Ansprüche befriedigen zu können.

Die verschiedenen Lehrarten mögen oberflächlich sehr viele Unterschiede haben. Dringt man tiefer ein in Ritual und Symbolik, dann findet man aber mehr Verbindendes als Trennendes. Genau darauf sollten wir uns konzentrieren. Für Freimaurer kann es nicht darum gehen, welches die bessere Lehrart ist, sondern nur darum, wie man gemeinsam an sich selbst und an einer besseren Welt arbeiten kann.

Genauso ist es vollkommen unwichtig, welche Ämter ein Bruder oder eine Schwester innehat und welche Besuchsregeln nun was zulassen und was nicht. Diese Themen nehmen oft einen viel zu großen Raum in der Freimaurerei ein. Das alles sind Aspekte, die geprägt sind vom Ego, ohne jeden echten Wert für die Freimaurerei. Formalia, Regularitätsdiskussionen und Machtstreben sind absurd und sollten im Grunde zu profan für einen Freimaurer oder eine Freimaurerin sein. Sie lenken uns letztendlich nur von der eigentlichen Arbeit an uns selbst ab.

Wichtig ist nur, dass wir uns der Freimaurerei wirklich verpflichtet fühlen. Brüder, die in ihrem Worten oder Taten, sich über andere Menschen erheben, anderen Menschen körperliches oder seelisches Leid antun oder sich in politisch fragwürdigen Kontexten äußern, und sich dabei als Freimaurer outen, laufen Gefahr, dass sie nicht nur sich selbst unglaubwürdig machen, sondern auch noch das Bild der Freimaurerei insgesamt in Frage stellen. Daher spricht viel für Deckung und viel für ein hohes Verantwortungsbewusstsein bei einem gleichzeitig offenen Umgang mit der Freimaurerei.

Ich persönlich wünsche mir eine steigende Wertschätzung und gesellschaftliche Anerkennung der Freimaurerei in der Gesellschaft. Aber das kann nur durch eine Fokussierung auf die innere Arbeit geschehen und nicht durch die politische Positionierung in gesellschaftlichen Kontexten. Diese würde nur der heute im medialen Diskurs immanenten Polarisierung zum Opfer fallen. Außerdem wäre alleine der Versuch einer Positionierung zum Scheitern verurteilt, denn wie um alles in der Welt, wollten wir uns darauf einigen, welche politischen Konzepte aus freimaurerischer Perspektive die richtigen sind?

Als Freimaurer sollten wir Offenheit und Toleranz leben, Vielfalt fördern und Gleichheit denken und brüderlich/schwesterlich handeln und dort aufmerken, wo Menschen Unrecht geschieht. Vor allem müssen wir aber kontinuierlich an uns arbeiten, damit jeder Bruder in seinem Kontext ein Vorbild ist. Nur durch unser Verhalten können wir glaubhaft den Sinn der Freimaurerei belegen, nicht durch die Postulierung einer Position.

Freimaurerei wirkt im Inneren und das Ergebnis wirkt dann im Außen. Nur so gibt es aus meiner Sicht eine Berechtigung für die Freimaurerei mit all ihren anachronistischen Bräuchen auch in der heutigen Zeit.

Das ist die Religion die immer war und immer sein wird und das ist die Essenz der Zeitlosigkeit. Darin liegt der Wert der Freimaurerei, denn Menschen werden immer wieder geboren, wachsen auf, bekommen Verantwortung, müssen sich im Leben zurechtfinden und herausfinden, wer sie sind. Auf diesem Weg braucht es Werkzeuge, Werte und Menschen, die einen dabei begleiten.

Darüber hinaus ist die in den Logen gelebte Freundschaft, das Vertrauen untereinander und die Verbindlichkeit etwas, was wir in unserer Gesellschaft immer häufiger vermissen und was Menschen in der Freimaurerei finden können.

Diese Sinnsuche des Menschen ist zeitlos und es gibt kaum ein vergleichbares System der Arbeit an sich selbst, wie die ernsthaft gelebte Freimaurerei.

(Kai Stührenberg)

Ein fragwürdiges Bild?

Wenn man sich als Außenstehender mit dem Freimaurertum beschäftigt, ist so ziemlich das Erste, worauf man stößt, das Bild vom „Rauen Stein“ und vom „Behauenen Stein“ (oder auch Kubus).

Verkürzt dargestellt soll es die Arbeit des Freimaurers an sich selbst ausdrücken. Der Raue Stein beschreibt den unvollkommen Ist-Zustand des Freimaurers und der Behauene Stein das Ideal. Im übertragenen Sinne ist es eine Lebensaufgabe des Freimaurers, alle Ecken und Kanten von sich selbst abzuschlagen, bis ein makellos behauender Kubus übrig bleibt. Ein Stein, der im großen Tempelbau Verwendung finden kann. Je nachdem, welcher Richtung man innerhalb des Freimaurertums angehört, kann dieser Tempel für den „Tempel Salomons“ oder den „Tempel der Humanität“ stehen.

