Warum eigentlich?

Am 11.04.2017 veröffentlichte ich meinen Beitrag „Geschockt.“ Meine Betroffenheit über den widerwärtigen Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verlangte, in Buchstaben gefasst zu werden. Ebenso die Rührung, die die Reaktion der Dortmunder Fans in mir auslöste. Und nur zu bereitwillig sprang ich auf den Zug mit auf, dass islamistische Terroristen hinter dem Anschlag stecken würden.

Doch mit jeder Stunde, die diese Tat weiter zurücklag und mit jedem weiteren Detail, das ans Tageslicht kam, offenbarte nicht islamistischer Extremismus seine hässliche Fratze, sondern ein alter Bekannter, dessen hässliche Fratze unsere westliche Welt sich seit Jahrhunderten schönlügt: Kapitalismus.

Nur 22 Stunden nach dem Anschlag auf ihr Leben mussten die Dortmunder Spieler wieder auf dem Platz stehen. Traumatisierte Terroropfer! Nur um Haaresbreite einem Anschlag auf ihr eigenes Leben entkommen! Anonyme Herren der UEFA, fernab vom Geschehen und von jeglicher Empathie, hatten es so entschieden. Der Rubel musste schließlich weiter rollen. Spieler und Trainer wurden maximal unpersönlich davon in Kenntnis gesetzt. Nämlich per SMS.

Im Kern hatte die UEFA einfach nur abzuwägen gehabt, was schwerer wiegt: Die körperliche und psychische Unversehrtheit von Menschen oder dass der Geldfluss nicht ins Stocken gerät. Die Entscheidung der UEFA war unzweideutig und unmittelbar. Und so wurden die Gladiatoren wieder in die Arena geschickt. Die ganze Welt durfte dabei zusehen. Die Spieler des BVB hatten zu funktionieren und Ertrag zu bringen. Die Dortmunder Ultras haben wahrscheinlich maßlos untertrieben, als sie die UEFA als „Haufen gieriger alter Bastarde“ titulierten.

Es ging mir unter die Haut nach dem Spiel die Interviews der Dortmunder Spieler zu sehen. Reihenweise brachen sie vor den Mikrofonen emotional zusammen. Da war er wieder; dieser Kloß in meinem Hals. Doch diesmal nicht aus Rührung. Diesmal aus Betroffenheit und Wut. Die Spieler sprachen davon, „wie Tiere behandelt“ worden zu sein. Eine Mischung aus bleierner Ohnmacht, Zorn und abgrundtiefem Schmerz lag in diesen Worten. Förmlich greifbar. Sie hätten gerne mehr Zeit gehabt. Zeit zu verstehen. Zeit zu verarbeiten.

Der Dortmunder Trainer, Thomas Tuchel, sprach in den folgenden Stunden und Tagen bemerkenswert offen darüber, wie es ihm und wie es der Mannschaft seit dem Anschlag ergangen war. Er wählte bedachte und dennoch anschauliche und sehr klare Worte. Und mit jedem Wort wurden aus einfach nur weiteren Opfern eines Terroraktes persönliche Schicksale, die mir an die Nieren gingen.

Klar, die schwarz-gelben Krieger haben ihr Hobby zum Beruf gemacht und verdienen gutes Geld damit. Sie führen ein privilegiertes Leben. Doch dieser Anschlag erinnerte uns alle – und vor allem wohl die Spieler selbst – daran, dass sie doch nur Menschen sind. Verletzlich. Sterblich. So banal das auch klingt. Doch die UEFA fällte in diesen Stunden eine Entscheidung, die nicht den Menschen als wertvollstes Gut des Fußballs in den Mittelpunkt stellte, sondern den fiskalischen Mehrwert, der sich aus diesem Menschen herauspressen lässt.

Die Kriminalisten dieses Landes leisteten die mittlerweile schon gewohnt grundsolide und erfolgreiche Arbeit: Nur neun Tage nach der Tat war der Täter ermittelt und festgenommen. Schon die erste Pressekonferenz von Staatsanwalt und Polizei veranschaulichte, wie umfangreich und komplex die Ermittlungen gewesen sein müssen. Und wie zielstrebig und professionell diese geführt worden sind.

