EINLEITUNG
Es gibt eine Unwucht auf dem freimaurerischen Weg, die im Logenalltag immer wieder auftreten kann, und die mich, als ich in meiner Johannisloge aktiv war, oftmals sehr störte: Und das ist das Missverhältnis von inhaltlicher Arbeit an sich selbst auf der einen und dem Nachkommen organisatorischer Verpflichtungen auf der anderen Seite.
Hier auf meinem Blog habe ich viel von der inhaltlichen Arbeit und dem innerlichen Weg des einzelnen Freimaurers geschrieben. Was ich bisher jedoch weitestgehend außen vor gelassen habe, war der organisatorische und zeitliche Aufwand, den die freimaurerischen Organisationsformen mit sich bringen. Heute will ich ein wenig von meiner ambivalenten Beziehung zu diesen Organisationsformen schreiben.
ORGANISATORISCHE VERPFLICHTUNGEN
Zunächst einmal ist jede Freimaurerloge ein eingetragener Verein. Das bedeutet, dass dem Staat gegenüber vielfachen Verpflichtungen nachzukommen ist. Beispielsweise muss ein Vereinsvorstand gewählt werden, müssen Protokolle und Rechenschaftsberichte erstellt sowie Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen abgehalten werden.
Dann muss auf viele alltägliche organisationsbedingte Fragestellungen reagiert werden, wie zum Beispiel der Aufnahme und dem Ausschluss von Mitgliedern, dem Sicherstellen der Beitragszahlungen, dem Organisieren der unterschiedlichen Logenveranstaltungen neben den eigentlichen Ritualen, dem Umgang mit Streitigkeiten zwischen Logenmitgliedern, dem Kommunizieren und Interagieren mit anderen freimaurerischen Einrichtungen und so weiter und sofort.
Zu guter Letzt sind die personellen Anforderungen des freimaurerischen Rituals vergleichsweise hoch. Um eine normale Standard-Tempelarbeit überhaupt durchzuführen zu können, bedarf es in den Logen der Lehrart meiner Großloge (Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland – Freimaurerorden) mindestens sieben „arbeitende“ Freimaurer. Sobald besondere rituelle Anlässe, wie beispielsweise Aufnahmen in den jeweiligen Grad oder Stiftungsfeste, hinzukommen, schraubt sich die Anzahl der benötigten Brüder schnell in die Höhe.
Hinzu kommen weitere Funktionen rund um das Logenleben neben dem eigentlichen Ritual, die nach Möglichkeit besetzt werden sollten. Und dann ist es natürlich angestrebt, für jede Funktion auch einen Stellvertreter zu haben, der bei Krankheit, Unpässlichkeit und so weiter einspringen kann.
Das Beschriebene zeigt, dass die Organisationsform des Freimaurertums es erforderlich macht, dass eine Loge sich viel mit organisatorischen Fragen zu beschäftigen hat, damit der Logenalltag funktionieren kann. Bisweilen kann es passieren, dass dies überhand nimmt, sprich diese organisatorischen Fragen einen unangemessen großen Raum einnehmen und den eigentlichen inneren Weg, der sich in Ritual und Symbolik ausdrückt, an den Rand drängen. Bereits im Dezember 2016 schrieb ich in dem Blogartikel „*BAM!* Jo, das ist Freimaurerei!“ über die Frustration, die solch eine Schieflage im einzelnen Bruder auslösen kann.
Und auch ich selbst haderte immer wieder an dieser Schrieflage. Ganz sicher ist diese Schieflage ein Grund von mehreren, weshalb ich mich vom Freimaurertum entfremdet habe.
AUF DER ANDEREN SEITE
Wer meine letzten drei Blogartikel zum Freimaurertum (hier, hier und hier) gelesen hat, der weiß, dass ich seit über einem Jahr mit der Frage ringe, ob ich Freimaurer bleiben möchte und wenn ja, in welcher Form dies der Fall sein könnte.
Unter anderem drei Dinge mache ich, um in dieser Frage für mich zu Klarheit zu gelangen:
1. Es gibt einen kleinen Kreis an Freimaurern, mit denen ich zu dieser Frage im Austausch bin. Die ihre Enttäuschungen mit dem Freimaurertum und ihre Sichtweise darauf mit mir teilen, die mich spiegeln und die mich hinterfragen.
2. Ich habe angefangen, die alten Auslegungen von Hermann Gloede aus dem frühen 20. Jahrhundert zum Ritual und der Symbolik meiner Großloge ein weiteres Mal durchzuarbeiten, um für mich neu zu klären, inwieweit diese Inhalte für mich noch Relevanz besitzen.
3. Vereinzelt schaffe ich es, Tempelarbeiten in unterschiedlichen Logen zu besuchen. Hierbei geht es mir darum – fernab von allen Konfliktlinien – ein Gefühl dazu zu bekommen, inwiefern die freimaurerischen Rituale noch Resonanz in mir auslösen.
Irgendwann in diesem Prozess ertappte ich mich dabei, wie ich Dankbarkeit in mir bemerkte. Dankbarkeit, dass die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland – Freimaurerorden mir solch eine Struktur zur Verfügung stellt. Eine Struktur, in der ich Brüder habe, die mir zuhören und beistehen, in der ich Zugriff auf Schriften habe, die ich studieren kann, und in der ich Tempelarbeiten vorfinde, die ich besuchen kann.
Und mir wurde klar, dass es diese helfende Struktur nur aufgrund der freimaurerischen Organisationsform gibt. Und habe ich diese zuvor noch als zu erdrückend beschrieben, so muss ich nun einräumen, dass diese Struktur gleichzeitig aber auch Stabilität und Sicherheit gibt und mich wie ein Netz auffängt. Dass ich mir für meinen Entscheidungsfindungsprozess so viel Zeit nehmen kann, habe ich auch ebendieser Organisationsform meiner Großloge zu verdanken.
FAZIT:
Die Organisationsform meiner Großloge kann lähmend und erdrückend sein. Aber gerade im letzten Jahr durfte ich erleben, dass es gerade eben auch diese Organisationsform ist, die mich auffangen und tragen kann. Es sind zwei Seiten derselben Medaille.