#Gedanke: Neun Welten

„Du gabst mir Hoffnung, nahmst den Schmerz,
gabst mir Träume und dein Herz,
doch erst die Schatten dieser Nacht
haben uns hierher gebracht.

Mit Hexerei und einem Schwert
hast Du neun Welten überquert
und mich im Schutz der Dunkelheit
von meinen Fesseln befreit.
Gabst mir Asche auf die Haut,
für die Wunden Zauberkraut.

Hast neun Welten überquert,
mich zurück zu Dir geführt.“

(Faun,
aus: „Neun Welten“)

Gen Süden

Ihr Ruf traf mich. Mein Blick folgte diesem Ruf. Weit oben, in großer Entfernung entdeckte ich sie. Riesige Schwärme. Angeordnet in Keil-Formationen glitten sie durch die Lüfte. In Richtung Süden. Ihre Rufe hallten über das Firmament hinweg. Ich blickte ihnen nach. Meine Gedanken verloren sich. In ihrem Ruf lag so etwas wie Vorfreude. So etwas wie Hoffnung. Vorfreude und Hoffnung auf den Ort, der da vor ihnen liegen mochte.

Langsam wurden sie kleiner und kleiner. Ihre Rufe leiser und leiser. Ich blieb zurück. Ja, fliegt dorthin, wo es Licht ist. Dorthin, wo es warm und einladend ist. Dorthin, wo das Leben ist. Ihr macht es genau richtig. Wie gerne hätte ich meine Flügel ausgebreitet, wäre abgehoben und ihnen gefolgt. Mein Herz rief: „Wartet auf mich!“ Doch mein Ruf verendete, noch bevor er mir über die Lippen gehen konnte. Er blieb mir in der Kehle stecken. Meine Füße waren durch schwere Eisen am Boden festgekettet. Keine Leichtigkeit, kein Ausbrechen.

Der Ort, an dem ich mich befand, versank langsam im Winter. Der Schatten des Krieges breitete sich aus. Dunkle Zeiten erhoben sich vor uns. Kälte zog ein. Das, was vor uns lag, war noch nie so ungewiss gewesen. Es war von Sorge, Angst und Verzweiflung durchsetzt.

Wenn die Zeit der Dunkelheit und der Kälte in einigen Monaten im Schwinden begriffen sein wird, werden die Zugvögel wieder zurückkehren. Zurückkehren von dem Ort, wo es die gesamte Zeit über so hell und so warm gewesen ist. Doch was werden sie hier vorfinden? Wie werden der Krieg und seine Auswirkungen diesen Ort hier verändert haben? Und wie werde ich selbst mich verändert haben? Bangen Auges blickte ich auf diesen Moment. Und doch schwang noch etwas ganz anderes mit, als ich an die Scharen der Zugvögel dachte, die am Firmament auftauchen, um die Natur um uns herum wieder zu bevölkern: Hoffnung.

#Gedanke: Werkzeug des Friedens

„Herr,
mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe,
wo man hasst;
dass ich verzeihe,
wo man beleidigt;
dass ich verbinde,
wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage,
wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe,
wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke,
wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde,
wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe,
wo der Kummer wohnt.

Herr,
lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde,
sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde,
sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde,
sondern dass ich liebe.

Denn wer sich hingibt,
der empfängt;
wer sich selbst vergisst,
der findet;
wer verzeiht,
dem wird verziehen;
und wer stirbt,
der erwacht zum ewigen Leben.“

(Gebet des Heiligen Franziskus,
Franz von Assisi)

Brichst Du mit mir auf zum alten Baum

Brichst Du mit mir auf
zum alten Baum?
Sah Leichen an ihm hängen,
letzte Nacht in meinem Traum.
Dem Unrecht geopfert,
gar tödlich kann es sein,
verwesten sie
am Baum dort ganz allein.

Brichst Du mit mir auf
zum alten Baum,
wo Tote riefen „Flieht!“,
letzte Nacht in meinem Traum.
Trauer und Klage,
doch niemand stimmte ein,
verhallten sie ungehört
am Baum allein.

Brichst Du mit mir auf
zum alten Baum?
Dort sah ich mich stehen,
letzte Nacht in meinem Traum.
Totenstille um mich her,
wie einsam kann es sein,
verweilte ich am Baum
und das allein.

Brichst Du mit mir auf
zum alten Baum?
Dort sah ich Dich allein,
letzte Nacht in meinem Traum.
Merkwürdiges geschah,
wie seltsam kann es sein,
trafen wir zusammen
unter dem Baum allein.

Brichst Du mit mir auf
zum alten Baum.
Menschen strömen hinzu,
aufgewacht aus einem Traum.
Ein Lied liegt in der Luft,
voll Hoffnung kann es sein,
ergreifen Hände sich,
stimmt Mancher mit ein.

(Frei nach dem Titel „The hanging Tree“,
aus dem Film „Die Tribute von Panem“.)