Doch was die Ermittler zu der Motivlage des Täters bekanntgaben, schockte mich: Aus Habgier hat der Täter gehandelt. Das alles war nicht mehr als ein schlechtes Aktiengeschäft. Mindestens eine hohe sechsstellige Summe wollte der Täter damit verdienen, dass der Kurs der BVB-Aktie einbricht. Und wie sollte solch ein Kurseinbruch besser herbeigeführt werden, als durch den Tod möglichst vieler Spieler des BVB. Also wurde alles minutiös geplant. Und letztendlich war es reines Glück, dass niemand ums Leben gekommen ist. Ein paar Sekunden und ein paar Zentimeter gaben den Ausschlag. Je mehr ich das realisierte, desto unfassbarer wurde es.

Innerhalb von 22 Stunden wurde zweimal die Frage aufgeworfen, was höher wiegt: Das Leben eines Menschen oder finanzieller Gewinn? Unser Wertesystem gibt eine klare Antwort auf diese Frage: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Punkt. So leitet es sich aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ab. Und so steht es am Anfang unseres Grundgesetzes. Keine Geldsumme der Welt wiegt das auf. Doch dieses Wertesystem hat es zunehmend schwerer, sich seiner Haut zu erwehren gegen ein aggressives Wirtschaftssystem, in dem ein Menschenleben nur dem monetären Gegenwert entspricht, den es abwirft. In letzter Konsequenz stellt die Idee der Menschenwürde mit den sich daraus ableitenden Menschenrechten in einem kapitalistischen System nur ein lästiges Hindernis dar, wenn es darum geht, Profit zu machen.

Natürlich ist es zu einfach, mit dem Finger auf ein abstraktes Wirtschaftssystem zu zeigen. Denn jedes System – auch das kapitalistische – ist nur so stark, wie der einzelne Mensch, der daran partizipiert, es stark macht. Die Verantwortung für den Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus trägt eine einzelne Person. Die Verantwortung dafür, das Fußballspiel für den folgenden Abend anzusetzen, mehrere einzelne Personen. Kein abstraktes Wirtschaftssystem. Nichtsdestotrotz prägen die Mechanismen und Logiken des Kapitalismus natürlich unser Denken und unser Handeln. Und so sinkt und fällt schließlich die Hemmschwelle, fiskalischen Gewinn höher einzustufen als menschliches Leben.

Warum eigentlich fällt es uns so schwer, solch ein menschenverachtendes Wirtschaftssystem in Frage zu stellen? Die Antwort auf diese Frage vergaß ich für einen kurzen Moment, als ich die Tränen der Dortmunder Spieler auf dem Bildschirm sah…

Geschockt.

Sprengsätze explodierten. Gefüllt mit Metallsplittern. Direkt neben dem Bus. Dem Bus voller „Wahrer Liebe“ und „Schwarz-Gelber-Leidenschaft“. Glas zerbarst. Knochen splitterten. Danach: Blut. Blaulicht. Betroffene Gesichter. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten. Traumatisierte Opfer. Wie so oft in den letzten Wochen, Monaten und Jahren. Trotzige Statements der Solidarität. Aufgeregt hingehaltene Mikrofone. Und die allgegenwärtige Frage nach dem „Warum“.

Es war Ende der 80er Jahre, als die Schwarz-Gelben von Borussia Dortmund anfingen, sich in mein Herz zu spielen. Und seither erlebten wir gemeinsam Momente unendlicher Freude und Momente abgrundtiefer Trauer. Flüchtige Momente zugegebenermaßen. Aber Momente, die mein Herz fest an diesen Verein gekettet haben. Ketten, denen ich mich nur zu gerne ergebe.

