#Gedanke: So viel Gott

„Leere Formeln als Gebete getarnt,
vor den Spätfolgen der Onanie gewarnt,
Wunderglaube gegen Phantasie,
gehorsame Schäflein fallen auf die Knie.

Sie thronen unfehlbar, die alten Männer in Rom,
verbannen die Zweifler und auch das Kondom.
Die Lust ist des Teufels, aus Angst vor Frauen,
welcher Reichtum an Macht, Armut an Vertrauen.

Das Buch der Bücher auf Regeln beschränkt,
was zwischen den Zeilen steht, verdrängt.
Habt euch vom Lachen und Lieben und Leben entfernt,
ich habe euch abgestreift und selbst gelernt.

In Musik,
einer Melodie,
die mir Gänsehaut verpasst,
in einer Idee,
einem Bild,
einem wahren Wort,
einem Kuss, der selbstlos macht,
liegt so viel Gott,
das liegt in der Luft
und das hat so viel Kraft!

Davon kriege ich nie genug,
jeden Atemzug um Zug.

Die Angst vor der Sünde hat die Freude gelähmt,
die unbändige, göttliche Lebenslust gezähmt.
Triste Mienen bringen Dunkel ins Licht,
küsst ihr nur den Boden, ich küsse lieber dich.

In einer Umarmung,
einer durchgefühlten Nacht
liegt so viel Gott,
mein Gott, das liebe ich,
das hat mich gepackt!

Davon kriege ich nie genug,
jeden Atemzug um Zug.“

(PUR,
aus: „Nie genug“)

#Gedanke: Die nächsten vierzig Tage

„Ab an das Meer,
in den Wald,
in die Wüste,
ganz egal,
für die nächsten vierzig Tage
brauchst Du Nerven wie Stahl.

Der ganze Dreck,
all die Lügen,
müssen raus,
müssen weg,
denn nur unter dem Kern
liegt die Wahrheit versteckt.

Wir sind eine Welle,
die Eure Dämme bricht!
Es ist wieder an der Zeit
neue Fragen zu stellen,
und so mehr die Fragen stellen,
desto höher die Wellen.

Der Tag wird kommen,
an dem Du Dich erkennst,
und Du nur noch Deine Seele
mein Ein und Alles nennst.“

(Tausend Löwen unter Feinden,
aus: „Welle“)

#Gedanke: Wie erklärt man einem Kind?

„“Denk doch nicht darüber nach,
alles wird schon wieder gut.“
Noch einen Kuss zur guten Nacht
und: „Mach beruhigt die Augen zu.“
Leise schließe ich die Tür
und es wird mir wieder klar,
dass viel zu viel von dem Gesagten
einfach schön geredet war.

Denn was ein Kind am allerbesten kann:
Es schaut Dich fragend an,
will von dir die ganze Wahrheit hören,
was sagst du dann?

Ich frag Dich:
Wie erklärt man einem Kind,
dass Menschen Menschen hassen,
nur weil sie andersartig sind?
Wie erklärt man einem Kind,
dass Menschen Menschen töten,
wenn der Hass in uns gewinnt?
Wie erklärt man einem Kind,
dass Menschen noch verhungern,
wenn der Stärkere bestimmt?
Wie erklärt man einem Kind,
dass einem selbst die Worte fehlen?
Erkläre das mal einem Kind!“

(Fahnenflucht,
aus: „Kind“)

Horizont

Unsere Füße versanken in weichem Sand. Dünengräser streichelten unsere Beine. Mit jedem Schritt. Obwohl die Sonne den Sand noch vor ein paar Stunden unter unseren Füßen hatte förmlich brennen lassen, fühlte er sich jetzt unerwartet kühl an. Obwohl die Sonne noch vor ein paar Stunden jegliche Feuchtigkeit aus dem Sand förmlich herausgebrannt hatte, durchzog ihn jetzt eine zarte Nässe.

Wir ließen unsere Blicke über die Weite des Meeres schweifen. Es lag beinahe regungslos und totenstill vor uns. Seine Ruhe durchsetzte das gesamte Bild bis hin zum Horizont. Und legte auf eine ganz eigentümliche Weise die ihm innewohnende Friedfertigkeit auf das gesamte Panorama.

Nach einigen hundert Metern hatten wir unseren Platz gefunden. Wir ließen uns im Sand nieder und den Ausblick auf uns wirken. Dämmriger Schleier webte sich in die Landschaft ein. Und begann sanft, die verbliebenen Reste des Tages aus dem, was sich uns darbot, herauszusaugen.