Dieses Bild ist den mittelalterlichen Steinmetzen der Dombauhütten entlehnt. Deren Aufgabe war es, grobe Gesteinsbrocken so lange mittels Hammer und Meißel zu behauen, bis diese in einem sakralen Bauwerk Verwendung finden konnten.

Jeder Suchende, der bei unserer Loge anklopft, wird mit diesem Bild konfrontiert. Und gerne wird diesem Bild noch ein moderner Anstrich verpasst: Mit der wohlklingenden Formulierung, wonach der freimaurerische Weg folglich im Grunde genommen nichts anderes darstellt, als ein Persönlichkeitsentwicklungstraining. Das Exklusive daran, so wird dann gerne weiter angereichert, ist, dass es das wohl älteste bekannte Persönlichkeitstraining der Menschheit ist. In der Regel nicken die Suchenden dann immer genauso eifrig wie artig mit ihren Köpfen. Denn wer kann schon etwas dagegen haben, an sich selbst arbeiten zu wollen?

Auch ich nickte seinerzeit genauso eifrig wie artig, als ich dieses Bild vorgesetzt bekam. Doch je länger ich mich mit diesem Bild auseinandersetze, desto mehr stellt sich mir die Frage, ob es wirklich so glücklich gewählt ist.

Denn ich frage mich, ob dieses Abschlagen der Ecken und Kanten des Rauen Steins letztendlich nichts anderes ist, als das künstliche Abtrennen von Bereichen meines Selbst, die ich – aus welchen Gründen auch immer – als nicht „würdig“ oder nicht wünschenswert identifiziert habe.

Ich habe auf meinem bisherigen Lebensweg recht schmerzhaft lernen müssen, dass es genau das Gegenteil bewirkt, wenn ich Bereiche meines Selbst, denen ich mich nicht zu stellen vermag, einfach unterdrücke oder sie eben abtrenne. Ich habe lernen müssen, dass es allgemein gültige psychologische Gesetzmäßigkeiten sind, wonach alles, was ich von mir selbst als „unerwünscht“ unterdrücke oder abtrenne, an anderer Stelle und in viel mächtigerer und destruktiverer Weise wieder hervorbrechen und sich entladen wird.

Der kürzlich verstorben Sänger Leonard Cohen singt in seinem bemerkenswerten Lied „Anthems“ die Zeile „There is a crack in everything, that is how the light gets in“. Es geht ein Riss durch alles und genau durch diesen scheint das Licht herein.

Dieser Riss – meine Unvollkommenheit, mein Schmerz, mein Hass, meine Angst, mein Egoismus, meine Rastlosigkeit, meine Sucht, meine Wut, mein Neid – genau dieser Riss ist der Ort, an dem das Licht hereinbricht. Das alles gehört zu mir. Das alles hat mich etwas zu lehren und erfüllt seinen Zweck auf meinem Weg. Schlage ich etwas davon ab, schlage ich einen Teil von dem ab, was meine Person ausmacht.

Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass ethisch-moralisches Handeln irrelevant wäre. Oder dass es keine Werte gäbe, an denen man sein Leben ausrichten sollte. Lediglich der Umgang mit den Anteilen von mir, die diesem Bemühen zuwider laufen, ist ein anderer.

Es geht nicht darum, diese Anteile zu unterdrücken oder abzutrennen. Sondern es geht zunächst darum, diese Anteile anschauen zu können, ohne sie bewerten zu müssen, und schließlich anzunehmen. Nur wenn das geschieht, lerne ich darauf zu hören, was diese Anteile mir über mich zu sagen haben.

In der Männerarbeit nach Richard Rohr bezeichnen wir dies als Schattenarbeit. Es geht darum, den eigenen „Dunklen Bruder“ zu umarmen, anstatt ihn zu bekämpfen.

Wenn ich dies vermag, werden die Ecken und Kanten meines Rauen Steins zu dem Ort, an dem das Licht hindurchbricht. Dann wird mein Dunkler Bruder zum Lehrmeister über mich selbst. Schlage ich hingegen die Ecken und Kanten meines Rauen Steines ab bzw. spalte meinen Dunklen Bruder von mir ab, bringe ich mich um ganz entscheidende Lektionen meines Lebens.

Das sind die Gründe, weshalb sich mir die Frage stellt, ob dieses freimaurerische Bild des Weges vom Rauen Stein zum Behauenen Stein wirklich so gut gewählt ist. Oder ob es nicht sogar zweifelhaft – oder besser: fragwürdig – ist… ?

dunkler-bruder
(Bild von cac.org)

(Einschränkend muss ich zu mir sagen, dass ich mich aktuell im 3. Grad – dem des Johannismeisters – befinde. Der Weg eines Ordensfreimaurers, den ich gehe, erstreckt sich über 10 Grade. Wohl ist in den ersten drei Graden die gesamte freimaurerische Lehre enthalten. Dennoch lernt man in jedem Grad weitere, vertiefende und erweiternde Aspekte der einzelnen freimaurerischen Symbole kennen. Daher kann ich nicht sicher sagen, ob ich diesen Text genauso schreiben würde, wenn ich mich in einem höheren Grad befände.)