Umso mehr traf es mich, als ich die Bilder dieses feigen Angriffs auf den Spielerbus von Borussia Dortmund über die Bildschirme flimmern sah. Meine Helden, die Spieltag für Spieltag auf dem Feld der Ehre den immer gleichen Kampf aufs neue Annehmen, das Ziel irgendwelcher Terroristen. „Traurig.“, „Geschockt.“ – Mehr brachte ich gestern Abend über Twitter nicht raus. Die Begegnung zwischen meinem BVB und dem AS Monaco wurde zunächst abgesagt und schließlich auf den Folgetag verschoben. Und als ich heute morgen auf den Titelseiten der Tageszeitungen die Bilder des beschädigten Mannschaftsbusses sah, riss es mir tiefe Furchen ins Herz.

Ich gebe zu, dass mich die Nachrichten von irgendwelchen Terrorakten zunehmend weniger berührt hatten. Es war, als stumpfe mit jedem Anschlag etwas in mir weiter ab. Ich erinnere mich noch allzu gut an die Trauer, die Ohnmacht und die Wut nach „Charlie Hebdo“ oder nach den Anschlägen in Paris, als unsere Fußballnationalmannschaft dort ein Freundschaftsspiel gegen Frankreich absolvierte. Den jüngsten Anschlag in Schweden hingegen nahm nur noch resigniert und eher nebenbei zur Kenntnis.

Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der Saat und der Ernte. Nichts, rein gar nichts rechtfertigt solch abscheuliche Gewalt, wie sie islamistische Extremisten mittlerweile seit vielen Jahren über Europa bringen. Und doch erntet die westliche Welt mit diesem Terrorismus lediglich das, was sie in Jahrhunderten des Kolonialismus, des Imperialismus und des Kapitalismus selbst ausgesät hat.

Vielleicht haben die Menschen Recht, die behaupten, dass wir in dunklen Zeiten leben. Denn es gibt keine Bewegung ohne Gegenbewegung. Und mit jedem mordenden Islamisten erstarken die Rechten. Schon sind rechte Parolen wieder salonfähig. Schon ziehen die Rechten wieder in die Parlamente ein. Schon marschieren die Rechten wieder auf unseren Straßen. Der rechte Kampf um die Köpfe, die Straßen und die Parlamente wirkt plötzlich gar nicht mehr so ausweglos. Unsere Gesellschaft fällt zurück … in stumpfe Auge-um-Auge-Reflexe. Und genau dies ist das Gefährlichste, was der Terrorismus mit sich führt.

Und doch bin ich immer wieder aufs Neue überrascht, was für kraftvolle Reaktionen solch abscheuliche und widerwärtige Taten hervorrufen können. Nach „Charlie Hebdo“ sah ich das erste Mal, dass europäische Moslems ganz vorne mitmarschierten – gegen islamistischen Terrorismus und für Toleranz! Welch großartiges Zeichen der Solidarität! Auch, wenn es längst überfällig gewesen war.

Und gestern, kurz nach dem Anschlag, tauchte auf Twitter der Hashtag „#BedForAwayFans“ auf. Fans von Borussia Dortmund luden Fans des AS Monaco, die Aufgrund der Spielverlegung eine Nacht ohne Obdach gewesen wären, ein, bei ihnen zu übernachten. Bilder von Dortmund- und Monaco-Fans, die gemeinsam essen, trinken oder die Schals der jeweils anderen Mannschaft schwingen, wurden auf Twitter geteilt und geliked. Deutsche und Franzosen, Christen und Moslems. Was für eine zärtliche Geste! „Das ist Fußball!“, twitterte der AS Monaco auf Deutsch. „You’ll never walk alone!“, war an diesem Abend nicht nur eine biergeschwängerte Fanhymne … sondern Realität.

Als ich das alles mitbekam, musste ich schlucken. Ich spürte diesen übergroßen Kloß in meinem Hals und kämpfte mit der einen oder anderen Träne. Gefühlte Ewigkeiten standen mir diese Bilder vor Augen. Etwas so wundervolles habe ich im Fußball noch nie erleben dürfen.