#Gedanke: Leben ohne…

„Leben ohne Schatten
ist Leben ohne Sonne.
Wer nie im Dunkeln saß,
beachtet kaum das Licht.
Leben ohne Tränen
ist Leben ohne Lachen.
Wer nie verzweifelt war,
bemerkt das Glück oft nicht.

Leben ohne Täler
ist Leben ohne Berge.
Wer nie ganz unten war,
schaut gleichgültig ins Tal.
Leben ohne Zweifel
ist Leben ohne Glauben.
Wer niemals sucht und fragt,
dessen Antworten sind schal.

Leben ohne Mangel
ist Leben ohne Fülle.
Wer immer alles hat,
für den hat nichts mehr Wert.
Leben ohne Bangen
ist Leben ohne Feiern.
Wer nicht mehr warten kann,
hat nichts mehr, was er ehrt.

Leben ohne Kälte
ist Leben ohne Wärme,
wer nie gezittert hat,
schätzt keinen Unterstand.
Leben ohne Alleinsein
ist Leben ohne Liebe,
wer keine Leere kennt,
greift kalt nach jeder Hand.

Leben ohne Kämpfe
ist Leben ohne Frieden,
wer nie im Sturm war,
freut sich nicht an glatter See.
Leben ohne Trauer
ist Leben ohne Hoffnung,
wer keinen Abschied kennt,
kennt auch kein Wiedersehn.“

(Jürgen Werth,
aus: Leben ohne Schatten)

#Gedanke: Der erste und der größte Sieg

„Der erste Blick in die großen Augen,
der erste Schrei, der die Welt begrüßt,
die erste Faust voll von froher Hoffnung…

Das ist der erste und der größte Sieg!

Mein Lohn
soll Deine Freundschaft sein.
Kein Weg für Dich
soll mir zu steinig sein.

Mein Lohn
soll Deine Freiheit sein.
Jeden Tag, an dem ich atme,
werde ich bei Dir sein.“

(Tausend Löwen unter Feinden,
aus: Alpha)

Nicht-Ort

Eigentlich war der ganze Weg seit jeher vorgezeichnet… Er hatte ausgebreitet vor mir gelegen. Die ganze Zeit schon. Ich war wohl nur nicht achtsam genug gewesen, es auch zu sehen…

Zu Anfang war alles irgendwie noch stimmig gewesen. Die Richtung schlüssig, die Entwicklungen nachvollziehbar. Eins hatte auf dem anderen aufgebaut. Hatte ich einen Schritt gemacht, zeichnete sich der nächste bereits ab.

Doch mit einem Mal fand ich mich an diesem seltsamen Ort wieder. Hier war plötzlich nichts mehr stimmig. Meine Erwartungen waren enttäuscht. Dieser Ort stellte einen abrupten Bruch dar. Einen Bruch zu allem, was vorher war. Einen Bruch zu allem, was ich erwartet hatte.

Dieser Ort erzählte die Geschichte von Tod und Sterben. Das Alte war nicht mehr. Doch ebenso war auch das Neue noch nicht. Dieser Ort war weder noch.

Hier fand das ewig gleiche Ringen statt. Dieses Ringen, in das die Menschheit von Anbeginn an gefangen ist. Und dieser Ort nahm mich mitten hinein in diesen Kampf. Er riss mich zu Grunde, wo ich zerbrach. Und ließ mich verharren. Er rang mich nieder. Und gab mir die Kraft zu bestehen.

Eine seltsame Traurigkeit durchzog diesen Ort. Oder war es Hoffnung? Mysterium durchströmte hier alles. War dieser Ort Dunkelheit? Ja, war er. Finsternis umschlang mich von allen Seiten. War dieser Ort Licht? Ja, war er. Es schien. Unauslöschlich. Die Dunkelheit hat es nicht überwinden können.

Ich hatte nie beabsichtigt, an diesem Ort zu gelangen. Weder hatte ich ihn gesucht, noch erwartet. Doch als aus meiner Verschwiegenheit inneres Schweigen wurde und aus meinem inneren Schweigen Stille, betrat ich ihn. Es war der Moment, als die Tugend an ihr Ende kam und dem Sein Platz machte.

Wohl niemand, der sich an diesem Ort befand, hatte ursprünglich hierher gewollt. Doch vielleicht war genau das der Grund, weshalb sie alle hier waren. Und beinahe niemand, der diesen Ort wieder verließ, kehrte auch gerne wieder hierher zurück.

Doch in dem Moment, als ich aufhörte, diesen Ort begreifen zu wollen, wurde ich gewahr, wie wunderschön er war. Es war der Moment, in dem ich meinem Inneren erlaubte, dort anzukommen. Und zu sein. Erst jetzt erkannte ich die Pracht und Gegenwärtigkeit, die diesem Ort innewohnte. Er war auf seine ganz eigene Weise zeitlos.