Von weit hinten aus, von dort aus, wo Himmel und Meer aufeinandertrafen, breitete sich seltsames Lila aus. Erst erklomm es den Horizont. Dann färbte es das Meer ein. Es schlich uns entgegen. Und schließlich umhüllte es uns von allen Seiten.

Die Natur erstrahlte in einer Weise, die wir vielleicht zum allerersten Mal in unserem Leben wahrnahmen. Wir verloren uns in diesem Anblick. Unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen. Welch ein Privileg, zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort verweilen zu dürfen.

Als das Dunkle die Oberhand gewann, erstand am Horizont ein feuriger Pilz. Es sah aus, als stiege er irgendwo weit hinter dem Meer auf. Erst noch ganz klein. Doch langsam wurde er größer und breitete sich aus.

Böse Vorahnungen stiegen in uns auf. Wenige tausend Kilometer in die Richtung, aus der dieser feurige Pilz aufstieg, sprachen in diesem Moment die Waffen. Brudervolk gegen Brudervolk hatte sich erhoben. Ein hoher Blutzoll wurde gezahlt. Und schleifte die gesamte Menschheitsfamilie ins Ungewisse. Drohungen einer nuklearen Eskalation hingen wie ein Damoklesschwert über dem Kriegsgebiet. Sollte dort das eingetreten sein, wovor wir uns alle so sehr gefürchtet hatten? Sollten dort gerade durch das nukleare Schwert ganze Landstriche, Städte und unzählige Menschen ausgerottet werden? Sollte das Unvorstellbare tatsächlich eingetreten sein?

Je höher dieser feurige Pilz aufstieg, desto mehr enzwickelte er sich zu einem roten Ball. Von dort ganz hinten aus, wo Himmel und Erde aufeinandertrafen, begann er die gesamte Szenerie zu überstrahlen. Kein Atompilz, sondern der Mond. Blutroter Vollmond. Je mehr die Nacht alles zudeckte, desto mehr erleuchtete er sie. Das Dunkel der Nacht konnte ihn nicht überwältigen. Und so würde es bleiben bis zum Morgengrauen.

Gen Süden

Ihr Ruf traf mich. Mein Blick folgte diesem Ruf. Weit oben, in großer Entfernung entdeckte ich sie. Riesige Schwärme. Angeordnet in Keil-Formationen glitten sie durch die Lüfte. In Richtung Süden. Ihre Rufe hallten über das Firmament hinweg. Ich blickte ihnen nach. Meine Gedanken verloren sich. In ihrem Ruf lag so etwas wie Vorfreude. So etwas wie Hoffnung. Vorfreude und Hoffnung auf den Ort, der da vor ihnen liegen mochte.

Langsam wurden sie kleiner und kleiner. Ihre Rufe leiser und leiser. Ich blieb zurück. Ja, fliegt dorthin, wo es Licht ist. Dorthin, wo es warm und einladend ist. Dorthin, wo das Leben ist. Ihr macht es genau richtig. Wie gerne hätte ich meine Flügel ausgebreitet, wäre abgehoben und ihnen gefolgt. Mein Herz rief: „Wartet auf mich!“ Doch mein Ruf verendete, noch bevor er mir über die Lippen gehen konnte. Er blieb mir in der Kehle stecken. Meine Füße waren durch schwere Eisen am Boden festgekettet. Keine Leichtigkeit, kein Ausbrechen.

Der Ort, an dem ich mich befand, versank langsam im Winter. Der Schatten des Krieges breitete sich aus. Dunkle Zeiten erhoben sich vor uns. Kälte zog ein. Das, was vor uns lag, war noch nie so ungewiss gewesen. Es war von Sorge, Angst und Verzweiflung durchsetzt.

Wenn die Zeit der Dunkelheit und der Kälte in einigen Monaten im Schwinden begriffen sein wird, werden die Zugvögel wieder zurückkehren. Zurückkehren von dem Ort, wo es die gesamte Zeit über so hell und so warm gewesen ist. Doch was werden sie hier vorfinden? Wie werden der Krieg und seine Auswirkungen diesen Ort hier verändert haben? Und wie werde ich selbst mich verändert haben? Bangen Auges blickte ich auf diesen Moment. Und doch schwang noch etwas ganz anderes mit, als ich an die Scharen der Zugvögel dachte, die am Firmament auftauchen, um die Natur um uns herum wieder zu bevölkern: Hoffnung.