Irgendwo in der Bibel las ich mal den sinngemäßen Satz: „Wo die Finsternis mächtig ist, ist das Licht umso mächtiger.“ Ich glaube, dass das stimmt…

Wo Faschismus beginnt

BILDER DER GEWALT

Asylunterkünfte brennen. Die Braunen marschieren wieder. Um diesen Fremden zu zeigen, dass sie unerwünscht sind. Flüchtlinge, heimatlos und traumatisiert. Als die Polizei eingreift, fliegen Flaschen, Steine, Feuerwerkskörper. Barrikaden werden errichtet und in Brand gesteckt. Die Zahl der verletzten Polizisten wird in den zweistelligen Bereich gehen. Bürgerkriegsähnliche Bilder werden später von den Nachrichtensendern ausgestrahlt werden. Bilder, von denen ich gehofft hatte, sie in Deutschland nie wieder mitansehen zu müssen.

In den darauffolgenden Tagen wird sich auch die AntiFa berufen fühlen, aufzumarschieren. Den braunen Schläger-Trupps folgen die schwarz-roten. Auch diese werden zur Gewalt greifen. Alles wieder auf dem Rücken der Polizeibeamten. Die Bilder später in den Nachrichten werden denen der Nazi-Ausschreitungen erschreckend ähneln.

Ein x-beliebig anderer Ort in einem x-beliebigen Land zu einer x-beliebigen Zeit: Ein junger Mann holt unter seinem Mantel eine Schnellfeuerwaffe hervor. Lädt durch, legt an, drückt ab. Wieder und wieder. Im Namen Allahs. Sein einziger Vorsatz: Möglichst viele mit in den Tod zu reißen. Menschen, deren einziger Fehler es ist, die falschen Weltbilder für wahr zu halten. Oder in der falschen Gegend geboren worden zu sein. Vielleicht sind sie einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Nur wenige Minuten wird es dauern. Doch diese werden ausreichen, um ein ganzes Land in Schockstarre zu versetzen.

WIE KONNTE ES SOWEIT KOMMEN?

Das, was an diesen Taten so schockiert, ist die Empathielosigkeit, die die Gewalttäter ihren Opfern gegenüber an den Tag legen. Wie kann es dazu kommen, dass Menschen ihre natürliche Hemmschwelle, einem anderen Menschen Gewalt anzutun, verlieren? Wieviel Indoktrination braucht es, zu legitimieren, einen anderen Menschen zu töten? Wie lange muss ein Mensch konditioniert werden, bis er im Gegenüber nur noch den Angehörigen einer feindlichen Weltanschauung oder den Vertreter eines verhassten Systems sieht? Und nicht mehr einen Menschen. Mit denselben Bedürfnissen, den denselben Hoffnungen und denselben Ängsten.

Wenn man im Gegenüber nicht mehr den Menschen sehen kann und dessen Würde einer Anschauung unterordnet, ist – meines Erachtens – der Punkt erreicht, an dem Faschismus seinen Anfang nimmt. Hierbei ist es völlig unerheblich, ob diese Anschauung politischer oder religiöser Natur ist. Ein Wesensmerkmal faschistischer Systeme war und ist immer auch die Empathielosigkeit bestimmter menschlicher Gruppierungen gegenüber.

WAS WIR ERNTEN

In fast allen spirituellen Traditionen findet man das Prinzip von Saat und Ernte. Vereinfacht besagt dieses, dass man mit allem, was man sagt, tut und unterlässt oder auch denkt und fühlt, eine Saat ausstreut. Diese wird irgendwann aufgehen und Früchte hervorbringen. Entsprechend der Saat können diese Früchte konstruktiver oder destruktiver Natur sein.

Dies vorausgesetzt, frage ich mich, was für eine Welt wir uns aktuell erschaffen. Was wird die Menschheit ernten, wenn das, was sie aussät, abscheulichste Gewalttaten sind? Wenn diese Taten heroischer sind, je brutaler sie sind und je mehr Opfer sie hervorbringen. Denn mit jeder Gewalttat bleiben ganze Scharen von verwundeten, trauernden und zornigen Menschen zurück. Verletzt an Leib und Seele.

Wenn Wunden aber eins benötigen, um zu heilen, so ist es vor allem Zeit. Doch genau diese scheint der Menschheit nur so durch die Finger zu rinnen. Wir befinden uns in einer – sich immer schneller drehenden – Spirale aus Gewalt und Gegengewalt. Die Wunden der ersten Tat sind noch nicht verheilt, da reißt die Reaktion auf diese Tat schon wieder neue.

