WARUM WIRD MAN FREIMAURER?
Warum wird jemand Freimaurer? Vielen Freimaurer-Brüdern habe ich diese Frage gestellt. Und vieles konnte ich beobachten, seitdem ich in diese Bruderschaft aufgenommen worden war. Herausgekommen ist ein bunter Blumenstrauß an Motivationen. Der wohl häufigste Grund ist, einen Weg zu finden, sich mit sich selbst auseinander zu setzen und an sich zu arbeiten. Dies wird gefolgt von dem Wunsch nach Gemeinschaft und dem Bedürfnis, sich sozial zu engagieren. Manch einer schätzt den philosophischen Austausch, die Auseinandersetzung mit humanistischen Ideen oder sehnt sich nach mystischem Erleben. Ein Bruder erzählte mir mal, dass er sich Erleuchtung erhoffte. Doch auch weniger ehrenwerten Motiven bin ich begegnet. So traf ich auch auf Brüder, die sich von der vermeintlich elitären Fassade des Freimaurertums angezogen fühlten. Auch traf ich auf Brüder, die sich berufliche Vorteile oder gar ein karriereförderliches Netzwerk erhofften. Doch warum nun wurde ich selber Freimaurer?
WARUM WURDE ICH FREIMAURER?
Ich kann heute nachvollziehen, dass ich etwa 15 Jahre vor meiner Aufnahme in die Bruderschaft der Freimaurer anfing, mich ernsthaft mit ihr auseinander zu setzen. Es war zu einer Zeit, in der ich von Ritualen nichts hielt. War etwas rituell, war es für mich nur eine Umschreibung dafür, dass es starr, tot und eng war. Aus genau diesem Grund war ich seinerzeit auch aus der evangelischen Kirche ausgetreten.
Durch eine sehr fundamentale Krise, die mein gesamtes bisheriges Leben völlig in Frage stellte, kam ich mit unterschiedlichen Traditionen der Stille im Christentum (Kontemplation, Mönchstum etc.), den Wegen der christlichen Mystik und den Ideen der archaischen Initiationsriten, der Naturspiritualität sowie der spirituellen Männerarbeit nach Richard Rohr in Berührung. Je tiefer sich einzelne Aspekte davon in meinem Alltag verankerten, desto mehr bekam ich innerlich auch Zugang zu den Wirkweisen von Ritualen. Ich begann Rituale als etwas Halt gebendes zu schätzen, das – vorbei an meinem verkopften Wunsch, das Leben zu kontrollieren – mich auf tiefste Weise zu berühren vermag. Das ging so weit, dass ich, als ich mich nach langer Zeit mal wieder in einen sehr liturgischen Gottesdienst der evangelischen Kirche wagte, hinten auf meiner hölzernen Kirchenbank saß und mit den Tränen rang, als das Abendmahl eingesetzt und ausgeteilt wurde. Das war der Moment, in dem ich entschied, wieder in die evangelische Kirche einzutreten. Und es war auch die Zeit, in der ich auf intuitive Weise zu begreifen begann, warum Menschen durch das freimaurerische Ritual angerührt werden können.
Weiter erschloss ich mir, dass es unterschiedliche Richtungen innerhalb des Freimaurertums gibt. Die Richtung, für die ich mich später bewusst entscheiden sollte, war die des christlichen Freimaurerordens. Denn dieser vereinigte in seiner Symbolik und seinem Ritual vieles von dem, was meinen bisherigen spirituellen Weg so reich beschenkt hatte: Aspekte der christlichen Mystik, der Männerinitiation und des Versenkens in innere Stille.
Damit bin ich der Frage, warum ich selbst Freimaurer wurde, schon ein gutes Stück auf die Spur gekommen. Die eigentliche Frage aber, die sich dahinter verbirgt und die jeder, der mit dem Gedanken spielt, Freimaurer zu werden, für sich beantworten muss, lautet: „Was erhoffe ich mir von der Mitgliedschaft in der Bruderschaft der Freimaurer, was ich ohne diese nicht hätte?“ Meine Antwort darauf war: Ich sehnte mich nach einem regelmäßigen Ritual in meinem Leben. Und ich sehnte mich danach, dass dieses mich mit dem in Berührung kommen lässt, was meinen spirituellen Weg ausmacht.
DAS WESEN DER TEMPELARBEIT
Und habe ich gefunden, was ich zu finden erhofft hatte? Ganz klar: Ja! Ich nehme an kaum einem freimaurerischen Ritual teil, aus dem ich nicht innerlich bewegt hervorgehe. Dabei kann ich allerdings gar nicht so recht erklären, woran das nun eigentlich liegt.
Denn formal betrachtet, handelt es sich bei dem freimaurerischen Ritual lediglich um eine Abfolge ritueller Wechselgespräche und ritueller Handlungen. Hierbei wird symbolisch ein idealer Raum betreten: Die Loge. Ich begreife die Loge als einen Ort, der tief in mir liegt. Mein inneres Auge des Sturms. Der Ort, an dem ich einfach nur bin. Der Ort, an dem mystisches Erleben stattfinden kann. Hat man sich rituell in diese Loge begeben, können weitere rituelle Handlungen – wie zum Beispiel die Aufnahme eines Initianten in diesen Grad – vollzogen werden. Anschließend wird diese Loge rituell und in umgekehrter Reihenfolge, wie sie betreten worden ist, wieder verlassen. Der beschriebene Vorgang findet in jedem freimaurerischen Grad während sogenannter Tempelarbeiten statt.