Und je weiter man in der Menschheitsgeschichte zurückblickt, desto schwieriger ist es zu benennen, wer irgendwann mal den Anfang dieses Kreislaufs gesetzt hat. Kaum noch zu bestimmen, wer die Schuld an dem trägt, was wir aktuell erleben.

Trotzdem aber wird jede dieser Gewalttaten als Rechtfertigung genommen, zu verurteilen. Endlich hat manch Otto-Normal-Verbraucher einen Grund, „diese Ausländer“ – die ihm ja eh schon immer irgendwie suspekt waren – ablehnen zu dürfen. Und so sieht man im Flüchtling auch nicht mehr das heimatlose Kriegsopfer mit einer erschütternden Lebensgeschichte. Sondern nur noch einen Faktor, der uns Geld kostet.

DER WEG DES FRIEDENS

Diese Zeit brüllt uns förmlich ins Gesicht: Wo sind die Menschen, die die Fähigkeit besitzen, die Dinge differenziert zu betrachten und in einen größeren historischen Rahmen einzubetten? Die in der Lage sind, verschiedene Standpunkte einzunehmen und zu verstehen. Die nicht gleich ganze Menschengruppen stigmatisieren, weil einzelne von ihnen Gewalttaten begangen haben. Die nicht nur nach Begründungen suchen, das Andersartige zu bekämpfen. Sondern es wagen, empathisch zu sein und sich in dessen Situation hinein zu versetzen. Die die Spannung aushalten, für erlittenes Unrecht keine Vergeltung zu üben; weil Gewalt gegen Menschen für sie kein probates Mittel darstellt. Die dieses Unrecht trotzdem ganz klar benennen und aufzeigen können. Ohne jedoch es missbrauchen zu müssen, die eigene Schuld zu relativieren. Die Menschen, für die jeder Mensch eine Würde hat. Nicht nur der, der ihrer Wertegemeinschaft, ihrer Religion oder ihrem Volk angehört.

Eigentlich braucht die Menschheit genau die Werte, die auch schon Jesus Christus vor etwa 2000 Jahren von den Menschen einforderte: Seinen Nächsten – insbesondere seinen Feind – zu lieben wie sich selbst. Erst den Balken im eigenen Auge zu entfernen, bevor man auf den Splitter im Auge des Nächsten zeigt. Jeden so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.

Konsequent zu Ende gedacht bedeuten diese Forderungen nichts anderes, als das eigene Ego von seinem Thron zu stoßen und sich seiner inneren dunklen Seite zu stellen.

Dahinter verbirgt sich das Wissen, dass ich nur dann empathisch sein kann, wenn ich mein Ego entmachtet habe. Denn das Ego ist der angstmotivierte Anteil in mir, der nach Macht und Anerkennung von außen strebt. Der Teil, der die Kontrolle behalten will und in den Krieg zieht, wenn diese bedroht ist. Es ist der Teil in mir, der auf Vergeltung drängt, wenn er angegriffen worden ist.

Außerdem verbirgt sich dahinter das Wissen, dass es keinen äußeren Feind gibt. Das, was ich an anderen bekämpfe, ist letztendlich nur Projektion meines eigenen, unerlösten Anteils. Mein eigener Schatten. Und anstatt, diesen Feind außerhalb von mir zu suchen, muss ich den Blick nach innen richten. Ich muss lernen, meine Schattenseite zu betrachten und auszuhalten und so aus dem Unbewussten ins Bewusste zu holen. Sie zu umarmen, anstatt sie zu bekämpfen.

Dieser Weg nach innen ist der beschwerlichere, als der nach außen gerichtete Angriff. Vielleicht sagte der Christliche Mystiker Thomas Merton deshalb, dass es ein viel heldenhafteres Opfer verlangt, Frieden zu stiften, als den Krieg zu erklären.

Aber genau solche Helden braucht unsere heutige Zeit nötiger denn je! Menschen, die sich auf diesen inneren Weg des Friedens begeben, anstatt auf den äußeren Weg des Krieges!