Das Besondere an den Tempelarbeiten, wie ich sie im christlichen Freimaurerorden erlebe, ist, dass diese zwar mit jedem Grad, den man durchläuft, um neue Aspekte bereichert werden, der gesamte (ordens-) freimaurerische Weg jedoch bereits im ersten Grad – dem des Johannislehrlings – enthalten ist. Und ich habe für mich festgestellt, dass es für die Intensität meines Erlebens beinahe gänzlich irrelevant, in welchem Grad dieses Ritual stattfindet.
Der Ablauf einer Tempelarbeit hat von seinem Wesen her etwas sehr liturgisches. In mir lösen Tempelarbeiten ähnliche Zustände aus wie Meditationen oder vergleichbare Stille-Übungen. Im Laufe der Zeit ist die rituelle Loge so etwas wie eine innere Heimat für mich geworden. Gerade auch in den letzten anderthalb Jahren, in denen sich mein Weg verfinsterte und ich mich Anteilen von mir stellen musste, die ich am liebsten ganz weit weg geschoben hätte, habe ich die freimaurerischen Tempelarbeiten noch mal ganz neu als einen Ort schätzen gelernt, an dem ich zur Ruhe komme und mit mir selbst und meiner spirituellen Sehnsucht in Berührung komme. Wenn der Logenmeister eine jede Tempelarbeit eröffnet, indem er mit seinem Hammer auf den Altar schlägt und die Worte spricht „Ehre sei Gott“, spüre ich in diesem Moment, wie ich heimkehre…
Ich kann das gut nachvollziehen …
Ich habe eine sehr konkrete spirituelle Heimat …
Es ist anders … aber es sind auch bestimmte Worte … Bilder … Handlungen … die mich damit DIREKT in Verbindung bringen …
Das ist meine Heimat und das ist das Wichtigste in meinem Leben … und dafür bin ich unendlich dankbar !
LG ❤
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Vielen Dank,
für die lieben Worte!
Ich kann Deine Dankbarkeit nachempfinden. Auch ich bin dankbar für meine rituelle Heimat.
Allerdings bin ich mir auch bewusst, dass diese lediglich ein Hilfsmittel ist. Und das Ideal sollte sein, irgendwann aus einem Bewusstsein ehraus zu leben, das auf solche Hilfmittel nicht mehr angwiesen ist…
Mal schauen, ob solch ein Ideal in diesem Leben und dieser Welt überhaupt zu verwirklichen ist… 😉
Gesegneten Gruß!
Hagen
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Lieber Bruder,
es ist beeindruckend, wie eine Tempelarbeit wirken kann und Du beschreibst dies ziemlich gut.
Es ist, für mich, ebenfalls immer wieder neu, jede Arbeit neu und anders zu erleben. Das Ritual ist immer das gleiche, die Wechselgespräche unterscheiden sich lediglich „graduell“ und bewegen mich innerlich durchaus unterschiedlich.
An manchen Tagen fühle ich geradezu körperlich einen Energiefluss, der von den Protagonisten auf die Logengemeinschaft überspringt und die gesamte Arbeit gewissermaßen aus der Welt erhebt, während an anderen Tagen die Arbeit merkwürdig flach bleibt.
Die Gründe dafür sind vielfältig, liegen aber meist in mir selbst, weil ich vielleicht den Eintritt vom profanen zum sakralen Raum innerlich unvollständig vollzogen habe.
Die Tempelarbeit ist, und das halte ich – für mich – für entscheidend, lediglich die Initialzündung für das, was ich nach der Arbeit mit in mein Leben nehme.
Nicht meine persönliche Ergriffenheit, nicht mein Hochgefühl angesichts eines gelungenen Rituals, sondern der Anstoss, das, was ich dort gehört und erlebt habe, in meinem Leben praktisch umzusetzen, gemäß dem Auftrag:
Nun geht in die Welt und seid Freimaurer………… !
Dann spüre ich, dass ich nicht von einem unbekannten unabwendbaren Schicksal abhängig oder mit der Gnade eines unfassbaren Grundes rechnen muss, sondern dass ich dort die Kraft erhalte, die notwendig ist, Selbst- und Eigenverantwortlich das Leben zu führen und damit das Leben und die Welt, gemeinsam mit meinen Brüdern und Schwestern zum Positiven verändern kann.
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Vielen Dank, lieber Bruder Werner, für Deinen (mal wieder) wertschätzenden und fundierten Kommentar!
Ich bin auf Deiner Linie: Das Ritual sollte nicht Selbstzweck sein. Denn sonst besteht die Gefahr, dass es zur geistigen Onanie verkommt (wie ein Bruder es mal ausdrückte).
Dass man das Ritual zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich tief erlebt, liegt in der Natur der Sache. Nicht immer ist man selbst gleich achtsam oder gleich aufnahmefähig oder -willig.
Die Frage ist auch, ob das Ritual nicht nur Mittel zum Zweck für ein Bewusstsein ist, in dem man dauerhaft tagtäglich und auch ohne Ritual wandeln sollte (oder zu wandeln lernen sollte)…
Lieben brüderlichen Gruß!
Hagen
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